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Gefährlich und teuer

Kabinett beschließt CCS-Gesetzentwurf

Von Wolfgang Pomrehn *

Es ist das übliche Spielchen: Erst setzt sich die Bundesregierung in der EU vehement für ein Maßnahmenpaket ein. Heraus kommt eine entsprechende EU-Richtlinie, die in nationales Recht umgesetzt werden muß. Dem heimischen Publikum wird das Ganze schließlich als ein von außen auferlegter Sachzwang verkauft.

So auch beim sogenannten CCS-Gesetz, dessen Entwurf das Bundeskabinett am Mittwoch zustimmte. Dies soll den rechtlichen Rahmen für die Abscheidung von Kohlendioxid (CO2) aus Kraftwerksabgasen und der nachfolgenden unterirdischen Verklappung schaffen. Die Technik ist zwar alles andere als erprobt und marktreif, sie ist auch weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, wird aber vom Bundeswirtschaftsminister und einigen großen Stromkonzernen wider besseres Wissen als das Nonplusultra des Klimaschutzes verkauft.

Der Grund liegt auf der Hand. Kohlekraftwerke werden sich künftig ohne Abscheidung des Klimagases kaum noch rechtfertigen lassen. Die Technik wird zwar den Wirkungsgrad der Kraftwerke um rund ein Zehntel drücken und damit den Strom verteuern, aber diese Kosten hoffen die Betreiber offensichtlich den Kunden aufhalsen zu können.

Besonders Vattenfall und RWE, die beiden großen Braunkohleverbraucher, gehören zu den glühenden CCS-Vorkämpfern. Das ist kein Zufall. Braunkohle ist der mit Abstand für das Klima schädlichste Brennstoff, aber zugleich reichlich und kostengünstig in Deutschland vorhanden. CCS ist für die beiden Konzerne daher die Eintrittskarte in das Profitparadies des ewigen Braunkohletagebaus, der bis in die zweite Jahrhunderthälfte fortgesetzten Zerstörung immer neuer Landschaften im Rheinland, in Sachsen und in Brandenburg.

Bei den potentiell betroffenen Bürgern ist die Verpressung von CO2 in die Böden indes denkbar unbeliebt. Vom südlichen Brandenburg über die sachsen-anhaltinische Altmark bis ins schleswig-holsteinische Nordfriesland platzen die Versammlungsräume aus allen Nähten, wenn über CCS diskutiert wird. Und nicht nur dort: In Dänemark, wo in den an Nordfriesland angrenzenden Gebieten Südjütlands ähnliches geplant war, nahm die Regierung aufgrund der andauernden Proteste inzwischen ganz Abschied von der unterirdischen CO2-Einlagerung an Land.

Die Ängste, die die empörten Bürger umtreiben, sind nicht unbegründet. Lecks an Anlagen oder Leitungen sind eine erhebliche Gesundheitsgefahr für die Anwohner. Eine Vergiftung des Grundwassers in den Verklappungsregionen kann letztlich nicht völlig ausgeschlossen werden. Wohlwissend um diese Bedenken, gesteht die EU-Richtlinie den Mitgliedsländern übrigens das Recht zu, die CO2-Einlagerung grundsätzlich zu verbieten, ein Aspekt, über den CCS-Fans wie der brandenburgische Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Die Linke) ungern reden. Aber vielleicht erinnert sich der Bundesrat noch rechtzeitig daran, in dem die CCS-Gegner eine Mehrheit haben müßten.

* Aus: junge Welt, 14. April 2011


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