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Keine Parteien, nur noch Deutsche?

Gezerre, Erpressung, Triumphgeheul: Die wirklichen Hintergründe der jüngeren Gauckomanie

Von Velten Schäfer *

Von wegen überparteilich: In der Präsidentenpersonalie Joachim Gauck kulminiert das politische Gezocke der Berliner Parteien.

Es war scheinbar mal wieder soweit: Glückliche Deutsche, vereint in Gauck, dem moralischen Leitstern, dem Querdenker, Freiheitslehrer und intimen Versteher der Jugend! Der patriotische Kitsch, mit dem am Sonntagabend (19. Feb.) die Hofberichterstattung aufwartete, so schal wie falsch: In der nun drohenden Präsidentschaft Gaucks bricht sich nicht die »Überparteilichkeit« Bahn; das Zustandekommen der Personalie ist vielmehr ein Kulminationspunkt klassischen parteipolitischen Taktierens: Nichts machte das deutlicher als Sigmar Gabriel, der nicht einmal an diesem Abend an sich halten konnte: Gauck gehört vor allem uns, es musste einfach noch an diesem Abend raus.

Gabriels Triumphgeheul ist der würdige Abschluss einer Personalie, die von Anfang an die reinste Taktik war. Es begann im Sommer 2010, wie große Zeitungen schreiben, bei Thomas Schmid, dem »Welt«-Chef. Dass SPD-Chef Sigmar Gabriel und auch den Obergrünen die machiavellische Schönheit des Gedankens schnell einleuchtete, kann man sich allerdings vorstellen: Die Personalie trieb einen Keil in die Regierung und versprach zugleich einen ganzen Sack voll Stöckchen, die sich der Linkspartei hinhalten ließen - geht es eigentlich noch besser?

Wie sehr Gaucks Bewerbung in erster Linie ein politisches Spiel war, zeigte auch der weitere Ablauf. Erst nachdem die Linkspartei deutlich gemacht hatte, dass sie nicht für Gauck stimmen würde, nutzten einige schwarze, vor allem aber gelbe Wahlmänner die Gelegenheit, sich innerhalb der bereits schlingernden Koalition mit einem »Denkzettel« zu profilieren. Schwarz-Gelb riss sich zusammen, bevor es wirklich peinlich wurde, Merkel ging versöhnt zum Fußball über - während SPD und Grüne gegen ihre Lieblingsfeinde auf der Linken das entfachten, was neudeutsch so schön als »Shitstorm« bezeichnet wird: Tagelang wurden konventionelle und neue Medien mit Polemiken gegen die unverbesserlichen Stasifetischisten gespeist, die nicht über ihren Schatten springen könnten und so die unbeliebte schwarz-gelbe Regierung »gerettet« hätten.

Dabei war diese Rechnung komplett irreal. Erstens wäre Angela Merkel selbst bei einer Gauck-Wahl nicht zurückgetreten oder zur SPD zurückgeschwenkt. Und zweitens ging die Gleichung nicht auf: Hätte sich nämlich die LINKE für Gauck ausgesprochen oder ihr Verhalten offen gelassen, wäre die erforderliche schwarz-gelbe Mehrheit für Christian Wulff bereits im ersten Wahlgang zustande gekommen. Es bestand im Sommer 2010 nur eine Chance für Gauck: Nämlich wenn die Linkspartei zuerst eine eigene Kandidatin aufgestellt hätte, um so die schwarz-gelben Abweichler herauszulocken - dann aber überraschend gegen sich selbst gestimmt hätte. Und das kann man nun mal von keiner politischen Partei verlangen. Schon gar nicht für einen Bewerber, der selbst den früheren CDU-Politiker und letzten frei gewählten und persönlich unbestritten integeren DDR-Innenminister Peter Michael Diestel öffentlich als »nicht satisfaktionsfähig« eingestuft hatte und sich 2010 beim widerwilligen »Werben« um linke Stimmen nicht einmal zu irgendeinem Bergpredigtzitat herablassen wollte.

Wer hat nun gewonnen beim Gezocke um Bellevue? Am Montag dürfte vor allem der SPD-Chef aus dem Jubeln kaum hinausgekommen sein. Er hat nicht nur in der zweiten Runde seinen Mann durchgesetzt, sondern kann zudem zufrieden schwere Irritationen in der Regierungskoalition verzeichnen. Wenn, wie berichtet wird, Leute wie der Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer von einem »gewaltigen Vertrauensbruch« der FDP sprechen, die mit ihrer öffentlichen Pro-Gauck-Erklärung den wohl eigentlich geplanten längeren Findungsprozess am Sonntagabend überraschend platzen ließ, wird Gabriels Grinsen noch breiter werden. Denn Kretschmer gehört gewiss nicht zu den Politikern, die Äußerungen dieser Art auf eigene Faust lancieren. Merkel wird nicht gerne festgenagelt. Denkbar ist auch, dass eine verärgerte Kanzlerin nun gegen die FDP durchregiert. Kretschmer jedenfalls setzte in der »Leiziger Volkszeitung« noch einen drauf: Das FDP-Verhalten sei »symptomatisch für deren Zustand«.

Der FDP wiederum wird dies egal sein: Im Überlebenskampf vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein denken die Liberalen nur so sehr von Spiel zu Spiel wie angeblich auch Borussia Dortmund. Es ist wohl kein Zufall, dass der Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki als erster die Gauck-Drohung in den Raum stellte. Die Parteispitze folgte offenbar erst im weiteren Tagesverlauf - und konnte nicht nur das Gefühl genießen, mal wieder für eine annähernde Mehrheit zu sprechen und in der Koalition etwas durchgesetzt zu haben. Und als im »Heute-Journal« FDP-Chef Philipp Rösler die wohl kritisch gemeinte Frage gestellt wurde, ob er sich fürchte vor diesem unbequemen Mann, konnte der zu Recht zurückgeben, dass Gaucks Verständnis von »Freiheit« und »Verantwortung« dem der FDP sehr nahe komme.

Rettet Gauck also die FDP? Nicht einmal das ist auszuschließen, denn das Auf und Ab der Hypes und Anti-Hypes wird, auch wegen der selbstverstärkenden Effekte von Internetnetzwerken, immer unberechenbarer. Erst hoben die Deutschen 2009 die FDP für ein Programm, das nichts anderes versprach als Marktradikalismus, in unbekannte Höhen, um sie 2011 und 2012 für die Umsetzung dieses Programms in den Staub zu werfen, während zugleich von der Quasi-FDP-Ideologie Gauck auf den Olymp getragen wurde. Vielleicht kann es der gelben Krisenpartei in Kiel über die Hürde helfen, als die wahre Gauck-Partei dazustehen. Fast möchte man das wünschen, nur um Gabriel schlucken zu sehen.

Gauck wird ein Präsident gegen bestimmte Milieus und Kräfte, so ist das Projekt angelegt, und nicht anders tickt der Mann. Einer, der als Daumensenker zur Person wurde, kennt gar keine andere Grammatik. Doch gibt es bei ihnen, die gemeint sind, keinen Grund zu verzagen. Weder 2010 noch 2012 überstieg seine Popularität in Umfragen signifikant 50 Prozent; wenn etwa bekannter wird, wie Gauck sein »Freiheit« im Internet buchstabiert, könnte zumindest die erstaunliche Begeisterung der »Netzgemeinde« für ihn schnell enden. Überhaupt könnte sich die scheinheilige Vorfreude, die etwa SPD-Generalin Andrea Nahles in Erwartung des »nicht pflegeleichten« Mannes signalisiert hat, schnell in heimlichen Ärger umschlagen; denn Gauck, der sich ernsthaft für einen großen Denker hält, wird auf niemanden Rücksicht nehmen. Außer vielleicht auf sein Standing im neuerdings als degoutant geltenden Maschmeyer-Ferres-Milieu, als dessen Mitglied Gauck durchaus schon mal posiert.

Auszuschließen ist eigentlich nur eins: Dass Gauck, wie etwa Nahles fantasiert, der richtige sei für einen »Dialog« mit der Bevölkerung. Dass nämlich gerade das Gespräch nicht seine Stärke ist, hat der frühere Prediger bereits ausreichend bewiesen: Die Talkshow, mit der Gauck vor gut zehn Jahren hufescharrend ins Rampenlicht drängte, wollte niemand sehen. Durch Monologe hatte Gauck seine Gäste überflüssig gemacht.

* Aus: neues deutschland, 21. Februar 2012


Ein Neuer für die Anstalt

Von Arnold Schölzel **

Er sei »überwältigt und auch ein wenig verwirrt«, erklärte der Theologe und frühere Chef der Behörde für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Joachim Gauck, am Sonntag abend (19. Feb.) nach seiner Nominierung durch fünf der sechs im Bundestag vertretenen Parteien im Berliner Kanzleramt. Die Linke wurde nicht einbezogen. Die führenden Politiker von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen hatten sich auf ihn als gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten geeinigt und präsentierten ihn auf einer Pressekonferenz. Ähnlich einig waren sich dieselben Parteien bislang nur bei Auslösung der Angriffskriege gegen Jugoslawien 1999 und gegen Afghanistan 2001 sowie bei den Hartz-Gesetzen in den Jahren 2002 und 2003. Gauck, der alle Kriegs- und Armutsverstärkungsbeschlüsse stets wärmstens befürwortete, hatte insofern keinen Grund für Durcheinandersein. Allerdings erreichte ihn der Dank für Treue reichlich spät und erst nach einigem Hin und Her. Noch um 16 Uhr hatten Agenturen am Sonntag berichtet, die CDU-Spitze lehne ihn ab, die FDP-Führung sei für ihn. Um 19.30 Uhr sickerte durch, daß Kanzlerin Angela Merkel umgefallen war. Nach Medienberichten stand das Regierungsbündnis kurz vor dem Bruch. FDP-Chef Philipp Rösler wird mit den Worten zitiert: »Es hat gewaltig geraucht. Die Union glaubt, daß wir die Koalition platzen lassen wollen.«

Am Montag (20. Feb.) setzte Bundestagspräsident Norbert Lammert den 18. März als Datum für die Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, fest. Die an der Nominierung beteiligten Parteien versuchten gleichzeitig, die Differenzen vom Sonntag herunterzuspielen. Einige Unionspolitiker drohten der FDP allerdings mit Revanche. Die Partei vertrete offenbar die Auffassung, sie könne »auch ohne die Union zu einer Entscheidungsfindung beitragen«, meinte z.B. der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach auf n-tv. Die Union werde das »bei einer sach- oder bei einer personalpolitischen Entscheidung in Zukunft auch einmal genauso sehen«.

Die Linke hält sich nach den Worten von Parteichefin Gesine Lötzsch die Möglichkeit offen, einen eigenen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl aufzustellen. Es müsse sich dafür aber eine Persönlichkeit finden, die auch aus den anderen politischen Lagern Unterstützung erhalten könne. Sie kritisierte Gauck als »Kandidat der kalten Herzen«. Die linke Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen äußerte: »Die Linke braucht eine eigene Kandidatin, die die inhaltliche Alternative zum reaktionären Kandidaten Gauck deutlich macht. Gauck steht mit seiner Kritik an der Occupy-Bewegung für die Diktatur der Finanzmärkte. Wir brauchen eine Kandidatin, die dagegensteht.« Unter dem Titel »Vom Schnäppchenjäger zum Menschenjäger« kommentierte ihr Abgeordnetenkollege Diether Dehm: Kaum einer habe wie Gauck »die Jagd auf Andersdenkende so professionell zum Geschäftsmodell gebaut«. Die Publizistin Jutta Ditfurth bezeichnete Gauck in einer Erklärung als »Prediger der verrohenden Mittelschicht«. In der Vertriebenenfrage sei der künftige Bundespräsident »ein Kumpan von Erika Steinbach« und habe »Probleme mit der polnischen Westgrenze«. Muslimverbände äußerten sich zurückhaltend zu Gauck, der Thilo Sarrazin für dessen rassistisches Machwerk »Deutschland schafft sich ab« »Mut« attestiert hatte.

** Aus: junge Welt, 21. Februar 2012


Super-Gauck

Von Uwe Kalbe ***

Dem präsidialen Super-GAU folgt nun der Super-Gauck. SPD-Chef Gabriel spricht von der Chance für einen Neuanfang. Doch das war's an Neuigkeiten. Andrea Nahles frohlockt, die Kanzlerin sei umgefallen. Es ist alles beim alten; der König ist tot, es lebe der König.

Ein wenig schöner Schein wenigstens? Bei Horst Köhler hatte man sich daran gewöhnt, dass der Bundespräsident dem Kanzleramt auch mal widerspricht. Zu den Erwartungen zählt nach Wulff nun wieder auch mehr Farbe im Amt, mehr Meinung. Wieso eigentlich? Der Nimbus des Oppositionellen ist Gauck zu Unrecht verliehen, er musste ihn nie beweisen. Gauck ist mit Lorbeer behangen, der eine Legende würzt, mehr nicht.

Die Inthronisierung Gaucks verhilft einem rechtslastigen Liberalen zum hauseigenen Altar. Und sie zeigt den rechten Geist der parteiübergreifenden Parlamentsmehrheiten dieses Landes. Sie stören sich nicht daran, dass Gauck für die Freiheit des Geldes und eine notwendige Unfreiheit der Mittellosen spricht. Dabei vertritt er neoliberale Positionen, die die Neoliberalen bereits zu räumen begonnen haben. Der Kandidat von SPD und Grünen ist Prediger des Ellbogens. Ohne damit selbst ein Risiko einzugehen. Ein Mitläufer. Was er an der DDR kritisiert, findet er an der Bundesrepublik gut. Grenzwertiger, undemokratischer Umgang mit Opposition ist jetzt okay, Geheimdienst auch, Krieg sogar. Den hätte er an der DDR sicher gern kritisiert. Schade drum. Jedes kritische Wort, das Ungerechtigkeiten dieser Gesellschaft in Frage stellte, wäre von diesem Mann eine Überraschung.

*** Aus: neues deutschland, 21. Februar 2012 (Kommentar)


»Politisches Gedächtnis ist sehr kurzlebig«

Antikommunismus gemeinsamer Nenner: Vier Bundestagsparteien votierten für Präsidentschaftskandidaten der Eliten. Ein Gespräch mit Daniela Dahn ****

Daniela Dahn ist Autorin beim Rowohlt Verlag, Journalistin und ehemals Mitherausgeberin der Wochenzeitschrift Freitag.

CDU, FDP, SPD und Grüne setzen einhellig auf den fundamentalen Antisozialisten Joachim Gauck als Bundespräsidenten. Wie beurteilen Sie diese Kandidatenkür – hat eine Gleichschaltung aller vier etablierten Bundestagsparteien zur kapitalistischen Einheitspartei stattgefunden?

Diese gemeinsame Begeisterung ist in der Tat atemberaubend. Am wenigsten überrascht war ich bei der FDP, da fragte man sich eher, weshalb diese Partei nicht schon bei der letzten Abstimmung bemerkt hat, daß Freiheit für Joachim Gauck meist die Freiheit der Eliten ist, besonders der Wirtschaft. Für Hartz-IV-Empfänger findet er nicht so warme Worte. Die Freiheit des Leiharbeiters ist nicht sein Thema. Überraschter war ich eher von Angela Merkels Kehrtwende. Denn sie hat doch offensichtlich erhebliche inhaltliche Differenzen mit Gauck, wie sie ja in einem Nebensatz auch andeutete. Eine davon ist vermutlich, daß sich Gauck herablassend über die vorgezogene Begrenzung der Laufzeit von Atomkraftwerken geäußert hat, was erstaunlicherweise die Euphorie der Grünen nicht trüben kann. Die Bedrohung der Umwelt ist kein Thema, das ihn interessiert. Am meisten hat mich schon immer die Unterstützung durch die SPD verwundert, denn kaum jemand hat die politische Instrumentalisierung der Stasi-Unterlagenbehörde so scharf kritisiert wie Sozialdemokraten. Sie haben sogar bei Eichborn »Das Gauck-Lesebuch. Eine Behörde abseits der Verfassung?« herausgegeben. Das vereinigende Band ist offenbar, was der Sozialdemokrat Günter Gaus einmal den pathologischen Antikommunismus der Bundesrepublik nannte.

Wird er ein Präsident für alle werden können, obwohl er beispielsweise die »Occupy«-Bewegung mit ihrer Kapitalismuskritik für »unsäglich albern« hält?

Da die »Occupy«-Bewegung von sich sagt, »Wir sind 99 Prozent«, dürfte es da ein kleines Problem geben. Aber das wird ein pathetischer Rhetoriker schon meistern. Gauck war schon immer ein Taktiker.

Das Erwerbslosenforum Deutschland hält Gauck für einen »arroganten Oberlehrer«, weil er Hartz-IV-Kritiker als töricht und geschichtsvergessen bezeichnet hat ...

Der »Präsident der Herzen aller« ist eine Erfindung eines beispiellosen Medienhypes. Gauck hat schon viele Gruppen vor den Kopf gestoßen, die Friedensbewegung, die Gegner der Agenda 2010. Auch der Begriff »Intellektueller« klingt bei ihm oft herablassend.

Ist diese Kandidatenauswahl als gemeinsames Bollwerk gegen die Partei Die Linke zu verstehen?

Es war eine Gelegenheit zu demonstrieren, daß Die Linke eine zu vernachlässigende Größe ist. Insgesamt ist seine Kandidatur aber ein Ruck in Richtung Verbesserung der Diskurshoheit der Konservativen zuungunsten vieler linker Ansätze. Das werden die Grünen und auch die Sozialdemokraten, die laut Parteiprogramm immer noch einen Demokratischen Sozialismus anstreben, noch zu spüren bekommen.

Werden die Grünen mit ihrer eigenen Klientel ein Problem bekommen, weil sie für Gauck votieren, der dem früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin attestierte, mit seinen Thesen »Mut bewiesen« zu haben? Claudia Roth hatte hingegen sein fremdenfeindliches Gedankengut kritisiert.

Nicht nur die Grünen. Ich war dabei, als Sigmar Gabriel im Willy-Brandt-Haus erklärte, er werde persönlich auf den Ausschluß Sarrazins aus der SPD bestehen. Das war damals sein Mut. Politisches Gedächtnis ist sehr kurzlebig, auch das der Wähler. Insofern wird die investigative Presse auch bei diesem Präsidenten nicht zur Ruhe kommen.

Betrifft das nicht auch Gaucks Glaubwürdigkeit als DDR-Bürgerrechtler?

Wie zu hören ist, hat der letzte DDR-Innenminister, Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel, vorm Landgericht Rostock einen Prozeß gegen Gauck gewonnen, in dem dieser verbieten lassen wollte, ihn »Begünstigten der Staatssicherheit« zu nennen. Auf Bitten der evangelischen Kirche hat sich der Katholik Diestel dann wohl bereit erklärt, den Streit auf sich beruhen zu lassen. Es müßte nun zum Beispiel »gewulfft« werden, was an dem im Internet kursierenden Gerücht dran ist, daß Gauck mit Hilfe der Stasi zu DDR-Zeiten einen VW-Kleinbus bekommen hat. Sollte das stimmen, würde das schwerer wiegen als Übernachtungen bei Filmproduzenten. Allein die Vorstellung, daß diese Art von Debatten auch mit dem neuen Präsidenten weitergehen wird, ist sehr unbehaglich.

Interview: Gitta Düperthal

**** Aus: junge Welt, 21. Februar 2012


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