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Deutschland-China: So viel Wirtschaft war noch nie

Der Kanzler im Reich der Mitte: Satte Geschäfte, Rüstung und Demokratie

Die letzte Meldung:
Die EU wird das Waffenembargo gegen China vorläufig nicht aufheben. Das steht nach einem Treffen zwischen EU- Vertretern und dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao fest. Trotzdem sprach Jiabao von einem wichtigen positiven Signal, das er in Den Haag erhalten habe. Ein Ende des Embargos käme beiden Seiten zugute, sagte er. Der niederländische Ministerpräsident und EU- Ratsvorsitzende Jan Peter Balkenende versicherte, es bestehe die generelle Bereitschaft, das Embargo zu beenden. (dpa, 8. Dezember 2004)


Im Folgenden dokumentieren wir ein paar Artikel und Kommentare anlässlich der China-Reise des deutschen Bundeskanzlers und des EU-China-Gipfels in Den Haag. Im Mittelpunkt: die Ausweitung des China-Handels und die (noch nicht) Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Artikel
  1. Kanzlers Lieblingsrolle;
  2. Die Köder sind ausgelegt;
  3. Siemens: 20 neue Atomkraftwerke in China;
  4. Schröder und Rüstungskonzern EADS;
  5. Unterschriften am Fließband;

Kanzlers Lieblingsrolle

Von Klaus Fischer

Am Dienstag eröffnete der Volkswagen-Konzern im chinesischen Changchun ein neues Werk. Konzernchef Bernd Pieschetsrieder verkündete sichtlich zufrieden, daß VW im neuen Betriebsteil ab kommenden Jahr einen Kleintransporter fertigen wolle. Schrittweise würden dann weitere Modelle hinzukommen.

Ebenso zufrieden wirkte Bundeskanzler Gerhard Schröder, in dessen Beisein das Ereignis stattfand. Ganz offenbar scheint sich das Unternehmen »Chinabesuch« des deutschen Regierungschefs so zu entwickeln wie geplant.

Satte Geschäfte

Zum bereits sechsten Mal in seiner Zeit als Regierungschef ist Schröder zu Gast in der aufstrebenden Wirtschaftssupermacht. Solch klare Prioritäten machen deutlich, daß der Bundeskanzler einen guten Job im Sinne seiner wichtigsten Lobby macht. Denn die Interessen des deutschen Kapitals, besonders die der Konzerne, fokussieren sich immer stärker auf das Reich der Mitte.

Bereits am Montag gab der Kanzler die Edelstaffage für zahlreiche Geschäftsabschlüsse mit chinesischen Partnern ab. So wurde der Grundstein für ein neues Werk von DaimlerChrysler gelegt. Siemens liefert 180 Lokomotiven und soll zudem lukrative Aufträge bei der Sicherheitsausstattung chinesischer Atomkraftwerke an Land gezogen haben. Airbus darf mehr als 20 Flugzeuge an Pekings Fluggesellschaft verkaufen, und auch ein paar kleinere Fische aus dem Teich des deutschen Kapitals wurden mit Geschäftsabschlüssen gewürdigt. So verkauften der Mittelständler Brückner Maschinenbau eine Folienfabrik und die Berliner Wasserbetriebe eine Kläranlage.

Türöffner fürs Kapital

Dies und vieles mehr hat zwar nicht der Kanzler eingefädelt. Seine Anwesenheit jedoch ist ein Signal, wie energisch deutsche Unternehmen auf den Ausbau der Beziehungen mit China dringen. Der Kanzler bahnt dem deutschen Kapital Wege, die es ohne seinen Einsatz mit möglicherweise sehr viel größerer Mühe oder gar nicht gehen könnte. Besser kann man als Regierungschef einer führenden kapitalistischen Macht seinen Auftrag nicht erfüllen.

China wird, wenn alles so läuft wie vorausberechnet, in Kürze der zweitgrößte Automobilabsatzmarkt der Welt sein. Pekings Wirtschaftswachstum hochgerechnet, dürfte das Riesenland in dreißig bis vierzig Jahren selbst die USA in der Wirtschaftsleistung überholt haben. Hinzu kommt, daß durch den enormen Aufschwung der chinesischen Ökonomie ein Binnenmarkt entsteht, dessen Aufnahmefähigkeit alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen könnte. Kein Wunder, daß die deutschen Wirtschaftsbosse diesen Zug nicht verpassen wollen.

Das Profitpotential für die Konzerne ist in der Tat gewaltig – jedenfalls vorerst. So habe DaimlerChrysler im letzten Halbjahr in China einen neuen Absatzrekord erzielt, hieß es. VW will sich als bisheriger Marktführer in China seinen Rang selbstverständlich nicht so einfach abkaufen lassen und zieht mit der Werkseröffnung in Changchun nach. Fast 800 Millionen Euro lassen sich die Wolfsburger das kosten. Mehr als 660 000 Autos kann der Schröders Lieblingskonzern – er saß als Ministerpräsident Niedersachsens lange im VW-Aufsichtsrat – dann jährlich produzieren.

Aber nicht nur der chinesische PKW- oder der Konsumgütermarkt sind lukrativ und riesig. Chinas Infrastruktur kann mit dem gewaltigen Industrialisierungs- und Kapitalisierungsboom längst nicht mehr Schritt halten. Das bietet weitere große Möglichkeiten zur Kapitalvermehrung. Aber dieser Fakt macht auch eines der zahlreichen Risiken deutlich, die Chinas atemberaubender Boom mit sich bringt. Schwach entwickelte Infrastruktur, Überhitzung der Konjunktur mit der Gefahr, daß Milliarden Kredite sich als faul erweisen könnten, und eine zunehmende Polarisierung der chinesischen Gesellschaft in Profiteure und Verlierer sind einige der Probleme, die dem Aufschwung ein jähes Ende, oder eine längere Pause bescheren könnten.

Doch das schreckt das internationale – und deutsche – kapital nicht ab. Das Risiko in China nicht dabei zu sein sei um vieles größer, als vielleicht ein paar hundert Millionen in den Sand zu setzten, kommentierte sinngemäß der scheidende Siemens-Chef Heinrich v. Pierer am Montag den Ansturm des BRD-Kapitals auf die chinesischen Märkte.

Klare Botschaft

Der Kanzler jedenfalls hatte gute Tage in Peking. Neben seinem Hauptjob als Wirtschaftslobbyist fuhr er auch noch die chinesische Zustimmung für deutsche Großmachtambitionen – einen ständigen Sitz im UN-Sicherhheitsrat – ein. Dafür stellt er den Chinesen die Aufhebung des Waffenembargos der EU in Aussicht, was bei seinem Koalitionspartner die üblichen Abwehrreflexe ausgelöst hat. Vor allem aber machte Schröder seinem Ruf als Medienkanzler wieder alle Ehre: Während sich in den Abendnachrichten Angela Merkel und die CDU mit unverständlichen Sprechblasen als zur politischen Führung des Landes völlig unfähig herausstellen, gibt im Anschluß an solche Berichte Gerhard Schröder den Landesvater, der sich für die Wirtschaft und vermeintliche Arbeitsplätze selbst im fernen China einsetzt. Solche Botschaften werden verstanden und machen deutlich, daß Schröder auch nach 2006 als Favorit der Herrschenden in Deutschland für den Job des Bundeskanzlers gilt.

Aus: junge Welt, 8. Dezember 2004

Die Köder sind ausgelegt

Von Hans Ulrich

Das am heutigen Mittwoch [8. Dez. 2004] in Den Haag stattfindende Gipfeltreffen zwischen Europäischer Union und China sorgte bereits im Vorfeld für einen diplomatischen Schlagabtausch. Aber nicht zwischen den Teilnehmern des Treffens – die chinesische Delegation wird von Premier Wen Jiabao geleitet, die europäische vom neuen Kommissionspräsidenten José Manuel Barrosso und dem niederländischen Regierungschef Jan Peter Balkenende als amtierendem EU-Ratsvorsitzenden – verlief die Konfliktlinie, sondern zwischen Paris und Washington. Kurz vor der euro-asiatischen Begegnung hatte Frankreichs Präsident Jacques Chirac erneut angekündigt, sich intensiv für die Aufhebung des Waffenembargos gegen China einzusetzen. Der Lieferstopp war 1989 nach den Unruhen in Peking von EU und USA verhängt worden. »Wir versuchen, von der EU so schnell wie möglich die Aufhebung eines Embargos zu erreichen, das aus einer anderen Zeit stammt und nicht mehr die Realität der Lage widerspiegelt«, wurde Jacques Chirac im Oktober von der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zitiert. Natürlich hat der Hausherr des Elysée-Palastes damit auch sehr bewußt seinen atlantischen Intimfeind im Weißen Haus herausgefordert. Der Konter aus den USA, die allerdings wohl mehr um lukrative ökonomische Pfründe als um ihre Sicherheit fürchten, folgte umgehend: Die gesamten europäisch-amerikanischen Beziehungen würden durch einen solchen Schritt ernsthaft belastet, bekräftigte der amerikanische Unterstaatssekretär für politisch-militärische Angelegenheiten, Gregory Suchan, die Washingtoner Position.

Mit einiger Sicherheit wird diese auch auf dem Haager Treffen eine Rolle spielen, wenngleich eher im Hintergrund. Schließlich sprechen sich neben Frankreich auch andere europäische Führungsmächte, wie Italien und Deutschland, nachdrücklich für die Aufhebung des Rüstungsexportverbots aus; noch am Montag hatte Bundeskanzler Schröder in Peking für einen solchen Schritt geworben. Und selbst der bislang eher China-kritische niederländische Außenminister Bernard Bot erwartet vom Gipfel »ein positives Signal« in dieser Hinsicht. Für die Aufhebung des Embargos sei es aber noch zu früh, meinte Bot Ende November im EU-Außenministerrat.

Tatsächlich konnte sich die Ministerrunde – das entscheidende Gremium in der EU-Außenpolitik – noch nicht auf die Wiederaufnahme der Waffenlieferungen einigen. Als Hindernis dafür wird von einigen Staaten nach wie vor die »unbefriedigende Lage der Menschenrechte« in China angeführt. Peking seinerseits hat in den Ende 2003 vorgelegten strategischen Leitlinien für die Entwicklung der Beziehungen zur EU die Aufhebung des Embargos zu einer Voraussetzung für eine weitere Annäherung gemacht. Und in dieser Richtung hat Peking einiges versprochen: Neben der Lösung des Problems der »illegalen Einwanderung in die EU« geht es auch um solche für Brüssel brisante Themen wie die Bekämpfung der Produktpiraterie und vor allem den uneingeschränkten Zugang zum chinesischen Markt.

Den europäischen Teilnehmern des Haager Treffen wird damit nichts anderes übrigbleiben, als den Spagat zwischen Pekinger Forderungen, die in erster Linie Symbolgehalt haben, und wirtschaftlichen Interessen der EU zu versuchen. Einerseits will man sich nicht den Zugang zum chinesischen Markt verbauen. Nachdem die USA – trotz der öffentlichkeitswirksam vorgebrachten Kritik an Pekings Menschenrechtspolitik – schon seit Jahren den Fuß im chinesischen Markt haben, wollen die Europäer nun ein stattliches Stück vom Kuchen abbekommen. Die Weichen dafür sind gestellt. Im Mai vereinbarte Wen Jiabao mit der EU-Kommission die Einrichtung eines ständigen Dialogforums für Handelsfragen, das Streitfälle lösen soll. Erste Ergebnisse liegen inzwischen auf dem Tisch: Ab kommendem Jahr soll die von Peking monierte EU-Quotierung von Textilimporten aus China fallen. Handelserleichterungen bringt auch das in diesem Jahr geschlossene Zollabkommen. Bereits heute ist China nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner der EU. Das Volumen des Handelsaustausches beträgt mehr als 135 Milliarden Euro – etwa sieben Prozent des gesamten Außenhandels der EU. Mit Rüstungsexporten könnten sich diese Zahlen noch deutlich erhöhen.

Andererseits wäre das Ausblenden der Menschenrechtsproblematik – die gegenüber anderen Staaten sogar als Kriegsbegründung herhalten muß – im Fall China für die Europäer kaum opportun. Die Lösungsformel scheint jedoch schon gefunden: Der EU-China-Gipfel wird ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, dessen Kern ein »Verhaltenskodex« ist, an dessen Befolgung mögliche Waffenexporte gekoppelt sein sollen. Wie diese Vorgaben konkret aussehen sollen, ist aber noch unklar. Und Bernard Bot machte die Verwirrung kürzlich noch komplett, als er sagte, es gäbe »keinen Zusammenhang zwischen der Aufhebung des Embargos und den Menschenrechten«.

Aus: junge Welt, 8. Dezember 2004

Hermes Bürgschaften

Siemens möchte sich an 20 neuen Atomkraftwerken in China beteiligen

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Stern" will Siemens im kommenden Jahr Leittechnik für 20 neue Atomkraftwerke nach China liefern. Den Auftrag über mehrere 100 Millionen Euro wolle sich der Konzern über staatliche Hermesbürgschaften absichern lassen. Dabei schließen die Hermesleitlinien nach Auffassung der Umweltorganisation "urgewald" die Vergabe von Bürgschaften für Atomexporte explizit aus: "Ausgeschlossen von der Exportförderung sind Nukleartechnologien zum Neubau bzw. zur Umrüstung von Atomanlagen." Siemens scheine zu hoffen, "dass für Konzerne ab einer bestimmten Größe nicht mehr die gleichen Spielregeln gelten wie für kleinere Unternehmen", kritisiert Regine Richter urgewald. "Nur so lässt sich erklären, dass der Konzern seinen Wunsch nach Hermesunterstützung ganz ungeniert vorbringt." Nach dem "stern"-Bericht soll Siemens-Chef Heinrich von Pierer während seiner China-Reise mit Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer gesagt haben: Die Grünen müssten doch daran interessiert sein, dass die Chinesen nicht die veraltete Sicherheitstechnik der Russen einsetzen, sondern "die beste der Welt". Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW warnt hingegen vor dem Risiko eines Einsatzes digitaler Sicherheitsleittechnik in Atomkraftwerken.

Die Grünen-Führung lehnt den Export von Atomtechnik laut stern kategorisch ab, bemüht sich aber, einen drohenden Konflikt möglichst geräuschlos zu entschärfen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen versucht, Zulieferungen für ein neues finnische Atomkraftwerk mit Bürgschaften absichern zu lassen. Als der Antrag nach massiven öffentlichen Protesten zu scheitern drohte, zog Siemens ihn zurück.

"Vielleicht geht Siemens davon aus, dass steter Tropfen den Stein höhlt und probiert es immer und immer wieder", mutmaßt Richter. Für das finnische Atomkraftwerk hatte Siemens argumentiert, es handele sich bei der Lieferung nicht um "Nukleartechnologie". "Um das Ausschlusskriterium zu umgehen, wird der Konzern bei der Leittechnik wahrscheinlich genau so argumentieren", fährt Richter fort.

Leitlinien für Hermes-Bürgschaften

"Dass Siemens systematisch alle vermeintlichen Schlupflöcher austestet", zeigt nach Meinung von urgewald, "dass das Ausschlusskriterium 'Atom' in seiner jetzigen Form noch zu viel Interpretationsspielraum lässt". Für eine glaubwürdige Atomausstiegspolitik, die auch den Export einschließt, muss das Kriterium deshalb dringend präzisiert werden", fordert die Organisation.

Der Zeitpunkt dafür sei günstig, da die Hermesleitlinien gerade überarbeitet würden. Sie würden den internationalen Umweltleitlinien für Exportkreditagenturen angepasst, die vor einem Jahr auf OECD-Ebene verhandelt worden seien. Erst in der vergangenen Woche hätten Umweltorganisationen die Bundesregierung aufgefordert, dabei grundlegende Reformforderungen umzusetzen und das Atomausschlusskriterium zu präzisieren.

IPPNW warnt vor Siemens-Leittechnik

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW wies darauf hin, dass die von Siemens seit Jahren propagierte digitale Sicherheitsleittechnik enorme Risiken berge. Die Organisation verweist auf ein Ereignis am 10. Mai 2000 im deutschen Atomkraftwerk Neckarwestheim-1. Dort waren 1998 erhebliche Teile der Steuerungstechnik von einer festverdrahteten auf die digitale Siemens-Sicherheitsleittechnik "TELEPERM XS" umgerüstet worden.

Diese Umrüstung auf die digitale Siemens-Leittechnik habe dazu geführt, dass am 10. Mai 2000 für kurze Zeit die zentrale Sicherheitseinrichtung des Atomkraftwerks ausgefallen sei: "Der für die Reaktorschnellabschaltung erforderliche Einfall der Steuerstäbe in den Reaktorkern war blockiert". Die Reaktorsicherheitskommission (RSK) habe in einer Stellungnahme zu dem Vorfall betont, dass immerhin noch die alte, analoge Sicherheitstechnik zur Verfügung gestanden habe.

Die atomenergiefreundliche Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) habe die "Komplexität des Systems" für diese Fehlfunktion maßgeblich verantwortlich gemacht. Ein IPPNW-Sprecher erläutert: "In einem großen Atomkraftwerk müssen die Computer in rund 850.000 m3 umbautem Raum 17.000 Rohrstränge mit einer Länge von 150.000 m und 30.000 Halterungen, 20.000 Armaturen, 1000 verfahrenstechnische Apparate bzw. Aggregate und 5000 elektrische Verbraucher koordinieren."

In der Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission heißt es nach Angaben der Anti-Atom-Organisation, dass "die an der Störung beteiligten Funktionen" ausschließlich in der Siemens-Sicherheitsleittechnik TELEPERM XS aufgebaut seien. Die RSK halte es für erforderlich, die Betriebserfahrungen mit der neuen, digitalen Leittechnik kritisch zu beobachten: "Die RSK beabsichtigt, die Betriebserfahrungen mit digitaler Leittechnik zyklisch zu beraten."

"Was also modern und zweifellos nach einem Zuwachs an Sicherheit klingt, nämlich der Einsatz von digitaler Leittechnik bzw. Sicherheitsleittechnik, entpuppt sich" nach Auffassung der IPPNW "in Wirklichkeit als neues Sicherheitsrisiko für den Betrieb von Atomkraftwerken."

Aus: www.ngo-online.de, 7. Dezember 2004

"Himmlischer Frieden"

Schröder und Rüstungskonzern EADS bringen Chinesen Demokratie bei

EADS-Manager Rainer Hertrich, Bild: EADSDie Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Christa Nickels (Grüne), hat den Einsatz der Bundesregierung für ein Ende des EU-Waffenembargos gegen China scharf kritisiert. "Falls unser Bundeskanzler sich im Ausland hinstellt und Entscheidungen verkündet, die gegen das Votum des eigenen Parlaments gerichtet sind, dann diskreditiert er die Idee der Gewaltenteilung", sagte die Grünen-Politikerin der "Berliner Zeitung". "Das wäre dann nicht gerade eine Werbeveranstaltung für die Demokratie." Nickels sagte, der Kanzler dürfe "den Sachverstand des Parlaments nicht in den Wind schlagen". Schröder möchte sich offenbar über einen förmlichen Beschluss des Deutschen Bundestages von Ende Oktober hinwegsetzen, wonach China noch zahlreiche Bedingungen erfüllen müsse, bevor der Lieferstopp für Waffen aus der EU aufgehoben werden könne. Der Bundeskanzler wird in China von rund 43 Spitzenmanagern unter anderem aus den Häusern Siemens, DaimlerChrysler, Allianz und Degussa begleitet. Mit dabei ist auch Rainer Hertrich, Vorstandsvorsitzender des deutsch-französischen Rüstungskonzerns EADS, an dem DaimlerChrysler mit 30 Prozent beteiligt ist.

Das Waffenembargo gegen China hatte die EU 1989 nach der blutigen Niederschlagung des Protestes von Demokratieanhängern auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" verhängt.

"Das China von heute ist zwar nicht mehr das China von 1989, es hat wahnsinnige Fortschritte gemacht und verdient jede Unterstützung", sagte Nickels der Berliner Zeitung. Doch habe sich etwa die Lage der Menschenrechte noch nicht so positiv entwickelt, "um dem Land wieder Waffen verkaufen zu können".

Schröder: Rüstungsexporte nützen unseren Leuten hier

Schröder verteidigte vor seinem Abflug nach China seine Pläne, das Waffenembargo schnellstmöglich aufzuheben. "China ist einer der wichtigsten Märkte. Und deswegen verstehe ich all diejenigen nicht, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit kritisieren", sagte der Kanzler in Berlin. "Das nutzt unseren Leuten hier."

Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" geht es in China auch um den Verkauf von zivilen Linienflugzeugen vom Typ Airbus 380. Peking wolle das Geschäft nur abschließen, wenn das bestehende Waffenembargo aufgehoben werde. Die chinesische Regierung hat den Bericht zurückgewiesen.

Angebliche Waffenexporte trotz EU-Waffenembargo

Trotz des EU-Waffenembargos haben die deutschen Unternehmen MTU-Friedrichshafen und Deutz AG nach einem Bericht des ARD-Magazins "Monitor" jahrelang illegal Rüstungsgüter für die Volksrepublik China hergestellt. Die Unternehmen lieferten demnach Motoren für chinesische U-Boote und Zerstörer sowie Schützenpanzer für das chinesische Militär, ohne Genehmigungen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die U-Boote und Zerstörer werden nach Angaben des Magazins vom Donnerstag von China auch in Manövern gegen das verfeindete Taiwan eingesetzt.

Aus: www.ngo-online.de, 6. Dezember 2004

Unterschriften am Fließband

Bei Kanzler Gerhard Schröders sechster China-Reise stehen Wirtschaftstermine noch mehr im Zentrum als sonst

VON HARALD MAASS (PEKING) [Auszug]

(...) Der Auftritt von Ex-Premier Zhu Rongji, bis zum März 2003 Regierungschef und damit einer der mächtigsten Männer in der Volksrepublik, war für den Kanzler vermutlich der Höhepunkt des ansonsten eher routinierten China-Besuchs. Blass und etwas zerbrechlich wirkt der 76-Jährige, als Schröder ihm bei einer Feierstunde in einem Pekinger Hotel einen Wirtschaftspreis überreicht. Ein "lieber Freund" sei Zhu, sagt Schröder. (...)

Unter Diplomaten war vor dem Treffen mit Zhu viel gemunkelt worden. Peking sei das nicht recht gewesen, hieß es. China hält seine abgetretenen Führer normalerweise von der Öffentlichkeit fern. Offenbar aus Angst, dass die ehemaligen Kader ihre private Außenpolitik betreiben könnten. Zhu Rongji hatte sich seit seinem Rücktritt nur einmal in der Öffentlichkeit gezeigt. Der "Boss" wurde er früher genannt, weil er das Riesenland wie ein Großunternehmen führte und korrupte Kader mit einer Handbewegung feuerte. Heute sei sein größtes Hobby, Peking-Oper zu singen, sagt er in seiner Dankesrede. Als er anschließend Anekdoten von Helmut Schmidt erzählt, muss auch der Kanzler lachen.

Es war die besondere Beziehung zu Zhu, die bisher Schröders Chinapolitik prägte. Beide vereinbarten einst den Bau des Transrapids in Schanghai und sorgten damit in Deutschland wie in China für eine Überraschung. (...)

Eisig zieht der Wind über das festlich dekorierte Baugelände im Pekinger Industriepark. Die jungen Models, "hua ping" (Blumenvasen) genannt, stehen stocksteif mit hochgezogenen Schultern auf der Bühne. DaimlerChrysler präsentiert außerhalb Pekings die Baustelle für ein neues Autowerk. Schröder, dem die mandschurische Kälte ins Gesicht bläst, harrt während der Reden aus und versucht zu lächeln. Das neue Werk sei ein "Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens", sagt ein Manager. Dann ist Schröder an der Reihe: Er spricht von der Qualifizierung der chinesischen Mitarbeiter durch das künftige Joint Venture. Natürlich helfe so eine Großinvestition in China "auch Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern". (...)

So reiht sich ein Wirtschaftstermin an den nächsten: Besuch des Lufthansa-Joint Ventures, Eröffnungsveranstaltung des China-Büros der Georgmarienhütte, eines mittelständischen Industriebetriebs. Teilnahme an einer Wirtschaftskonferenz. Am Abend bleibt immerhin mal Zeit für zwei Kulturveranstaltungen, doch auch dabei geht es irgendwie um Wirtschaft. Das deutsche Architektenbüro Gerkan hat den Zuschlag zum Umbau des Pekinger Nationalmuseums erhalten und der Kanzler schaut sich ein Modell an. Die einzige politische Rede hält Schröder auf einer Wirtschaftskonferenz des chinesischen Industrieverbandes.
(...)
Einen "Familienbesuch" nennt Regierungschef Wen Jiabao die Visite des Kanzlers. Sechsmal war Schröder in den vergangenen sechs Jahren in der Volksrepublik. Chinas Medien, offenbar auf der verzweifelten Suche nach neuen Geschichten, berichten deshalb über Schröders Privatleben. (...)

Das offizielle China bleibt dagegen gewohnt zurückhaltend. Unterschriftenzeremonie in der Großen Halle des Volkes. Aufgereiht mit ihren Delegationen stehen Schröder und sein Amtskollege Wen auf dem roten Teppich. Zwei Delegationsmitglieder in grauen Anzügen setzten sich an den Tisch in der Mitte des Raums. Helfer bringen Mappen und Stifte. Das erste Wirtschaftsabkommen wird unterzeichnet. Schröder und Zhu lächeln, schütteln Hände. Die nächsten beiden Unternehmer treten an den Tisch. Fast eine halbe Stunde geht es so weiter, bis alle Verträge unterzeichnet sind. "Das war jetzt ein Rekord", sagt die Übersetzerin erschöpft.

Aus: Frankfurter Rundschau, 8. Dezember 2004


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