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Aus zwei mach eins

Von Ulla Jelpke *

Die 5300 Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) und die 41000 Beamten der Bundespolizei sollen künftig in einer Monsterpolizeibehörde zusammengefaßt werden. Das schlagen zumindest die Mitglieder einer vom Bundesinnenministerium eingesetzten Expertenkommission unter Vorsitz von Exverfassungsschutzpräsident Eckart Werthebach vor.

Am Donnerstag (9. Dez.) präsentierte die Kommission, der unter anderem der frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm und Ex-BKA-Chef Ulrich Kersten angehören, in Berlin dazu ein 150seitiges Papier. Die zentrale Empfehlung zur Schaffung einer »Bundespolizei (neu)« lautet: »Die überkommene Sicherheitsarchitektur in Fortschreibung der im Jahre 2005 begonnenen Reformschritte systemgerecht zu Ende zu führen sowie Bundeskriminalamt und Bundespolizei in überschaubarem Zeitraum in einer Behörde zusammenzuführen«. Die Polizeien des Bundes seien durch »Doppelarbeit, Kompetenzgerangel und unklare Zuständigkeiten« geprägt, die das BKA als Zentralstelle der Polizei schwäche. In einem ersten Schritt solle daher die Bundespolizei kriminalpolizeiliche Kompetenzen »in Fällen von besonderer Bedeutung« etwa im Bereich der Piraterie oder Schleuserkriminalität an das BKA abgeben. Auf der anderen Seite soll die Bundespolizei als »präventive Sonderpolizei« zum Beispiel im Bereich der Luftfrachtüberwachung ausgebaut werden. Da die Autoren der Studie keine »gravierenden Sicherheitsmängel« ausmachen konnten, die eine unverzügliche Umgestaltung der Sicherheitsarchitektur erfordern, handelt es sich offensichtlich um ein strategisches Vorhaben.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nannte die Zusammenlegung der Bundespolizeibehörden »überzeugend, bedenkens- und verfolgenswert«. Ein »deutsches FBI« mit Durchgriffsrecht bis auf die kommunale Ebene will der Minister aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nicht. Die US-Bundespolizei FBI arbeite »quasi als Nachrichtendienst mit internationalen Bezügen«, was dem deutschen Trennungsgebot widerspreche. Damit verschweigt de Maizière freilich, daß auch das BKA mittlerweile über geheimdienstliche Kompetenzen sowie über die Ermächtigung verfügt, weit im Vorfeld möglicher Straftaten tätig zu werden. Mit dem strukturellen Unterbau der bis 2005 als Bundesgrenzschutz geführten und zuletzt beim Castortransport als schlagkräftige Truppe aufgetretenen Bundespolizei könnte die neue Behörde diese Kompetenzen auch auf breiter Front anwenden.

Als »falschen Traum einer Zentralpolizei, die weniger Sicherheit zur Folge hätte«, lehnt Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) die Pläne ab. Sein bayerischer Amtskollege ­Joachim Herrmann zeigte sich skeptisch gegenüber einer zu Lasten der Polizeihoheit der Länder gehenden »Mammutpolizei«: »Wenn man einen Metzger und einen Bäcker zusammenlegt, heißt das noch lange nicht, daß dann die Wurstbrote besser werden«, so der CSU-Mann. Nicht weit genug gehen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Reformpläne. Deren Vorsitzender, Bernhard Witthaut, sprach von »mutloser Augenwischerei«, da unter einem neuen Dach faktisch alles bleibe, wie es ist. Als »Enttäuschung« bezeichnete Frank Tempel, Vertreter der Linksfraktion im Innenausschuß, den Werthebach-Bericht. Statt »Strukturkosmetik« fordert Die Linke eine Stärkung der Länderkompetenzen, »Straffung und Ordnung der Bundesstrukturen und eine Entrümpelung der antiterroristischen Ausrichtung, die derzeit nur Personal und Geld frißt«.

De Maizière will die Grundsatzentscheidung über den Umbau im kommenden Frühjahr treffen lassen.

* Aus: junge Welt, 10. Dezember 2010


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