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Neue Hauptrollen am New Yorker Times Square

Staatsbesuch von Chinas Präsident Hu Jintao im Zeichen weitreichender Machtverschiebungen

Von Olaf Standke *

Der Staatsbesuch von Chinas Präsident Hu Jintao in den USA, der am Dienstag (Ortszeit) begonnen hat, steht im Zeichen weitreichender Machtverschiebungen auf der Weltbühne.

Er ist zwar nur eine Minute lang, aber der Premiere dieses Kurzfilms war große Aufmerksamkeit sicher: Pünktlich zum Besuch des chinesischen Staatschef Hu Jintao flimmerte am Montagabend erstmals ein Werbestreifen zu den Errungenschaften und wirtschaftlichen Erfolgen seines Landes über die riesigen Leinwände am New Yorker Times Square. Hauptdarsteller sind der Basketballstar Yao Ming, der Pianist Lang Lang, der Astronaut Yang Liwei – und unzählige ganz »normale« Bürger, die »China in einer neuen Ära« präsentieren, wie es beim Presseamt des Pekinger Staatsrates heißt. Und das bis Mitte Februar regelmäßig auch auf auf dem Nachrichtensender CNN.

Seit langem hat Washington keiner Visite eines ausländischen Staatschefs so viel Bedeutung beigemessen wie diesem Besuch Hus. Präsident Barack Obama machte mehrfach deutlich, dass die Beziehungen zu Peking eine Schlüsselstellung in der US-amerikanischen Außenpolitik einnehmen. Außenministerin Hillary Clinton hat mit Blick auf den Gipfel in einer Grundsatzrede vor Diplomaten im State Department erklärt: »Die USA heißen China als aufsteigende Macht willkommen.«

Was nicht bedeute, dass es keine Differenzen und Misstrauen gebe. Peking müsse mehr Freiheit und Demokratie zulassen, seine Wirtschaft liberalisieren, den Exportüberschuss abbauen, amerikanischen Importen wie Investitionen mehr Chancen geben und die chinesische Währung aufwerten. Mit Argwohn sehen die USA – das Land mit dem größten Militäretat der Welt, das im Vorjahr riesige Waffenlieferungen nach Taiwan abgewickelt hat – Chinas »Aufrüstung«. Gerade erst wurde Pentagon-Chef Robert Gates bei einem Peking-Besuch mit der Präsentation eines eigenen Tarnkappen-Kampfjets überrascht.

Schon heute stellt das »Reich der Mitte« nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft, es hat Deutschland als Exportweltmeister abgelöst, weist mit jährlich durchschnittlich 9,5 Prozent in den vergangenen drei Dekaden die sattesten Wachstumsraten und mit über 2,85 Billionen US-Dollar die weltweit größten Währungsreserven aus. Inzwischen vergibt Peking mehr Kredite an die sogenannte Dritte Welt als die Weltbank, wie die »Financial Times« am Dienstag schrieb. Allein die China Development Bank und die Export-Import-Bank hätten in den vergangenen zwei Jahren mindestens 110 Milliarden Dollar verliehen. Diese Finanzspritzen demonstrierten den globalen Einfluss Chinas und nicht zuletzt auch sein Bemühen um eine langfristige Rohstoffsicherung.

Selbst wenn die Wirtschaftskraft der USA noch immer drei Mal so groß wie jene Chinas ist – das alles macht die chinesische Führung selbstbewusster denn je. Allein die schwindelerregende Summe von über 900 Milliarden Dollar, die man in US-Staatsanleihen investiert hat, versetzt Peking in eine starke Position. Scharf war denn auch die Kritik an Obamas Treffen mit dem Dalai Lama, dem religiösen Oberhaupt der Tibeter, so wie die Zurückweisung der Washingtoner Kritik am chinesischen Umgang mit Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo.

Unmittelbar vor seinem Besuch in den USA nannte Präsident Hu das Weltwährungssystem der Dollar-Dominanz ein Relikt der Vergangenheit. Und tatsächlich ist China längst dabei, den Yuan (Renminbi) zu einer globalen Währung zu machen. Washingtons immer wieder lautstark geäußerte Kritik an seiner Unterbewertung übertönt, dass Peking inzwischen Handel und Investitionen in seiner Währung weltweit erleichtert, selbst wenn der Wechselkurs weiter staatlich kontrolliert wird.

Das Verhältnis zwischen den USA und China, so Außenministerin Clinton, sei keines, »das einfach in Schwarz-Weiß-Kategorien passt, wie etwa Freund oder Rivale«. Und die Beziehungen seien an einem »kritischen Punkt« angelangt. Sie forderte China jetzt unter anderem zur engen diplomatischen Zusammenarbeit in den Konflikten mit Nordkorea und Iran auf. Den beiden Staaten bleibe gar nichts anderes übrig als zusammenzuarbeiten, ist sich Clinton sicher: »Wir sitzen im selben Boot – und wir müssen in dieselbe Richtung rudern.« Der Council on Foreign Relations, ein Think-Tank in Washington, sieht diesen Zustand allerdings noch in weiter Ferne.

* Aus: Neues Deutschland, 19. Januar 2011


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