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Die Elite schäumt

Ecuador hat neue Mediengesetze: Mehr Vielfalt und Schutz vor dem Monopol privater Pressezaren

Von Volker Hermsdorf *

Während täglich neue Details der weltweiten Überwachung von Bürgern, Regierungen und Medien durch Geheimdienste der USA und Großbritanniens ans Licht kommen, wird Ecuador nicht nur wegen seiner Haltung zu den »Whistleblowern« Julian Assange und Edward Snowden kritisiert. Auch das am Dienstag vergangener Woche in Kraft getretene neue Mediengesetz wird von den Medienkonzernen in Ecuador, dem US-Außenministerium und einem Teil der europäischen Medien als »Angriff auf die Meinungsfreiheit« angeprangert. Die Intention dieses Gesetzes ist aber eine ganz andere: Es soll den Bürgern mehr Vielfalt und Schutz vor dem Meinungsmonopol privater Pressezaren bieten.

Die 2008 beschlossene neue Verfassung enthielt den Auftrag an das Parlament, binnen 365 Tagen Vorschläge zur Neuregelung der Mediengesetze vorzulegen. Der Entwurf einer parlamentarischen Arbeitsgruppe wurde jedoch von Anfang an durch Kampagnen der privaten Medienunternehmer und Manöver der rechten Opposition blockiert. Erst seit der Wahl Rafael Correas zum Präsidenten im Jahre 2006 beschäftigten sich Regierungspolitiker mit dem Thema. Am 14. Juni dieses Jahres wurde das Gesetz schließlich vom Parlament verabschiedet.

Ecuador ist nach Guyana, Bolivien und Paraguay das viertärmste Land Südamerikas, das Bildungsniveau ist niedrig und die Armut extrem – Radio und Fernsehen sind die wichtigsten Informationsquellen. Allerdings befinden sich über 85 Prozent der Radiofrequenzen und mehr als 71 Prozent der Fernsehkanäle im Besitz privater Anbieter. Überprüfungen haben ergeben, daß viele Lizenzen obendrein illegal erteilt wurden.

Auch die Presse ist fest in den Händen der Elite. Die größte Tageszeitung, El Universal, gehört der Unternehmensgruppe Pérez, die zu den wichtigsten Förderern ultrarechter Politiker zählt. Die zweitgrößte Zeitung El Comercio wird von der Gruppe Mantilla Mosquera herausgegeben, der auch etliche Radiosender und Firmen gehören. Auch Blätter wie Hoy und La Hora sind Privateigentum mächtiger Unternehmensgruppen.

Das Ergebnis der Konzentration auf wenige Eigentümer ist ein Monopol, das sogar in Lateinamerika ungewöhnlich ist. Kritische Journalisten, Gewerkschafter, Vertreter von Bauern, Frauen oder der indigenen Bevölkerung haben in den meist rechtslastigen Privatmedien keine Stimme. Die Oligarchie hat die veröffentlichte Meinung des Landes fest im Griff. Alternativen gibt es kaum, denn gerade einmal vier Prozent der über 15 Millionen Einwohner haben Zugang zum Internet und nur elf Prozent besitzen einen Telefonanschluß. Das alles ist ein Vermächtnis der 1975 errichteten Militärdiktatur und der ihr folgenden neoliberalen Regierungen.

»Die Kommunikation ist heute einer der Bereiche, in denen die Herrschaft der Mächtigen über das Recht der Bürger am deutlichsten sichtbar wird«, klagte Rafael Correa auf einem Treffen von Medienexperten aus zwölf Ländern am 19. und 20. Juni in Guayaquil. Er bestehe darauf, daß die freie Information ein Recht der Bürger sei, sagte er und nannte es einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Menschenrechte, wenn Informationen zu einem Geschäft gemacht werden, zu einem »Handelsobjekt wie Tabak oder Waffen«.

Das neue Mediengesetz Ecuadors soll dem einen Riegel vorschieben und den Mediensektor demokratisieren. Es erweitert unter anderem den Schutz von Kindern und Jugendlichen, verbietet jede Vorabzensur durch die Regierung oder Behörden, garantiert den Journalisten Vertraulichkeit und Quellenschutz und regelt die Neuvergabe der Frequenzen. Künftig werden 34 Prozent an kommunale Sender und je 33 Prozent an öffentlich-rechtliche sowie private Betreiber vergeben. Was auf dem »Internationalen Gipfeltreffen für einen verantwortungsbewußten Journalismus« (siehe www.cuprecuador.com ) in Guayaquil als »Schritt zur Erweiterung des Meinungsspektrums« begrüßt wurde, ist für die einheimische Elite und die privaten Medienbesitzern allerdings Teufelswerk.

Auch das US-Außenministerium beeilte sich, den »Angriff auf die Meinungsfreiheit« zu verurteilen, und deutsche Medien gaben Ecuadors Präsident den Rat, statt sich für Assange und Snowden einzusetzen, lieber die Pressefreiheit im eigenen Land zu respektieren. Für Spiegel online ist Correa schlicht ein »Presse-Knebler«. An dem von ihm unterzeichneten Gesetz kritisieren die vorgeblichen Medienwächter vor allem, daß es den Journalisten eine Beweispflicht für schwerwiegende Anschuldigungen auferlegt und die Verbreitung unbewiesener Verleumdungen sowie üble Nachrede unter Strafandrohung stellt.

Im deutschen Strafgesetzbuch ist Ähnliches längst geregelt. Journalisten, die den Bundespräsidenten verunglimpfen (§90 StGB), jemanden verleumden (§187 StGB) oder gar »üble Nachrede gegen Personen des politischen Lebens« begehen (§188 StGB) können dafür eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren kassieren – deutlich mehr als in Ecuador nach dem dortigen neuen Mediengesetz. Zur Verfolgung von Journalisten ist hierzulande allerdings nicht einmal eines der genannten Delikte erforderlich. In der Bundesrepublik werden kritische Medien – wie die junge Welt – regelmäßig aus nichtigeren Anlässen mit existenzbedrohenden Prozessen überzogen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 4. Juli 2013


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