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Luftdrehkreuz für den Krieg

Bundesregierung droht Klage wegen US-Airbase Ramstein *

Die Vereinigung Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen hat einen Vorstoß gegen eine rechtswidrige Nutzung des US-Luftwaffenstützpunkts Ramstein in Rheinland-Pfalz gestartet.

Ausgangspunkt ist eine Klage des Friedensaktivisten Wolfgang Jung aus Kaiserslautern gegen die Bundesregierung. Dem unweit der Airbase Ramstein Aufgewachsenen war nach eigenen Angaben in den 1980er Jahren bewusst geworden, dass Ramstein und die Region Kaiserslautern das größte atomare Machtzentrum von USA und NATO in Europa darstellten. Die hier ansässigen 45 000 US-Amerikaner bildeten nach wie vor die größte US-Militärgemeinde mit dem größten Munitionslager und dem größten Lazarett außerhalb Nordamerikas. Die Airbase Ramstein stelle das größte Luftdrehkreuz der US-Streikräfte außerhalb der USA dar. Bei 30 000 Starts und Landungen jährlich würden hier über 90 Prozent der Nachschubflüge zu den Kriegsschauplätzen im Mittleren Osten abgewickelt, erklärte Jung am Freitag in Mainz.

Ein schwer zu beziffernder Anteil dieser Flüge diene der Vorbereitung oder Führung völkerrechts- und verfassungswidriger Angriffskriege, so Jung. Dabei beruft er sich auf die Grundgesetz-Artikel 25 und 26, die die Grundsätze des Völkerrechts innerstaatlich für bindend erklären und Angriffskriege verbieten. Leider habe das Bundesverteidigungsministerium bisher seine Kontrollfunktion nicht wahrgenommen, bemängelte der Antragssteller. Daher habe er die Rechtsanwälte Peter Becker und Otto Jäckel mit der Einreichung von Anträgen an das Verteidigungsministerium auf Betriebsüberwachung beauftragt.

In dem Schreiben wird das Ministerium unter anderem aufgefordert, alle über den rein defensiven Schutz hinausgehenden Unterstützungsleistungen der Bundesrepublik für die »Operation Enduring Freedom« (OEF) in Afghanistan zu unterlassen. Ebenso verlangen die Anwälte Auskunft darüber, ob die von Ramstein ausgehenden Flugbewegungen in Afghanistan dazu beitragen, dass »in einem Ausmaß Zivilsten getötet werden, das den Anteil von Taliban-Kämpfern weit übersteigt«. Die zur Absicherung der Regierung Karsai eingerichtete ISAF-Mission setze für gezielte Tötungen zunehmend unbemannte Drohnen ein. 95 Prozent der 2009 bis 2011 Getöteten seien unschuldige Zivilbevölkerung gewesen. Diese auch von Ramstein ausgehende »exzessive Kriegsführung« sei ebenso völkerrechtswidrig wie die über die Air Base abgewickelten »Folterflüge«, mit denen Army und CIA weltweit foltergestützte Vernehmungen durchführten.

Die Anträge und die vermutlich daraus erwachsende Klage stützen sich auch auf ein Gutachten über Militärbasen und Militärflughäfen in Deutschland, das der Jurist Andreas Fischer-Lescano für die Linksfraktion im Bundestag erstellt hatte. Schon das Bundesverwaltungsgericht habe 2005 den Irak-Krieg für völkerrechtswidrig erklärt, argumentieren Becker und Jäckel. Zudem sei die völkerrechtliche Zulässigkeit der Kriegführung im Rahmen der OEF in Afghanistan und der ISAF bisher nicht festgestellt worden.

»Sollte sich unsere Rechtsauffassung bestätigen, müsste die US Army aufgefordert werden, ihre völkerrechtswidrige Kriegsführung von deutschem Boden aus zu unterlassen«, so die Anwälte. Sollte das Ministerium nicht im Sinne Jungs tätig werden, wollen die Anwälte Klage beim Verwaltungsgericht in Köln einreichen.

* Aus: neues deutschland, 24. März 2012


Yankee, go home!

Von Christian Klemm **

So manches hat sich aus dem Kalten Krieg erhalten. Überall in Deutschland können noch heute alte Bunkeranlagen besichtigt werden, die erahnen lassen, dass die Blockkonfrontation leicht in einen heißen Atomkrieg hätte ausarten können. Auch die Ramstein Air Base in der Pfalz ist so ein Relikt des Kalten Krieges. Wie alles andere aus dieser Zeit ist dieser US-amerikanische Militärstützpunkt so überflüssig wie ein Kropf. Den Klägern, die der militärischen Nutzung des Flughafens den Garaus machen wollen, ist nur Glück zu wünschen.

Ramstein ist der größte Stützpunkt der US Air Force außerhalb der USA. Über die Basis wird sowohl der Transport von Fracht als auch die Verlegung von Truppen in Krisengebiete abgewickelt. Bei den Angriffskriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan starteten US-Maschinen von Ramstein aus. Auch Entführungen von mutmaßlichen Terroristen durch den Auslandsgeheimdienst CIA sollen über die Air Base vollzogen worden sein. Und bei all dem hält die deutsche Politik die Füße still, muckt nicht auf, sondern mischt bei der ein oder anderen Schweinerei ordentlich mit. Deutschland hat seine Unterwürfigkeit gegenüber den USA auch mehr als 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges nicht abgelegt.

Das müsste nicht so sein. In Südamerika beispielsweise macht diese und jene Regierung vor, wie man den Yankees die rote Karte zeigt. So wiedersetzte sich zum Beispiel die Regierung in Ecuador, die Stationierung von Soldaten der USA auf der Manta Air Base vertraglich zu verlängern. 2009 verließ der letzte US-Amerikaner die Basis in Manta. Warum immer nur auf die USA schielen und nicht mal nach Ecuador?

** Aus: neues deutschland, 24. März 2012 (Kommentar)


"Bis zu 30 Flüge in der Woche nach Afghanistan"

Juristen verklagen Bundesregierung wegen völkerrechtswidriger Nutzung der Airbase in Ramstein. Ein Gespräch mit Reiner Braun ***

Reiner Braun ist Geschäftsführer der IALANA (Internationale Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen).


Die Deutsche Sektion der IALANA unterstützt eine Klage des Sprechers der Friedensbewegung in der Pfalz, Wolfgang Jung, der der Bundesregierung vorwirft, die Airbase Ramstein völkerrechts- und verfassungswidrig für den Krieg in Afghanistan zu nutzen. Wie ist die Klage juristisch begründet?

Wolfgang Jungs Anwälte Peter Becker und Otto Jäckel haben diese Klage vergangenen Donnerstag beim zuständigen Verwaltungsgericht in Köln eingereicht. Wir wollen gerichtlich klären lassen, daß die Angriffe der Amerikaner auf Afghanistan, die von Ramstein ausgehen, weder mit dem Völkerrecht noch mit der deutschen Verfassung vereinbar sind. Unserer Auffassung verstoßen diese sowohl gegen das Gewaltverzichtsverbot der UN-Charta als auch gegen das Verbot eines Angriffskrieges, wie es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt ist. Es geht uns darum, der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, daß die Nutzung dieser militärischen Basis nicht grundgesetzkonformen Verteidigungszwecken dient, wie die Bundesregierung ständig behauptet. Vielmehr findet hier ein Angriffskrieg der USA mit Zustimmung unserer Bundesregierung statt.

Welche kriegerischen Aktivitäten gehen Ihrer Kenntnis nach von Ramstein aus?

Vom Zwischenlager in Ramstein wird Munition nach Afghanistan ausgeflogen. Bis zu 30 Flüge in der Woche nach Afghanistan sind unserer Beobachtung nach von dort ausgegangen. US-Soldaten werden hier in einem Recreation-Center für den Krieg fit gemacht. Ramstein bietet als Logistik-Zentrale die Infrastruktur für die Einsatzführung in Afghanistan – und wird als Befehlszentrale zum sogenannten Raketenabwehrschirm ausgebaut. Wir werden nachweisen, daß die von der Bundesregierung dargelegten Rechtfertigungsgründe nicht zutreffen, daß der Afghanistan-Krieg durch ein UN-Mandat gedeckt ist. Zwar hat sich die US-Regierung für den Krieg gegen Afghanistan seit Oktober/November 2001 auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 UN-Charta berufen – dieser wurde jedoch außer Kraft gesetzt, nachdem der Sicherheitsrat sich damit befaßt hatte. Zudem fehlt es im Sinne einer Verteidigung an der Grundvoraussetzung eines »bewaffneten Angriffs« durch Afghanistan. Demnach handelt es sich um einen Angriffskrieg der USA, der nach unserem Grundgesetz von deutschem Boden aus nicht unterstützt werden darf.

Welche Abkommen zwischen den USA und Deutschland gibt es in bezug auf die Airbase?

Verträge besagen, daß die Amerikaner ihre Truppen in Deutschland stationieren dürfen, wobei aber nicht gegen übergeordnete Vereinbarungen verstoßen werden darf – weder gegen die UN-Charta, noch gegen die deutsche Verfassung. Das ist aber nach unserer Auffassung der Fall.

Wie äußert sich das Bundesverteidigungsministerium dazu?

Das Ministerium weist im Schriftverkehr mit IALANA den Vorwurf eines Angriffskrieges zurück. Es wird behauptet, alles verhalte sich grundgesetzkonform und legal. Was wir bezweifeln.

Woher stammen Ihre Kenntnisse?

Es gibt drei entscheidende Quellen: Erstens beobachten Wolfgang Jung und die Friedensbewegung in der Pfalz das Vorgehen in Ramstein schon seit Jahrzehnten sehr genau. Zweitens beziehen wir uns auf Informationen des Pentagons, die durch das Informationsfreiheitsgesetz in den USA öffentlich zugänglich sind. Dort sind Truppenbewegungen und Stationierungen der US-Army in Ramstein detailliert aufgelistet. Drittens gibt es einen Report von 2009 an den Senat der USA, verfaßt im Zusammenhang mit den Ausbauplänen von Ramstein.

Welchen Erfolg versprechen Sie sich von der Klage?

Wir wollen einen gesellschaftlichen Protest verstärken, der an die Entscheidung des Münchner Bundeswehrmajors Florian Pfaff anknüpft. Der hatte sich 2003 geweigert, eine militärische Software weiter zu entwickeln, die den Angriff der USA auf den Irak unterstützen sollte. 2005 hat er vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Recht bekommen.

Interview: Gitta Düperthal

*** Aus: junge Welt, 24. März 2012


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