Mehr Teilhabe für Sinti und Roma
Romani Rose will Bewusstsein für die Minderheit der Sinti und Roma schärfen *
Der heutige 8. April ist der Internationale Tag der Roma. Was bedeutet dieser Tag für Sie?
Sein Sinn liegt darin, dass die Menschen sich an die Geschichte unserer Minderheit erinnern und
Zeichen in Bezug auf die Situation der Minderheit setzen. Der Tag wurde von der internationalen
Roma Bewegung ausgerufen und es gibt ihn jetzt seit 1990.
Was wären es denn für Zeichen, die Sie setzen wollen?
Wir wollen das Bewusstsein wach halten für die 700-jährige Geschichte unserer Minderheit zum
Beispiel in Deutschland oder in anderen Ländern. Und an die kulturellen Beiträge erinnern, die
unsere Minderheit im Laufe von Generationen, als Bürger in den jeweiligen Staaten, geleistet hat.
Die Abschiebung von ungefähr 10 000 Roma nach Kosovo hat begonnen. Warum reagiert die Bundesregierung nicht auf Appelle, die Abschiebungen zu stoppen?
Wir haben uns ebenfalls an die Bundesregierung gewandt. Ich habe das persönlich dem damaligen
Innenminister, Herrn Schäuble, vorgetragen und ihn gebeten, die Roma aus humanitären Gründen
nicht abzuschieben. Wir wissen von internationalen Einrichtungen, dass die Menschen in Kosovo
der Bedrohung durch Serben sowie Albaner ausgesetzt sind. Und in einer solchen Situation sollte
gerade Deutschland ein Zeichen setzen.
Warum Deutschland?
Wegen der Geschichte des Nationalsozialismus hat Deutschland eine besondere Pflicht zur
Bewahrung der Menschenrechte. Und das heißt in diesem Fall, Menschen unserer Minderheit nicht
in die Gefahr zu schicken, wo sie um Leib und Leben fürchten müssen.
Entzieht sich Deutschland seiner Verantwortung?
Bis jetzt sind die Abschiebungen noch Einzelfälle, aber die Ankündigung der Innenminister, Familien,
die über Jahre in Deutschland nur geduldet waren, jetzt abzuschieben, bedroht die Stabilität
zwischen den ethnischen Gruppen in Kosovo und insbesondere die Roma-Minderheit. Viele der
abgeschobenen Familien haben Kinder, die hier geboren wurden, die Deutsch als Muttersprache
gelernt haben – die Menschenwürde verbietet es, diese Familien nach Kosovo abzuschieben.
Es gab Zusagen beispielsweise des französischen Außenministers Kouchner, dass man die
unwürdige und unmenschliche Situation der Roma dort verbessern wolle. In Mitrovica zum Beispiel
sitzen die Roma auf einer gesundheitsgefährdenden Bleimine. Kinder erkranken dort, und die
Sterblichkeitsrate ist sehr hoch. Das ist ein Zustand, den die EU nicht akzeptieren kann, angesichts
ihres Wertesystems und ihres Anspruchs, die Menschenrechte hochzuhalten.
Mit Vorliebe redet die EU über die Menschenrechte in Afghanistan. Zuerst müssen wir diese doch
innerhalb unserer eigenen Staatengemeinschaft regeln.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Lage der Roma zu verbessern?
Da bedarf es mehr als Konferenzen. Die EU hat in der Vergangenheit Mittel für osteuropäische
Länder zur Verfügung gestellt, aber diese Gelder waren nicht zweckgebunden. Oft sind sie der
Korruption zum Opfer gefallen. Es gibt in Europa teilweise Strukturen, die an die Apartheid
Südafrikas erinnern – wenn zum Beispiel Kinder in Sonderklassen kommen.
Doch auch in Deutschland gibt es genug zu tun. 70 000 Roma leben hier. Wir haben 2006 eine
Umfrage gemacht. 76 Prozent der Befragten gaben an, dass sie schon einmal mit Diskriminierung
konfrontiert waren. Das betrifft den Arbeitsplatz, die Schule, Diskotheken, Lokale, die Arbeits- und
Wohnungssuche. Die Gesellschaft muss für mehr Teilhabe der Roma sorgen: durch Bildung,
Beteiligung am politischen und sozialen Leben und durch die Beseitigung der Ausgrenzung durch
Diskriminierung und Rassismus.
Fragen: Antje Stiebitz
* Aus: Neues Deutschland, 8. April 2010
Internationaler Roma-Tag: Ein Tag, um das Bewusstsein für die Menschenrechte und Probleme von Roma zu schärfen
Anlässlich des Internationalen Roma-Tag, den 8. April, erinnert an die European Roma Rights Centre (ERRC), die bis heute am meisten benachteiligten Roma-Volksgruppe in Europa bleiben. In ganz Europa werden die Grundrechte der Roma immer noch regelmäßig verletzt. Über wiederholte Fälle von rassistisch motivierter Gewalt und Hassreden gegen Roma wird berichtet. Roma sind auch Opfer von Diskriminierung beim Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung, öffentlichen und sozialen Dienstleistungen.
Das ERRC ist besonders besorgt über die Verletzungen der Rechte der Roma Gehäuse, die in den letzten Jahren in mehreren europäischen Ländern, darunter die Tschechische Republik, Griechenland, Rumänien, Russland, Slowenien und die Türkei vorkommen. Das ERRC stellt fest, dass Verstöße gegen die Rechte der Roma sich nicht allein auf den mangelnden Zugang zu angemessenem Wohnraum aufgrund von Armut beziehen; sie manifestieren sich auch häufig in Fällen von Zwangsräumungen und systematischen Zerstörungen von Roma-Siedlungen.
Zu einem angemessenem Wohnraum gehören gemeinhin folgende Elemente: Rechtssicherheit, Verfügbarkeit von Dienstleistungen, Anlagen und Infrastruktur, die Erschwinglichkeit, Bewohnbarkeit, Zugänglichkeit und und kulturelle Angemessenheit der Siedlungen. Internationale und europäische Menschenrechtsstandards verankern das Recht auf angemessenen Wohnen als Grundrecht. Zahlreiche Berichte über Verletzungen der Rechte der Roma in ganz Europa zeigen ihre allgegenwärtige Diskriminierung. Vielen Roma fehlt die grundlegende Sicherheit auf ein Leben unter angemessenen Verhältnissen. Roma-Siedlungen sind durch eine unzureichende Infrastruktur und die begrenzten Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen geprägt. In den meisten Fällen kommen Zwangsräumungen, missbräuchliche Razzien und die Zerstörung ihres Eigentums hinzu. Die meisten Wohnraumzerstörungen werden nicht dokumentiert und selten werden erschwingliche Alternativen bereitgestellt.
Der Internationale Roma-Tag wurde offiziell im Jahr 1990 in Polen erklärt, während des vierten World Romani Congress zu Ehren des ersten großen internationalen Treffens von Vertretern der Roma, 7-12 April 1971 in London, UK. Internationale Roma-Tag ist ein Tag, um die Roma-Kultur zu feiern und das Bewusstsein für die Probleme der Roma wach zu halten. Es ist beunruhigend zu sehen, wie wenig Fortschritte seit 1990 bei der Verbesserung der Lebensbedingungen der Roma erreicht wurden. Die internationale Gemeinschaft muss diesen Tag nutzen, um an ihre Verpflichtungen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Roma zu erinnern.
Anlässlich des Internationalen Roma-Tag fordert die ERRC alle relevanten Parteien und Behörden auf, ein soziales, politisches und rechtliches Klima zu schaffen, in dem das Recht und die Kultur der Roma respektiert werden.
Quelle: Website des European Roma Rights Centre (ERRC); www.errc.org; teilweise von uns (AGF) korrigierte deutsche Fassung des englischen Dokuments
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