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"Der falsche Präsident" - Das Buch zur Wahl des deutschen Staatsoberhaupts

Albrecht Müller erklärt, warum er den Kandidaten der vier Fraktionen "in mancher Hinsicht für gefährlich" hält

"Der falsche Präsident" – Er kann gefährlich werden, wenn es nicht gelingt, ihn zu befrieden.

Nach Umfragen ist die Zustimmung zum Kandidaten groß. Das ist kein Wunder. Fast alle Parteien und die Mehrheit der Medien unterstützen ihn. Aber wir, die Befragten und Betroffenen, wissen wenig über Joachim Gauck. Deshalb habe ich dieses kleine Buch geschrieben und möchte Sie herzlich bitten, die Informationen über unser kommendes Staatsoberhaupt weiter zu tragen und auch in den nächsten fünf Jahren am Ball zu bleiben, also kritisch zu verfolgen, was er sagt und tut. Zu Ihrer Information folgt unten die Inhaltsübersicht.
(Albrecht Müller)

Selbstverständlich bilde ich mir nicht ein, die Wahl des neuen Bundespräsidenten beeinflussen zu können. Vielleicht kennen Sie aber noch Abgeordnete und andere Wahlfrauen und Wahlmänner der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, und können diese nachdenklich stimmen.

Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich den kommenden Bundespräsidenten in mancher Hinsicht für gefährlich halte, allerdings noch unterstelle, dass er ein bisschen zuhören kann und auch noch mit 72 Jahren Positionen zu revidieren vermag. Deshalb der freundliche Untertitel „Was Pfarrer Gauck noch lernen muss, damit wir glücklich mit ihm werden.“

Wo Joachim Gaucks Vorstellungen und Rolle problematisch sind, zum Beispiel:
  • Er sieht nicht, dass unter dem Einfluss der neoliberalen Ideologie die Systemveränderung, vor der er ständig warnt, schon eingetreten ist. Zerstörerisch und menschenverachtend ist sie. Gauck findet nahezu alles gut und lässt sich in Position gegen jene bringen, die sich empören. Seine Botschaft ist Empört euch nicht! Damit bricht er dem aufkeimenden Protest die Spitze ab.
  • Gauck glaubt in fast schon naiver weise an die Weisheit der „Märkte“. Von den Not-wendigen Regeln weiß er wenig.
  • Wie sehr die Macht der Finanzwirtschaft schon die von ihm bewunderte Demokratie aushebelt, blendet Gauck aus.
  • Er hat ein sehr enges Verständnis von Sozialstaatlichkeit und hat auch nicht in sich aufgenommen, welche große Bedeutung die soziale Sicherheit für das Erlebenkönnen von Freiheit hat.
  • Dieses Defizit hat etwas damit zu tun, dass sich der kommende Bundespräsident offenbar nur sehr schlecht in die Lage von Menschen versetzen kann, denen es nicht so gut geht.
  • Er redet immer den Schwachen ins Gewissen. – Wann stellt er sich erstmals gegen die Mächtigen, vielleicht sogar gegen den publizistischen Mainstream?
  • Joachim Gauck neigt dazu, Popanze aufzubauen. Nicht jeder, der gegen die Spekulation auf den Finanzmärkten, gegen Klimawandel, gegen die weitere Nutzung der Atomenergie kämpft und sich grundlegende Gedanken macht, will die DDR wieder haben.
  • Der kommende Präsident wird von der Beteiligung an Kriegen nicht abraten. Er pflegt tief sitzende Vorbehalte gegen die Friedensbewegung und andere Appeasement-Politiker. Das muss man aus der Lektüre seiner Texte leider schließen. Hier ist Revision besonders dringlich.
  • Usw.
Mehr davon in der Inhaltsübersicht und selbstverständlich im Buch selbst. Als Autor würde ich mich natürlich freuen, wenn die Lektüre ein Gewinn für Sie wäre.
Das Potenzial an Menschen, die nach Kenntnis der Person und Gaucks Äußerungen ihr Urteil zumindest hinterfragen werden, ist vermutlich hoch. Das habe ich gestern bei einer Diskussion in Biberach schon gespürt. Der neue Bundespräsident täte also gut daran, seine Ansichten zu reflektieren, damit er ein Präsident aller Bürgerinnen und Bürger sein kann. Ich möchte möglichst viele Menschen dazu ermuntern, sich besser zu informieren und Gaucks Präsidentschaft konstruktiv kritisch zu begleiten. Deshalb dieses Buch.

Inhalt
  • Empört Euch nicht! Joachim Gauck – der Anti-Hessel 7
  • Der Beschöniger 13
  • Grob unterschätzt: Die Macht der Finanzwirtschaft 16
  • Die Freiheit des Einzelnen 22
  • Auch solidarische Risikovorsorge ist ein Kernelement der Sozialstaatlichkeit 24
  • Gauck warnt vor Systemveränderern und hat die neoliberale Systemveränderung nicht bemerkt 27
  • Gauck bewundert die Märkte 31
  • Ein bisschen ökonomisches Wissen wäre hilfreich 33
  • Im Zweifel für den Kriegseinsatz 34
  • Unverständnis für die Politik der alten Bundesrepublik 37
  • Die Verständigung mit dem Osten 38
  • Unausgegorenes zu den 68ern, zur Anti-Atom-Bewegung und den Wutbürgern 42
  • Der Präsident des Sowohl-als-auch 44
  • Joachim Gauck spaltet statt zu versöhnen 46
  • Der Demokratielehrer kennt sein Lehrbuch – kennt er auch die Realität? 50
  • Der TINA-Präsident 54
  • Wegbereiter für Schwarz-Grün 57
  • Nicht auf der Höhe der Zeit 59
Angaben zum Buch:
Albrecht Müller: Der falsche Präsident. Was Pfarrer Gauck noch lernen muss, damit wir glücklich mit ihm werden
Erschienen im Westend Verlag. Erscheinungsdatum: 16. März 2012. 64 Seiten. 5,99 €, als E-Book 4,99 €.

Nachtrag:

Gerade kommt mir noch eine Erklärung auf den Tisch, die meine Skepsis in Sachen Krieg und Frieden beleuchtet. Auch sonst bestätigt diese Erklärung einiges von dem, was ich in meinem Buch beschreibe. Hier ist die

ERKLÄRUNG zur bevorstehenden Wahl eines neuen Bundespräsidenten

Von Hartwig Hohnsbein, Pastor i.R., Göttingen und Helmhard Ungerer, Pastor i.R., Göttingen, Göttingen, 24. Februar 2012

Am 18. März soll gemäß eines gemeinsamen Vorschlages der führenden Politiker von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen der Ex-Pfarrer Joachim Gauck zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden.

Die evangelische Kirche begrüßte unmittelbar nach dieser Vereinbarung seine Nominierung.
Ihr Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider wusste sogleich, dass der Nominierte „dem Präsidentenamt zu neuem Ansehen verhelfen könne“, weil „er gute Voraussetzungen für das hohe Amt mitbringe“.
Wir erklären dazu:

Die offizielle Kirche hat nicht für uns gesprochen.
Wir bezweifeln auch, dass der Ex-Pfarrer Gauck gute Voraussetzungen für das hohe Amt mitbringt.


Wir beziehen uns dabei auf Äußerungen, die seit seiner ersten Kandidatur 2010 bekannt geworden sind und die durchaus den Charakter von Grundsatzpositionen widerspiegeln:
  • Erschreckend ist für uns, dass er in einem Interview Thilo Sarrazin für dessen unsägliches Buch Deutschland schafft sich ab, das er damals nicht einmal gelesen hatte, „Mut“ bescheinigt. Die „Junge Freiheit“ weiß deshalb, dass „Joachim Gauck ein guter Bundespräsident wird“, weil „Gauck Sarrazin lobte“.
  • Zum Sozialstaatsgebot, das nach dem GG Art. 20 garantiert ist und von unzähligen Menschen in der evangelischen Kirche immer engagiert mitgetragen wurde, fällt ihm dieses ein: „Wir stellen uns nicht gerne die Frage, ob Solidarität und Fürsorglichkeit nicht auch dazu beitragen, uns erschlaffen zu lassen.“
  • Sein Problem mit der polnischen Westgrenze kleidete er in die Worte: „Einheimischen und Vertriebenen galt der Verlust der Heimat als grobes Unrecht, das die Kommunisten noch zementierten, als sie 1950 die Oder-Neiße-Grenze als neue deutsch-polnische Staatsgrenze anerkannten“.
    Die mühsame Entwicklung einer „Neuen Ostpolitik“ in den 60er/70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, an der die evangelische Kirche mit ihrer „Vertriebenendenkschrift“ von 1965 einen beträchtlichen Anteil hatte und an der auch wir seinerzeit mitwirkten, weil erst dadurch das Tor zu einer Verständigung mit unseren östlichen Nachbarn aufgestoßen werden konnte, sehen wir in seiner Haltung zur polnischen Westgrenze im Nachherein in Frage gestellt.
  • Der evangelischen Kirche im Westen und „westdeutschen Theologen“ in den 70er und 80 Jahren wirft der Ex-Ostpfarrer „Linkslastigkeit“ vor. „Linke in der Bundesrepublik inner- und außerhalb der Kirche hätten mit ihrer Kapitalismuskritik den Begriff Freiheit negativ besetzt“. In jener Zeit waren wir in den westdeutschen Kirchen wie er in Ostdeutschland als Pastoren tätig. Wir maßen uns nicht an, seine Arbeit von damals zu überprüfen oder zu verwerfen. Wir verwahren uns allerdings dagegen, unsere pfarramtlichen Tätigkeiten, die er nicht kennen kann, als freiheitsfeindlich zu diffamieren.
Wir haben seinerzeit, angeregt durch Theologen wie Martin Luther King, Helmut Gollwitzer und Ernst Käsemann, später Dorothee Sölle, gepredigt, gebetet, demonstriert (und dabei oft üble Nachreden ertragen müssen), und zwar:
  • gegen den amerikanischen Vietnamkrieg und für die Freiheit des vietnamesischen Volkes;
  • gegen die südafrikanische Apartheid, die von mächtigen Banken und Konzernen Westdeutschlands unterstützt wurde, und für die Freiheit der Schwarzen, insbesondere auch für Nelson Mandela;
  • gegen den Putsch in Chile und für die Freiheit des chilenischen Volkes;
  • gegen eine Welt voller Waffen und gegen die atomare „Nachrüstung“ und für die Freiheit von Waffen und Waffenexporten. Zu dieser „Friedensbewegung“ in den 80er Jahren äußerte der Ex-Pastor Gauck, sie hatte „unrecht“. Martin Niemöller, Heinrich Albertz, Dorothee Sölle, Heinrich Böll und viele andere Christen wären danach so etwas wie Deppen gewesen.
Von einem „Bürgerrechtler“ wie Gauck befürchten wir, dass er, einmal im Bundespräsidentenamt, so wie er den derzeitigen Afghanistankrieg gerechtfertigt hat, dann auch weitere mögliche Kriegsbeteiligungen Deutschlands, auch um Rohstoffe, mit pastoralem Pathos rechtfertigen wird.

Der Weltrat der Kirchen hat 1948 als Grundaussage proklamiert:

„KRIEG SOLL NACH GOTTES WILLEN NICHT SEIN!“
und damit den Krieg als Mittel der Politik geächtet.

Deshalb sagen wir NEIN zu diesem designierten Präsidenten!

Quelle für die Buchvorstellung von Albrecht Müller und die Erklärung von Hartwig Hohnsbein: NachDenkSeiten; www.nachdenkseiten.de


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