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Dänisches Gericht entzieht kurdischen Fernsehsendern die Lizenz

Von Nick Brauns *

Das Oberlandesgericht in Kopenhagen hat am Mittwoch drei kurdischen Satellitensendern unter dem Vorwurf der Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) die Lizenz entzogen. Betroffen sind der zur Zeit inaktive Sender Roj TV und sein Nachfolger Nuce TV, der mit Nachrichten, Reportagen und Podiumsdiskussionen in türkischer und kurdischer Sprache täglich Millionen Menschen im Nahen Osten und Europa erreicht. Außerdem kann der vor allem bei Jugendlichen beliebte Musikkanal MMC nicht mehr arbeiten.

»Das Gericht ist der Ansicht, daß die PKK eine Terrororganisation ist, die durch die angeklagten Firmen mit ihren Fernsehprogrammen unterstützt wurde«, heißt es in dem Urteil gegen die Betreiberfirmen Mesopotamia und Roj TV A/S. Diese wurden zusätzlich zum Lizenzentzug zur höchsten jemals in Dänemark gegen ein Medienunternehmen verhängten Geldstrafe von 1,35 Millionen Euro verurteilt. Zwar seien reine Sympathiebekundungen für terroristische Organisationen nach dänischem Recht nicht strafbar, erklärte der Vorsitzende Richter. Doch die Sender verbreiteten »einseitige und unkritische Botschaften einschließlich Aufrufen zur Revolte und zum Beitritt zur Organisation« und verwendeten eine »glorifizierende Sprache«. Nach Ansicht des Gerichts wurden sie direkt von der PKK kontrolliert und teilweise auch finanziert. Als Beweise dienten unter anderem Fotos, die Roj-TV-Mitarbeiter im PKK-Hauptquartier in den nordirakischen Kandilbergen zeigten.

Die türkische Regierung hatte bereits im Jahr 2004 die Schließung von Roj TV gefordert. Damals hatte die dänische Staatsanwaltschaft noch erklärt, der Sender bewege sich im Rahmen der Gesetze. Doch 2010 wurde Anklage erhoben. Wie von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte diplomatische Dokumente beweisen, war dies eine Gegenleistung an die türkische Regierung für die im Vorjahr erfolgte Wahl des früheren dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen zum NATO-Generalsekretär. Ankara hatte zuvor mit einem Veto gegen Rasmussen gedroht, unter dessen Regierung in Dänemark die Mohammed-Karikaturen veröffentlicht worden waren. Die US-Regierung versprach der Türkei, sich für eine Schließung der PKK-nahen Medien bei ihren NATO-Partnern stark zu machen. Es folgten Razzien der Sendestudios von Roj TV in Belgien im Jahr 2010. Im Januar 2012 wurde der Sender wegen Verstoßes gegen das Terrorgesetz in Dänemark zu einer Geldstrafe verurteilt, worauf der halbstaatliche französische Satellitenbetreiber Eurobird die Zusammenarbeit mit ihm aufkündigte. Die damals verhängte Geldstrafe wurde in der nun erfolgten Berufungsverhandlung vor dem Kopenhagener Oberlandesgericht verdoppelt. Roj-TV-Anwalt Björn Elmquist sprach von einem politischen Urteil, das der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entgegenstehe. Einer der am Verfahren beteiligten Richter stimmte für einen Freispruch aufgrund eines von ihm erkannten Widerspruchs zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und dem Antiterrorgesetz.

Das Bundesinnenministerium hatte Roj TV im Jahr 2008 aufgrund des PKK-Verbots den Betrieb untersagt und ein Sendestudio in Wuppertal geschlossen. Der Europäische Gerichtshof erklärte allerdings im Jahr 2011, daß die Bundesrepublik einen in Dänemark lizenzierten Sender nicht an der Ausstrahlung seines Programms auch nach Deutschland hindern könne.

Gegen das jetzige Urteil können die TV-Firmen innerhalb der nächsten zwei Wochen Berufung einlegen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 5. Juli 2013


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