EINE SICHERHEITSSTRATEGIE FÜR DEUTSCHLAND
Beschluss der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 6. Mai 2008
vorgestellt auf der Sicherheitskonferenz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 7. Mai 2008 in Berlin
"Wir müssen eine Strategie-Kultur entwickeln, die ein frühzeitiges,
rasches und wenn nötig robustes Eingreifen fördert."
(Europäische Sicherheitsstrategie vom 12.12.2003)
Eine Sicherheitsstrategie für Deutschland
Deutschland - in Europäischer Union und NATO eingebettet in einen
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts - ist eines der sichersten
Länder der Erde. Dennoch bestehen viele Bedrohungen
und Risiken für unsere Sicherheit wie Terrorismus, Organisierte
Kriminalität, Energie- und Rohstoffabhängigkeit, Weiterverbreitung
von Massenvernichtungswaffen und Aufrüstung, regionale Konflikte,
scheiternde Staaten, Migration, Pandemien und Seuchen; die Folgen
des Klimawandels können diese Sicherheitsrisiken noch verstärken.
Durch die
Globalisierung und die zunehmende Verflechtung zwischen
den Staaten gewinnen diese Risiken an Dynamik. Entwicklungen,
die zunächst weit von unserem Territorium entfernt sind, können
sich schneller ausbreiten und negativ auf unsere Sicherheit auswirken.
Deutschland ist in die globale Infrastruktur von Verkehr, Energie,
Information und Finanzmärkten eingebunden und als Import- und
Exportnation besonders abhängig von der Funktion und Offenhaltung
dieser kritischen Infrastrukturen und dem Zugang zu Kapital-, Absatzund
Beschaffungsmärkten, zu Kommunikationsnetzen, Verkehrsinfrastruktur
und Pipelines. Die moderne Massenkommunikation, allem
voran das Internet, die steigende weltweite Mobilität und ein wachsendes
globales Bewusstsein führen zu einer immer dichteren internationalen
Vernetzung unserer Bürger, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen
Strukturen.
Unser Umfeld verändert sich: durch das Entstehen neuer nicht-staatlicher
Akteure; durch den Aufstieg neuer Mächte wie Indien und China;
durch die wachsende Bedeutung von Nicht-Regierungsorganisationen.
Aus diesen Veränderungen ergeben sich neue Notwendigkeiten und
Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei der Lösung globaler und regionaler
Sicherheitsprobleme, durch Machtverschiebungen auf der internationalen
Ebene können aber auch neue Konflikte entstehen.
All dies beeinflusst direkt oder indirekt die Sicherheitslage Deutschlands.
Nur im Bündnis mit anderen Staaten kann Deutschland diesen
Sicherheitsrisiken in einer globalisierten Welt wirksam entgegen treten.
Außerdem erfordert die Bewältigung dieser Herausforderungen eine
Sicherheitsstrategie, die auf einem umfassenden Ansatz beruht, und
die neben den klassischen Feldern der Außen-, Europa-, Verteidigungs-,
Menschenrechts- und Entwicklungspolitik auch die Innen-, Wirtschaftsund
Energie-, Umwelt-, Finanz-, Forschungs- und Bildungspolitik erfasst
und zu einem breiten Instrumentarium vernetzt, das im Zusammenwirken
mit anderen Staaten, nichtstaatlichen Akteuren und Organisationen
wie den Vereinten Nationen, der NATO und Europäischen Union eingesetzt
wird.
Ziel ist es, präventiv Sicherheitsrisiken zu minimieren
und dort schnell und effektiv eingreifen zu können, wo sich für unsere
Sicherheit relevante Krisen konflikthaft zuspitzen.
I. Deutsche Sicherheitsinteressen im Rahmen der Europäischen Sicherheitsstrategie
Aufgabe des deutschen Staates ist es, den Werten des Grundgesetzes
entsprechend Recht und Freiheit, Demokratie, Sicherheit und Wohlfahrt
für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu bewahren, sie vor
Gefährdungen zu schützen und die Souveränität und Unversehrtheit
des deutschen Staatsgebietes zu sichern. Dazu kommen die Aufgaben
und Verpflichtungen, die sich aus der Mitgliedschaft Deutschlands in
Bündnissen wie der NATO und der EU ergeben.
Angesichts der genannten Risiken für unsere Sicherheit liegt es
folglich in unserem Interesse,-
regionalen Krisen und Konflikten, die unsere Sicherheit und Interessen
beeinträchtigen können, wenn möglich vorzubeugen oder dazu
beizutragen, sie an ihrem Entstehungsort zu bewältigen,
-
globalen Herausforderungen wie der Bedrohung durch den transnationalen
Terrorismus, der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen
oder den Folgen des Klimawandels zu begegnen,
-
zur Achtung der Menschenrechte, zur Ausbreitung von Freiheit,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (Good Governance) beizutragen,
-
den freien und ungehinderten Welthandel einschließlich einer
gesicherten Energie- und Rohstoffversorgung als Grundlage unseres
Wohlstandes zu fördern und die Kluft zwischen armen und
reichen Weltregionen auf der Grundlage des Modells der sozialen
Marktwirtschaft zu verringern,
-
den Zusammenhalt und die politische, wirtschaftliche und militärische
Handlungsfähigkeit von Europäischer Union, NATO und
transatlantischer Partnerschaft zu stärken,
-
die Beziehungen zu den Staaten, die unsere Ziele und Werte teilen,
zu strategischen Partnerschaften zu vertiefen sowie
zur Stärkung einer funktionsfähigen, multilateralen internationalen
Ordnung auf der Grundlage des Völkerrechts beizutragen.
II. Zentrale Herausforderungen und strategische Ziele
Folgende Herausforderungen sind von zentraler Bedeutung für die
Sicherheit in Deutschland.
1. Terrorismus bekämpfen
Die Sicherheit unseres Landes ist heute völlig anderen, aber nicht minder
gefährlichen Bedrohungen ausgesetzt als zu Zeiten des „Kalten
Krieges“. Heute ist der transnationale Terrorismus die größte Gefahr
für die Sicherheit unseres Gemeinwesens.
Diese Gefahr geht von nichtstaatlichen Akteuren aus, die bewusst
asymmetrische Konflikte führen. Anders als beim RAF-Terror der 70er
und 80er Jahre haben diese Terroristen nicht die Spitzen von Staat und
Gesellschaft im Visier, sondern weiche Ziele. Mit quasi-militärischen
Mitteln wollen sie eine möglichst große Zahl von Opfern erreichen und
hierdurch Staat und Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern.
Diese veränderte Bedrohungslage erfordert ein völlig neues Verständnis
von Sicherheitspolitik. Da diese terroristische Gewalt auch
Staatsgrenzen überschreitet und sich bewusst international organisiert
und vernetzt, lässt sich die bisherige Trennung von innerer und äußerer
Sicherheit nicht länger aufrechterhalten.
Europäische Länder sind sowohl Anschlagsziele als auch logistische
Stützpunkte des Terrorismus, Deutschlands freiheitlich-demokratische
Grundordnung ist von Außen und von Innen bedroht. Anschläge auf
deutschem Boden konnten bisher erfolgreich vereitelt werden, auszuschließen
sind sie aber auch künftig nicht.
Die Gefahr von terroristischen Anschlägen durch außenpolitische
Zurückhaltung zu mindern, ist für Deutschland keine reale Option; der
Eindruck von Schwäche würde terroristische Netzwerke noch gefährlicher
machen.
Wir müssen nach den Ursachen des Terrorismus fragen und diese
bekämpfen sowie derjenigen habhaft werden, die terroristische
Anschläge planen oder verübt haben. Vor allem müssen wir die Rekrutierung
immer neuer Kräfte des Terrorismus verhindern.
Deswegen erfordert
die Bekämpfung des Terrorismus den aktiven Einsatz politischer,
diplomatischer, ziviler, entwicklungspolitischer und polizeilicher
Instrumente. Operieren terroristische Netzwerke von
schwachen Staaten aus oder nutzen sie diese als Rückzugsraum wie
zum Beispiel in Afghanistan vor dem 11.09.2001,
kann auch der
Einsatz von Streitkräften zur Terrorismusbekämpfung erforderlich
werden. Das Militär kommt in solchen Operationen dann zum Einsatz,
wenn Gewaltakteure besiegt werden müssen, um Sicherheit für zivile
Kräfte, den Wiederaufbau des Einsatzlandes und die Entwicklung
von guter Regierungsführung herzustellen.
Rückzugsmöglichkeiten
für Terroristen zu verhindern, ist ein zentrales Ziel deutscher
Sicherheitspolitik. Dies kann nur in enger internationaler Kooperation
gelingen und ist gleichermaßen eine Aufgabe der Innen- wie
Außenpolitik.
Terroristen nutzen die globale Infrastruktur als Ziel für Anschläge, aber
auch um weltweit operieren zu können. Ein weiteres Ziel deutscher
Sicherheitspolitik ist es daher, terroristische Operationen zu verhindern
und gleichzeitig die globale Infrastruktur zu schützen. Durch
Maßnahmen zur Verhinderung der Finanzierung, Kommunikation
und Bewegung von Terrorgruppen können geplante Anschläge
aufgedeckt
und
verhindert werden. Parallel dazu müssen hierzulande
weiter
Vorkehrungen getroffen werden, um die Anfälligkeit der kritischen
Infrastruktur zu reduzieren. Dazu gehören auch die Befugnis
des Bundeskriminalamts zur bundesweiten Abwehr von Gefahren
des internationalen Terrorismus, die sichere Kommunikation aller
Sicherheitsbehörden oder der Einsatz der Bundeswehr im Innern in besonderen
Gefährdungslagen ergänzend zu Landes- und Bundespolizei.
Ziel ist es, Terroranschläge zu verhindern bzw. die Folgen von
Anschlägen zu minimieren und so
Deutschland weniger verwundbar
für Terroristen zu machen.
Um als Demokratie erfolgreich im Kampf gegen den Terrorismus zu
bestehen, ist es wichtig zu verstehen, dass Freiheit und Sicherheit
einander bedingen und kein Gegensatz sind.
Das Eintreten für unsere
Werte und ihre Beachtung auch beim Kampf gegen den Terrorismus ist hierbei unsere größte Stärke. Die als Abwehrrechte gegenüber dem Staat vorgesehenen Regelungen sind so anzupassen, dass sie auch in Zukunft zu einem Leben in Freiheit und in Sicherheit beitragen.
2. Proliferation verhindern und Abrüstung voranbringen
Bisher ist es nicht gelungen, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
und ihrer Trägermittel zu stoppen. Im Nahen Osten wie in Südund
Ostasien besteht die Gefahr eines atomaren Wettrüstens. Durch
die unkontrollierte Verbreitung von ballistischer Raketentechnologie,
auch durch kriminellen Schmuggel von Technik und Know-How,
ist nicht nur die jeweilige regionale Stabilität, sondern auch die
Sicherheit Deutschlands und seiner Bündnispartner bedroht. Die
Gefahr von Anschlägen mit biologischen, chemischen oder atomaren
Stoffen wird noch größer, sollten terroristische Vereinigungen und
nichtstaatliche, gewaltbereite Akteure in ihren Besitz gelangen.
Die
Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu erschweren
und damit auch eine mögliche Weitergabe an Terroristen zu verhindern
ist somit zentrales Ziel unserer Sicherheitspolitik. Wir halten
an dem langfristigen Ziel der vollständigen Abschaffung aller
Massenvernichtungswaffen fest.
Abrüstung und Rüstungskontrolle müssen künftig stärker als strategisches
Instrument deutscher und europäischer Sicherheitspolitik verstanden
werden.
Deutschland allein kann trotz seiner restriktiven
Rüstungsexport- und rigiden Rüstungskontrollpolitik die Gefahr
nicht eindämmen. Vielmehr müssen auch auf multilateraler Ebene
bereits bestehende Rüstungskontroll- und Nicht-Verbreitungsregime
gestärkt und vorhandene Lücken geschlossen werden. Ebenso ist auf
europäischer Ebene eine einheitliche Haltung der Mitgliedstaaten bei
Exportkontrollfragen für Dual-Use-Produkte und die Verbesserung
des internen Kontrollregimes notwendig.
Zur Vermeidung der Weiterverbreitung von nuklearem Material, nuklearer
Technologie und nuklearem Know-How muss Ländern, die
die Kernenergie nutzen wollen, ein Weg aufgezeigt werden, der das
Proliferationsrisiko minimiert. Zu diesem Zweck sollte
eine kontrollierte
Versorgung von Staaten mit nuklearen Brennstoffen unter internationaler
Aufsicht einer zu stärkenden Atomenergieorganisation aufgebaut werden. Die Anreicherung von nuklearem Material sollte künftig möglichst multilateral erfolgen und durch die IAEO kontrolliert werden.
Ziel unserer Sicherheitspolitik ist es aber auch, Systeme kollektiver
Sicherheit, die in Europa zu unserer Sicherheit beitragen, in
anderen Regionen aufbauen zu helfen. Nur in einem sicheren regionalen
Umfeld können wir andere Staaten davon überzeugen, auf Nuklearwaffen
zu verzichten.
Neben Konventionen, Ausfuhrkontrollen und Sanktionen sind
wir in der Nichtverbreitungspolitik zum Schutz vor Angriffen mit
Massenvernichtungswaffen auf die nukleare Abschreckungsfähigkeit
der NATO und unserer Bündnispartner angewiesen. Die im Rahmen
der NATO seit langem bestehende nukleare Teilhabe garantiert
Deutschland dabei Einfluss. Systeme wie Raketenabwehr und andere
Schutzkomponenten lassen den Erwerb von Nuklearwaffen weniger
attraktiv werden und sind daher im deutschen Interesse. Auf nationaler
Ebene müssen ausreichende Kapazitäten zur ABC-Abwehr sowie Impfstoffe, Gegengifte und eine Versorgungsinfrastruktur für die Bevölkerung bereit stehen, um unsere Verwundbarkeit gegen Terroranschläge mit Massenvernichtungswaffen zu reduzieren.
Unsere Sicherheit in Europa wurde nach dem Ende des Ost-West-
Konflikts auch durch die kooperative
konventionelle Rüstungskontrolle
erhöht, daher ist es wichtig, diese fortzusetzen und zu verstärken.
3. Energie- und Rohstoffversorgung sichern
Ein weiterer Risikofaktor ist unsere Abhängigkeit von Energie und
Rohstoffen sowie einer sicheren Versorgungsinfrastruktur. Im Jahr
2030 werden über zwei Drittel des Energieverbrauches in Europa
durch Einfuhren gedeckt werden müssen, vor allem aus Russland, der
Golfregion und Nordafrika. Bereits heute sind angesichts des weltweit
stark wachsenden Energie- und Rohstoffbedarfs, insbesondere
in China und Indien, Engpässe, Ressourcenkonflikte und -verteuerung
zu erwarten. Krisenhafte Entwicklungen, Terrorismus oder gewaltsame
Konflikte in Lieferländern können unsere Versorgung mit Energie und
Rohstoffen gefährden und unserer Wirtschaft Schaden zufügen. Es
besteht aber auch die Gefahr, dass unsere Abhängigkeit gegen uns
instrumentalisiert wird und wir politisch unter Druck gesetzt werden.
Angesichts dieses doppelten Risikos brauchen wir eine
nationale
Energie- und Rohstoffstrategie, die in eine europäische Energiestrategie
eingebettet ist und die Energie- und Umweltpolitik mit weiteren
notwendigen Politikbereichen wie der Klima-, Entwicklungs-, Finanz-,
Forschungs- und Außenwirtschaftspolitik sicherheitspolitisch verzahnt.
Insbesondere die Entwicklungszusammenarbeit kann durch die
Stabilisierung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Entwicklungsund
Schwellenländern einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung unserer
Energie- und Rohstoffversorgung leisten und Importrisiken minimieren.
Gemeinsam mit der Wirtschaft müssen wir den Dialog und die
Kooperation mit Transit- und Lieferländern vertiefen.Sicherheitspolitisches
Ziel ist hierbei die
Diversifizierung von Energieträgern,
Lieferländern und Transportwegen und die Bildung eigener
strategischer
Reserven.
Darüber hinaus müssen auf der europäischen Ebene außen- und sicherheitspolitische Anliegen noch stärker mit der Handelspolitik gegenüber
wichtigen Energie- und Rohstoffpartnern verknüpft und
Energiepartnerschaften weiter ausgebaut werden. Eine
einheitliche
EU-Energieaußenpolitik mit gemeinsamer Verhandlungsmacht erhöht
die Versorgungssicherheit und entfaltet viel größere Wirkung als bilaterale
Abkommen. Dabei muss die EU viel stärker ihre führende Rolle bei
Konzepten und Technologien der Energieeinsparung, Energieeffizienz
und bei erneuerbaren Energien sowie bei der Fusionstechnologie und
nuklearen Sicherheitsforschung nutzen.
Wir streben eine
europäische Energiesicherheitsunion an, die bei
Versorgungsproblemen eines Mitglieds solidarisch füreinander einsteht;
dazu ist es erforderlich, dass die Mitgliedstaaten miteinander
vernetzt sind und gleiche Standards für die Bevorratung befolgen.
Die Herstellung von Energiesicherheit und Rohstoffversorgung
kann auch den Einsatz militärischer Mittel notwendig machen, zum
Beispiel zur Sicherung von anfälligen Seehandelswegen oder von
Infrastruktur wie Häfen, Pipelines, Förderanlagen etc. Bereits heute
wird die Bundeswehr eingesetzt - beispielsweise mit der Beteiligung
an OEF am Horn von Afrika oder an Active Endeavour im Mittelmeer. In die Sicherung der globalen Energieversorgungskette müssen China
und Indien integriert werden, die als große Verbraucher ebenso ein
Interesse an stabilen Lieferbedingungen haben wie wir.
4. Die Folgen des Klimawandels bewältigen
Der Klimawandel ist nicht nur ein Umwelt- und Energieproblem,
sondern auch ein Sicherheitsrisiko. Erste Auswirkungen des Klimawandels
sind spürbar und werden in Form von Überschwemmungen,
Hitze-wellen, Ernährungskrisen, Dürreperioden, Waldbränden und dem
weiteren Anstieg des Meeresspiegels zunehmen. Gelingt es nicht, dieser
Entwicklung entgegen zu steuern, wird sich die Zahl von
Konflikten
erheblich ausweiten: um die Verteilung von Wasser, Land, Nahrung,
um die Bewältigung von Migrations- und Flüchtlingsbewegungen, die
bis nach Deutschland kommen werden, um Kompensationszahlungen
zwischen den wesentlichen Verursachern des Klimawandels und besonders
betroffenen Ländern. Daraus könnten eine Ausweitung lokaler
und regionaler Konflikte bis hin zu zwischenstaatlichen Kriegen, eine
Destabilisierung des internationalen Systems sowie eine Gefährdung
der weltwirtschaftlichen Entwicklung erwachsen. Gleiches gilt,
wenn auch in geringerem Umfang, für andere Umweltschäden wie
Verwüstung, Bodenversalzung, Erosion und toxische Kontamination
von Gewässern und Böden.
Für die deutsche Sicherheitspolitik ist es wichtig, sich auf die Auswirkungen
des Klimawandels einzustellen und zur Bewältigung der sicherheitsrelevanten
Folgen beizutragen.
Deutschland und die EU-Länder müssen die 2007 vereinbarten
Emissionsreduktionsziele erfüllen und die anderen Industriestaaten
sowie die Schwellen- und Entwicklungsländer zu den notwendigen
verstärkten Klimaschutz-Anstrengungen mit dem Ziel eines einheitlichen
Pro-Kopf-Verbrauchs von fossilen Energieträgern bewegen.
Die
Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Anpassung an
den Klimawandel und der Bewältigung anderer Umweltschäden muss
integraler Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit sein. Insbesondere
sind die Zusammenarbeit zur Vermeidung von Wasserkrisen
zu vertiefen, Agrarentwicklungsstrategien neu auszurichten und die Katastrophenvorsorge zu stärken. Zur Bewältigung der hohen Anpassungskosten
sind wirksamere
Finanzierungsinstrumente erforderlich.
Die Vereinten Nationen müssen die Sicherheitsrisiken des Klimawandels
effizienter und vor allem präventiv angehen. Darüber hinaus
sollte in Weiterentwicklung des Völkerrechts der
Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen in Fällen erheblicher Umweltzerstörung und
schwerwiegender Verletzungen des Umweltrechts handlungsberechtigt
sein.
Angesichts zunehmender Umweltkatastrophen ist
auch auf der europäischen
Ebene ein engeres Zusammenwirken, die rechtzeitige Anforderung
und die effektive Einsatzkoordination der Zivil- und Katastrophenschutzkräfte
und der Streitkräfte der Mitgliedstaaten erforderlich.
5. Konflikte verhindern, eindämmen und beilegen
Schwache Staaten oder Räume mit begrenzter oder fehlender
Staatlichkeit sind Opfer von Sicherheitsrisiken, aber genauso
Quelle für die Bedrohung anderer Staaten. Sie dienen transnational
agierenden terroristischen Gruppen und Kriminellen als ideales
Rückzugsgebiet, können die Versorgung unserer Wirtschaft mit wichtigen
Rohstoffen verhindern, Extremismus hervorrufen, die Nachfrage
nach Massenvernichtungswaffen schüren oder Flüchtlingsbewegungen,
Menschenhandel und Schleuserkriminalität auslösen.
Auch auf globale Normen wie die Achtung der Menschenwürde oder
das Gewaltmonopol des Staates wirken sie sich negativ aus.
Die zunehmende Verbreitung der Organisierten Kriminalität in schwachen
Staaten macht die Bedrohung des Terrorismus noch ernster. Aus
den Erlösen krimineller Aktivitäten, vor allem aus Drogenhandel, aber
auch dem illegalen Handel mit Waffen, Menschen, Geldwäsche oder
Piraterie werden Kriegshandlungen, Extremismus und Terrorismus finanziert.
Deswegen ist es notwendig, dass wir – vor allem über entwicklungspolitische
Maßnahmen - schwache Staaten stärken und dazu beitragen,
dass sich neue staatliche Strukturen ausbilden oder vorhandene
festigen können. Um Konflikten und Krisen
vorzubeugen, müssen
wir gemeinsam mit unseren Partnern unsere
Fähigkeiten zur
Prävention gezielt stärken, um kulturell und religiös angepasste
Stabilisierungslösungen anbieten zu können.
Migration wird innerhalb und zwischen Staaten zunehmen. Die internationale
Migrationspolitik muss diese Herausforderung stärker
beachten und sich sowohl an den Interessen der Zielländer als
auch der Transit- und Herkunftsländer ausrichten. Ein wesentlicher
Ansatz zur Bewältigung der zunehmenden Migration muss sein, die
Selbsthilfekräfte in den Herkunftsländern zu aktivieren. Die Menschen
sind in ihren Bemühungen um lebenswerte Perspektiven im eigenen
Land zu ermutigen und wirksam zu unterstützen. Grundlage dafür
sind neben besserer Bildung realistische Wege aus der Armut durch
Chancen zu privatem Vermögensaufbau. Hierzu ist besonders das
Mikrokreditwesen auszubauen.
Schwache Staaten sind ein globales Problem. Vordringlich muss deutsche
Sicherheitspolitik gemeinsam mit unseren europäischen Partnern
unsere Nachbarschaft stabilisieren. Auf dem
Balkan müssen
die erzielten Erfolge konsolidiert werden. In der EU müssen wir weiter
darauf hinarbeiten, dass an unseren östlichen Grenzen und
rund
um das Mittelmeer ein Ring verantwortungsvoller Staaten entsteht.
Hierzu muss die EU-Nachbarschaftspolitik einen wirksameren
Beitrag leisten. Auch die
Länder des kaukasischen, kaspischen und
des zentralasiatischen Raumes sowie der Nahe und Mittlere Osten
müssen in ihrer Sicherheit und politischen Stabilität gestärkt werden.
Dies gilt insbesondere für die Sicherung des Existenzrechts
Israels
als jüdischer Staat und ein lebensfähiges
Palästina im Rahmen einer
Zweistaatenlösung.
Sicherheit und Stabilität in diesen Regionen sind nicht nur wegen des
Reichtums an Energieressourcen, sondern auch wegen ihrer kulturellen
Brückenfunktion für Europa bedeutsam.
Ebenso sind wir an einer stabilen Entwicklung
Afrikas interessiert.
Hier bedeutet Sicherheitspolitik auch die Förderung guter Regierungsführung,
nachhaltigen Wirtschaftswachstums, der Bildung und der Gesundheitssysteme, sowie die Stärkung von ländlicher Entwicklung und einer bedarfsgerechten Nahrungsmittelproduktion. Die Notwendigkeit zur verstärkten Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern ergibt sich auch aus den sicherheitspolitischen Konsequenzen der Klima- und Umweltveränderungen.
Um in
Asien einen Beitrag zur Bewältigung der sicherheitspolitischen
Herausforderungen leisten und unsere Chancen optimal nutzen
zu können, brauchen wir ein auch mit den transatlantischen
Partnern abgestimmtes strategisches Vorgehen der Europäer. Wir
wollen die Anstrengungen der Länder Asiens für mehr Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit, politische Stabilität und Entwicklung, eine erfolgreiche
Terrorismusbekämpfung sowie für eine engere regionale
Zusammenarbeit stärken. Konsequenter als bisher müssen wir uns
ein Netz von Verbündeten und Gleichgesinnten in der Region schaffen,
mit denen gemeinsame politische Ziele verfolgt werden. Wir müssen
versuchen,
China noch stärker bei der Bewältigung der sicherheitspolitischen Herausforderungen einzubinden, insbesondere beim
Klimaschutz, bei Abrüstung, bei Energie- und Rohstoffversorgung und
bei der Herstellung von Good Governance in Entwicklungsländern.
Lateinamerika, das sich immer als Teil der westlichen Welt und der
Gemeinschaft der Demokratien verstanden hat, müssen wir als Partner
für „global governance“ gewinnen, um eine auf Regeln gegründete
Ordnung zu schaffen. Dafür müssen wir den politischen Dialog sowie
die wirtschaftliche und Entwicklungszusammenarbeit vertiefen und die
sicherheitspolitische Vernetzung ausbauen. Unsere sicherheitspolitischen
Interessen in Lateinamerika konzentrieren sich neben der Hilfe
zur Konsolidierung der Demokratie und zur Beseitigung rechtstaatlicher
Defizite vor allem auf die Bekämpfung der Drogenkriminalität,
des Menschenhandels sowie der Entführungsindustrie und des
Terrorismus.
Wir müssen unsere
Bündnisfähigkeit ausbauen und die für unsere
Sicherheit relevanten
Bündnisse handlungsfähiger machen. Als
größter Beitragszahler der EU, zweitgrößter im Nordatlantischen
Bündnis und drittgrößter bei den Vereinten Nationen haben wir ein
Interesse daran, dass unsere eingebrachten Ressourcen wirksam und
im Sinne unserer strategischen Ziele eingesetzt werden. Dazu müssen
wir die
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik in
ihrer spezifischen zivil-militärischen Reaktionsfähigkeit weiter stärken
und komplementär und interoperabel zur NATO ausbauen. Dafür
müssen wir u.a. entsprechende strategische Fähigkeiten auf nationaler
und europäischer Ebene schaffen, zum Beispiel eine Europäische
Gendarmerie oder schnelle zivile Krisenreaktionsteams
aus Diplomaten, Rechtsexperten, Verwaltungsfachleuten
und Entwicklungsfachkräften. Ebenso müssen wir die transatlantische Partnerschaft weiterentwickeln, die
Vereinten Nationen stärken und das Völkerrecht den zentralen Herausforderungen anpassen.
Die
Nordatlantische Allianz muss in ihrer politischen und militärischen
Transformation weiter voran schreiten. Dazu gehören neben
der konsequenten Weiterentwicklung der militärischen kollektiven
Fähigkeiten und der erfolgreichen Durchführung der laufenden Einsätze
zur Stabilisierung insbesondere des Balkans und Afghanistans: die
Aufnahme neuer Mitglieder, soweit sie die Kriterien erfüllen und dadurch
zur Sicherheit und Stabilität Europas und Nordamerikas beitragen;
die Weiterentwicklung des Verhältnisses zu Russland zu einer
auf Kernprinzipen, -werten und –verpflichtungen basierenden
strategischen Partnerschaft; die Ausweitung und Ausdifferenzierung
bereits bestehender Partnerschaften auch in globaler Perspektive;
die Risikovorsorge gegen Problemstaaten durch strategische Raketenabwehr; die Aufnahme von sicherheitsrelevanten Themen wie „Cyberdefence“ oder bestimmte Aspekte der Energiesicherheit in das Aufgabenspektrum.
III. Konsequenzen für die deutsche Sicherheitspolitik
Die Verfolgung unserer Interessen und strategischen Ziele erfordert
ein
aktiveres, frühzeitiges, rasches, kohärentes und wenn nötig
robustes Handeln. Das gilt für alle uns zur Verfügung stehenden
Instrumente und Fähigkeiten zur Krisenbewältigung und Konfliktverhütung,
die
besser miteinander vernetzt werden müssen.
1. Vernetzter Heimatschutz für einen wirksamen Zivil- und Katastrophenschutz
Zur Bewältigung von Großschadensereignissen wie Naturkatastrophen,
Terroranschlägen oder Katastrophenfällen mit biologischem, chemischem
oder nuklearem Material müssen Bund und Länder zusammenwirken
für einen vernetzten Heimatschutz. Die Aufgabe der
Gefahrenbekämpfung ist – im Sinne eines kooperativen Föderalismus
– von allen in Frage kommenden Stellen wahrzunehmen. Die Erhöhung
der Wehrhaftigkeit Deutschlands nach Außen wie nach Innen muss
sich auch organisatorisch in der deutschen Sicherheitsarchitektur niederschlagen. Die Organe, Instrumente und Fähigkeiten der inneren und
äußeren Sicherheit sind besser miteinander zu verzahnen. Dabei sind
die zahlreichen nichtstaatlichen Organisationen ihren Fähigkeiten entsprechend
einzubinden. Eine adäquate Koordination zwischen Bund,
Ländern und Gemeinden ist sicherzustellen.
Die europäische Koordination beim Zivilschutz und bei der Katastrophenhilfe
ist zu verbessern – sowohl für den gemeinsamen Einsatz in
Europa als auch in nichteuropäischen Ländern.
In besonderen Gefährdungslagen muss ein Einsatz der Bundeswehr
im Innern mit ihren spezifischen Fähigkeiten im Katastrophenschutz
sowie bei der Bewältigung terroristischer Gefahren ergänzend
zu Länder- und Bundespolizei im Rahmen festgelegter Grenzen
möglich sein. Hierfür sind klare Rechtsgrundlagen zu schaffen und
Zuständigkeiten anzupassen.
Für Aufgaben des
Heimatschutzes, wie beispielsweise Pionieraufgaben,
Sanitätswesen und ABC-Abwehr, müssen aus dem Personalbestand
der Bundeswehr ausreichend Soldaten zur Verfügung
stehen. Hierzu muss die neue Struktur der zivil-militärischen
Zusammenarbeit auf Landes- und Bezirksebene mit dem Ziel eines höheren
Wirkungsgrades verbessert werden. Dem Heimatschutz dient
auch die
Allgemeine Wehrpflicht. Sie schafft Voraussetzungen für
eine wirksame Landes- und Bündnisverteidigung, die neben den
Auslandseinsätzen auch weiterhin von elementarer Bedeutung für unsere
Sicherheit ist. Gemeinsam mit den Reservisten der Bundeswehr
stellen die Wehrpflichtigen ein Potenzial an qualifizierten Soldatinnen
und Soldaten, die insbesondere im Heimatschutz wirken können und
zudem ihren Kameradinnen und Kameraden im Auslandseinsatz den
Rücken freihalten.
Heimatschutz umfasst auch Aspekte der
Seesicherheit und den
Schutz vor möglichen terroristischen Angriffen von See. Dazu gehört
die Analyse und Abwehr aller Gefahren für die Sicherheit des Schiffs- und Warenverkehrs, für die Umwelt oder für den Fischfang.
Zur Abwehr terroristischer Angriffe auf und von See, für die die Mittel
der Küstenwache im Einzelfall nicht ausreichen, sollte die Kooperation
mit der Deutschen Marine ausgebaut werden. Für die maritime
Sicherheit außerhalb deutscher Hoheitsgewässer auf Hoher See und
– bei Zustimmung der jeweiligen Partnernation – gegebenenfalls auch
in fremden Hoheitsgewässern müssen eindeutige rechtliche Voraussetzungen
für einen robusteren Einsatz der Deutschen Marine gegen
Piraterie oder Terrorismus geschaffen werden.
2. Zivil-militärisches Instrumentarium zur Krisenbewältigung und –prävention im Ausland stärken
Wir müssen unsere Fähigkeiten stärken, um noch wirksamer zur
Krisenbewältigung und –prävention beitragen zu können.
Deutschland engagiert sich bereits gemeinsam mit seinen Bündnispartnern
und Nicht-Regierungsorganisationen aktiv beim Krisenmanagement.
Wir müssen in der Lage sein, vor Ausbruch einer Krise
zu handeln. Gelingt die Verhinderung von gewaltsamen Konflikten
nicht, müssen wir bereit sein, sie
an ihrem Entstehungsort zu bewältigen,
falls eine negative Auswirkung ihrer potenziellen Folgen auf die
Sicherheit Deutschlands und seiner Bürger zu befürchten ist.
Bereits bei der
Einsatzplanung in Deutschland müssen das Ressort
übergreifende Vorgehen kohärenter und alle vorhandenen Instrumente
besser verzahnt, die Koordination mit den Partnern aus EU, NATO und
Vereinten Nationen enger gestaltet werden.
In den Einsatzgebieten
brauchen wir mehr Transparenz in die von staatlicher und nichtstaatlicher
Seite erbrachten Leistungen wie Nothilfe, Wiederaufbau und
Entwicklungsaktivitäten sowie eine besser aufeinander abgestimmte
Arbeitsteilung und Koordination der Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren.
Zunehmend wichtiger für Stabilisierungseinsätze werden ziviles
Personal und Polizisten. Solche Kräfte sind in Deutschland nicht ausreichend
verfügbar. Um dem Bedarf und Deutschlands internationaler
Verantwortung gerecht zu werden, sind analog zur Transformation
der Bundeswehr eine Kräfteabschätzung und operative Zielvorgaben
erforderlich und Lücken bei Personal, Ausbildung, Ausrüstung sowie
rechtlichen Grundlagen schnellstmöglich zu schließen.
Die
Bundeswehr ist wichtiger Bestandteil der Krisenbewältigung und
-prävention im Ausland. Ihr Einsatz erfolgt auf der
Grundlage unserer
bündnispolitischen Verpflichtungen und Ziele gemeinsam mit unseren
Bündnispartnern einzelfallabhängig und interessengeleitet,
und damit auch in dem Interesse, die Sicherheit Deutschlands
zu gewährleisten und zugleich nationalen Einfluss auf internationale
Entwicklungen zu nehmen.
Angesichts der steigenden Anzahl von Krisen, die sich negativ auf unser
Land auswirken können, muss sich Deutschland auf
weitere, länger
andauernde Einsätze der Bundeswehr, zur Friedensstabilisierung
und zur Friedenserzwingung, vorbereiten. Um in diesem umfassenden
Sinn handlungsfähig zu sein, muss sich in der Bevölkerung ein neues
Verständnis der Sicherheitsrisiken und der strategischen Aufgaben
deutscher Sicherheitspolitik herausbilden.
Insbesondere die Politik
ist gefordert, unsere Bürger durch bessere Kommunikation und
Information davon zu überzeugen, dass Deutschland bereit sein muss, Verantwortung für die globale Sicherheit gemeinsam mit unseren Partnern zu tragen.
Rechtsgrundlage für alle Einsätze der deutschen Streitkräfte einschließlich
des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus sind
das Grundgesetz und das Völkerrecht. Einsätze sind damit im Rahmen
der Beistandsverpflichtungen in NATO oder EU, auf der Grundlage
eines Mandats der Vereinten Nationen oder auch ohne ein solches
Mandat in Wahrnehmung des Selbstverteidigungsrechts entsprechend
Artikel 51 oder in Verfolgung der Ziele der Charta der Vereinten
Nationen (humanitäre Intervention) möglich.
Wenn und solange Einheiten der Bundeswehr als fester Bestandteil eines
multinationalen Eingreifverbandes zur militärischen Krisenbewältigung
zur Verfügung gestellt werden, müssen diese auch kurzfristig eingesetzt
werden können. Dafür ist das
Parlamentsbeteiligungsgesetz
entsprechend anzupassen.
Die Bundeswehr muss in einem multinationalen Umfeld im gesamten
Einsatzspektrum operieren können. Dafür ist die
Transformation
der Bundeswehr hin zu flexiblen und auf Distanz verlegbaren, durchhaltefähigen Streitkräften weiter zu forcieren. Zudem sind die finanziellen
Mittel unter Nutzung von Synergiepotenzialen effizienter einzusetzen.
Eigene wettbewerbsfähige rüstungstechnologische Kernfähigkeiten
sind deshalb von strategischer Bedeutung, auch um Einfluss auf
Entscheidungen in NATO und EU zu sichern und um die europäische
und transatlantische Rüstungspolitik mit gestalten zu können.
3. Effektive Sicherheitspolitik durch einen Nationalen Sicherheitsrat
Um ein kohärentes Zusammenwirken aller Kräfte der inneren und äußeren
Sicherheit zu gewährleisten, ist ein
„Nationaler Sicherheitsrat“ als
politisches Analyse-, Koordinierungs- und Entscheidungszentrum
einzurichten. Die
Länder müssen dabei ihren Aufgaben entsprechend
mitwirken können. Der Nationale Sicherheitsrat soll drei Aufgaben erfüllen:
Zum ersten die
umfassende, Ressort übergreifende Analyse möglicher
Bedrohungen für die innere und äußere Sicherheit. Die verschiedenen
Informationen zu sicherheitsrelevanten Veränderungen aus
Auslandsvertretungen, Nachrichtendiensten und Entwicklungsinstituti
onen sind in präventive, zeitgerechte und zielgerichtete außen-, sicherheits-
und entwicklungspolitische Maßnahmen zu überführen.
Zum zweiten die
Koordination der zivil-militärischen Krisenbewältigung
und –prävention im Ausland.
Zum dritten die
Koordination der Einleitung geeigneter Abwehrmaßnahmen
und Notfallplanungen sowie des Einsatzes der Heimatschutzkräfte
in dem Falle, dass Katastrophen u.ä. die Fähigkeiten einzelner
Bundesländer überfordern.
Unter Berücksichtigung der föderalen Kompetenzordnung der
Bundesrepublik Deutschland und der Zuständigkeiten der Ressorts
der Bundesregierung und ihrer nachgeordneten Behörden soll dadurch
eine einheitliche politische Leitung und ein optimales
Krisenmanagement im Inland wie im Ausland sichergestellt werden.
Hierzu ist der Bundessicherheitsrat unter Vorsitz der Bundeskanzlerin
aufzuwerten und unter Nutzung bestehender Ressourcen mit einem
handlungsfähigen Stab auszustatten, dessen Mitarbeiter interdisziplinär
und ressortübergreifend arbeiten, auf der Basis einheitlicher
Lagebilder Szenarien entwickeln und der Exekutive Handlungsoptionen
aufbereiten.
4. Sicherheitspartnerschaft mit Wirtschaft und Wissenschaft
Gegen die genannten Gefahren brauchen wir weiterführende, intelligente
Lösungen, die uns Sicherheit bieten und unsere Kultur der
Freiheit stärken.
Geeignete Technologien und Handlungsstrategien
sind im Rahmen der
Sicherheitsforschung zu entwickeln.
Hoher Forschungs- und Implementierungsbedarf besteht unter
anderem bei sensiblen Kommunikationsinfrastrukturen oder der
Gewährung von „sicherer Identität“. Aber auch die lange vernachlässigte
Epidemiologie zur Abwehr von Seuchen oder die Entwicklung von
Terahertz-Technologien für verbesserte Detektionsmöglichkeiten sind
von entscheidender sicherheitspolitischer Bedeutung.
Jedoch nicht nur technische Lösungen sind gefordert. Auch auf geistes-,
sozial- oder sprachwissenschaftlichen Forschungsgebieten
besteht in Deutschland Nachholbedarf, um durch ein besseres Verständnis der
Welt zu einer besseren Sicherheitspolitik zu gelangen.
Insbesondere die Unternehmen als Träger unserer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit, aber ebenso als Eigentümer und
Betreiber der kritischen
Infrastrukturen sehen sich den neuen Sicherheitsherausforderungen
im nationalen und internationalen Umfeld gegenüber und müssen
daher in eine
erweiterte Sicherheitsvorsorge einbezogen werden.
Durch gemeinsame Risikobewertungen, den Austausch sicherheitsrelevanter
Informationen und die Entwicklung gemeinsamer Schutzund
Abwehrmaßnahmen gegen den Terrorismus oder die Organisierte
Kriminalität muss die nationale Sicherheitsvorsorge im Inland wie im
Ausland weiter gestärkt und der Schutz kritischer Infrastrukturen erhöht
werden.
IV. Fazit
Wir leben in einer Welt mit neuen Risiken, aber auch mit neuen
Chancen. Deutschland hat gemeinsam mit den EU- und NATOPartnern
die Möglichkeiten, einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung
der Herausforderungen zu leisten. Das Bekenntnis zu unseren demokratischen
und rechtsstaatlichen Werten und Normen ist ein herausragendes
Potential für eine erfolgreiche Sicherheitspolitik und gleichzeitig
eine große Chance für die aktive Gestaltung der Globalisierung.
Herausgeber: CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Dr. Norbert Röttgen MdB
Hartmut Koschyk MdB
11011 Berlin
Text: Dr. Andreas Schockenhoff MdB, Stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
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