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Flucht ins Steuerparadies

Französische Millionäre bringen bereits vor der Wahl ihr Vermögen vor der Linken in Sicherheit

Von Ralf Klingsieck *

Unter Frankreichs Reichen geht bereits die Angst vor Steuerverschärfungen um – immer mehr flüchten ins Ausland.

Früher war Bertrand Marot ein gewöhnlicher Anwalt. Doch dann entdeckte er ein lukratives Geschäftsfeld und besetzte mit seiner Brüsseler Kanzlei eine Nische – eine Steuernische. Marot berät reiche Franzosen beim Umzug nach Belgien, erledigt Anmeldungen, empfiehlt Banken und Anlageberater, sucht Villen und Schulen für die Kinder. »Seit einigen Monaten ist die Zahl der Klienten sprunghaft gestiegen«, erzählt er stolz. »Die Präsidenten- und Parlamentswahlen in Frankreich, die einen Machtwechsel zugunsten der Linken bringen dürften, werfen ihre Schatten voraus.«

Die Ankündigung von François Hollande, als Präsident werde er die von seinem Vorgänger eingeführten Steuervergünstigungen für Besserverdienende schleifen, die Vermögensteuer verschärfen und Einkommen von über einer Million Euro im Jahr mit einer 75-Prozent- Steuer belegen, empfinden die Reichen als Kriegserklärung.

Wessen Geschäfte es zulassen, der liebäugelt damit, ins steuergünstige Ausland zugehen. Boten sich früher vor allem Karibik- und Südseeinseln an, muss man heute gar nicht so weit reisen. Auch Belgien, die Schweiz, Irland und Großbritannien sind attraktiv. So stöhnen zwar die Belgier über ihre hohe Einkommensteuer, doch die betrifft nur Arbeitseinkommen, Vermögen bleibt fast ungeschoren. Im Vergleich zu Frankreich gibt es keine Zinssteuer auf Bankguthaben und Aktien, keine Vermögenund keine Erbschaftsteuer. Wer eine Firma gründet, zahlt keine Unternehmensteuer. Und selbst um die Grund- und Gemeindesteuern versuchen sich viele der französischen Steuerflüchtlinge herumzumogeln. Wer in Frankreich steuerfrei bleiben will, muss nachweisen, dass er mindestens das halbe Jahr im Ausland lebt. Da so mancher glaubt, dem schon mit einer Briefkastenadresse in Belgien zu genügen, prüfen französische Steuerfahnder in Belgien inzwischen ziemlich streng. In der Schweiz können reiche Ausländer mit der Steuerbehörde eine jährliche Pauschale aushandeln, die nicht vom mitgebrachten Vermögen ausgeht, sondern vom Wert des dort erworbenen Grundstücks und Hauses sowie den Ausgaben in der Schweiz. Unter den 300 reichsten Familien in der Schweiz sind laut einer Liste der Zeitschrift »Bilan« 44 französische. Dazu zählen beispielsweise Wertheimer (Parfüms Chanel), Peugeot, Bich (Kugelschreiber Bic) oder Lacoste. Auch Musikstars wie Charles Aznavour und Johnny Hallyday haben sich in die Schweiz zurückgezogen, ebenso ehemalige Formel- 1-Piloten und die französische Tennisnationalmannschaft.

Zwei Millionen Franzosen leben im Ausland und jährlich kommen 25 000 hinzu. Die meisten führt die Arbeit über die Grenze, aber immer mehr wollen ihr Vermögen ungeschmälert genießen – und vererben – oder günstig ein Unternehmen gründen. Nach offizieller Statistik haben 821 vermögende französische Familien 2008 ihre Heimat verlassen. Das waren doppelt so viele wie 1998. Seit Einführung der Vermögensteuer ISF 1997 verließ jeder dritte französische Multimillionär das Land.

Auf der Suche nach Investoren hat sich auch Lettland zum Steuerparadies für Franzosen gewandelt – mit lukrativen Lockangeboten: »Das ist nicht nur für Millionäre interessant, sondern auch schon für gut situierte Mittelständler. Wenn man 300 000 Euro für mindestens fünf Jahre in einer staatlichen Bank deponiert, wo sie mit fünf Prozent verzinst werden, kann man lettischer Steuerbürger werden«, berichtet der in Riga ansässige französische Steueranwalt Denis Dumont stolz.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 24. April 2012

Umfrage: Sarkozy-Wähler wollen Allianz mit Front National

dapd meldete am 25. April aus Paris u.a.:
Nach einer aktuellen Umfrage des französischen Wirtschaftsblattes "Les Echos" befürworten mehr als 60 Prozent der Wähler von Präsident Nicolas Sarkozy eine Allianz mit den Rechtsextremen: Sie befürworten es, mit dem Front National zusammenzuarbeiten, um eine rechts-konservative Regierung zu bilden.




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