Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gegen Protektionismus

Angela Merkel verabredet in China engere wirtschaftliche Kooperation und den Handel im Euro und Renminbi

Von Wolfgang Pomrehn *

Mit einem umfangreichen Tross war Bundeskanzlerin Angela Merkel vorigen Donnerstag in die Volksrepublik China gereist. Nicht nur zahlreiche Wirtschaftsvertreter waren dabei, sondern auch sieben Minister und zwei Staatssekretäre. Die regelmäßigen Besuche deutscher Regierungschefs im Land der Mitte sind nämlich seit vergangenem Jahr zu Regierungskonsultationen aufgewertet worden Das unterstreicht die besondere Rolle, die China für die deutsche Exportwirtschaft spielt: 2011 haben China und Deutschland Waren im Wert von 144 Milliarden Euro ausgetauscht.

Aus Deutschland werden in die Volksrepublik vor allem Anlagen für den Ausbau der Industrie geliefert. Nicht zuletzt die viel gescholtene chinesische Solarindustrie bezieht ihre Fertigungsstraßen gern von hiesigen Unternehmen. Ansonsten sind auch deutsche PKW bei der aufstrebenden Mittelschicht sehr gefragt. China setzt hingegen hierzulande bisher vor allem Konsumgüter sowie Elektronik- und Metallwaren ab. Zuletzt haben allerdings in China Exporte und Industrieproduktion ihr Wachstum verlangsamt. Das könnte demnächst zu einem Rückgang der Nachfrage nach Investitionsgütern führen und damit zu Problemen für deutsche Exporteure.

Jedenfalls sind die Zeiten endgültig vorbei, in denen die Weltwirtschaft von den alten Industriestaaten bestimmt wurde. Die beiden Regierungen bekräftigen nach ihren Konsultationen, daß sie »die Rolle der G20 als Hauptforum der internationalen Wirtschafts- und Finanzkooperationen« stärken wollen. In der Gruppe der 20 größten Staaten, treffen sich seit einigen Jahren die alten Industrienationen mit aufstrebenden Schwellenländern wie Argentinien, Brasilien, China, Indien und Südafrika, um ihre Wirtschaftspolitik zu koordinieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß beide Seiten vereinbarten, im Handel miteinander verstärkt Euro und die chinesische Währung Renminbi einzusetzen.

Etwas quengelig reagierten Vertreter der hiesigen Solarbranche auf das Ergebnis der Merkel-Reise. Sie hatten sich erhofft, die Kanzlerin würde mehr Druck gegen die chinesische Konkurrenz machen. Statt dessen forderte sie zwar mehr Transparenz bei den Produktionskosten in China. Zugleich bekräftigten die beiden Regierungen aber eine Abmachung, die im Rahmen der G20 im Juni im mexikanischen Los Cabosgetroffen worden war. Demnach verpflichten sich die Beteiligten angesichts der Weltwirtschaftskrise »bis Ende 2014 keine Maßnahmen zu ergreifen, die Handel und Investitionen beeinträchtigen und bereits ergriffene protektionistische Maßnahmen zurückzunehmen«, wie es in dem gemeinsamen Kommuniqué heißt.

Bei EU ProSun, einer Initiative von rund 20 europäischen Solarmodulherstellern, hatte man sich offenbar mehr erhofft. Im Juli hatte diese bei der EU-Kommission gegen China eine Anti-Dumping-Beschwerde eingereicht: Die Volksrepublik unterstütze ihre Hersteller durch günstige Kredite und andere Subventionen. In der europäischen Agrarpolitik ist das übrigens eine gängige Praxis, mit der regionale Märkte vor allem in Westafrika zerstört und die Existenzen von Kleinbauern vernichtet werden.

Die Kanzlerin hat das Thema jedenfalls nur kurz angerissen. Gegen das grundsätzliche Problem ließe sich wohl auch nur etwas mit Einfuhrbeschränkungen und Strafzöllen machen – Maßnahmen, die nach den Regeln der Welthandelsorganisation verboten sind und unweigerlich zu heftigen Verwerfungen im Warenaustausch zwischen der EU und China führen würden. Ursache der Schwemme billiger Solarmodule ist Überproduktion. In den vergangenen Jahren sind erheblich mehr Kapazitäten entstanden, als es bisher an Nachfrage gibt. Die Versuche der Bundesregierung, den hiesigen Ausbau deutlich zu drosseln, könnten die Lage in den nächsten Monaten zusätzlich verschärfen, weil die Schere zwischen Nachfrage und Angebot dadurch noch weiter auseinander klafft. Ansonsten zeichnet sich schon ab, daß in den nächsten Jahren Ostasien, vor allem China und Japan zum weltweit wichtigsten Markt für Solaranlagen werden. Die deutschen Firmen tun sich also kaum einen Gefallen damit, wenn sie die Konfrontation mit der chinesischen Regierung suchen.

Derweil betonte Chinas Premierminister Wen Jiabao beim Gespräch mit der Kanzlerin die Kontinuität in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Der Wechsel in der chinesischen Führung, der im Herbst auf dem Parteitag der KP eingeläutet werden soll, werde daran nichts ändern. Sowohl Wen als auch Partei- und Staatschef Hu Jintao werden in den nächsten Monaten nach zehn Jahren im Amt abtreten und den Weg für die nächste Generation frei machen. Auf dem Parteitag wird ein neuer KP-Vorsitzender gewählt, der im Frühjahr Hu als Parteichef und auch als Präsident ablösen wird. Bei der Gelegenheit wird außerdem ein neuer Premierminister bestimmt.

* Aus: junge Welt, Montag, 03. September 2012


Zurück zur China-Seite

Zur Seite "Deutsche Außenpolitik"

Zurück zur Homepage