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Lula verhandelt in Peking

Brasilianischer Präsident zu Staatsbesuch in China

Von Andreas Knobloch, São Paulo *

Am Montag startete der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu einem dreitägigen Staatsbesuch in China. Dieser soll vor allem die strategische Partnerschaft beider Länder als zukünftige Schwergewichte der neuen globalen Weltordnung konsolidieren. Lula wird begleitet von rund 200 brasilianischen Unternehmern und verschiedenen Ministern. Der Fokus der Reise ist damit klar: Es geht vor allem um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Es ist der zweite offizielle Besuch Lulas in China, und der Zeitpunkt könnte kaum besser gewählt sein: Erst im letzten Monat hatte China zum ersten Mal die USA als wichtigsten Handelspartner Brasiliens abgelöst.

Lula will seinen chinesischen Amtskollegen Hu Jintao davon überzeugen, den US-Dollar als Zahlungsmittel im bilateralen Handel zu minimieren und damit die Abhängigkeit von den USA zu verringern. Brasilien hat diesen Punkt zu einem der Eckpfeiler seiner Außenwirtschaftsbeziehungen gemacht und ein solches Abkommen bereits mit Argentinien geschlossen. Mit anderen südamerikanischen Staaten wie Uruguay und Kolumbien laufen Verhandlungen. »Wir brauchen den Dollar nicht. Wieso nutzen zwei wichtige Länder wie China und Brasilien den Dollar als Referenzwährung und nicht ihre eigenen Währungen? Das ist absurd, genauso wie einem einzigen Land die Macht zu geben, dieses Geld zu drucken. Wir sollten der chinesischen und der brasilianischen Währung mehr Wert geben«, wurde Lula in der vergangenen Woche in chinesischen Medien zitiert.

China und Brasilien sind nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet stabile Verbündete, sondern arbeiten auch in den multilateralen Organisationen eng zusammen. So forderten sowohl Lula als auch Hu Jintao auf dem letzten Treffen der G20 in London eine Reform der internationalen Finanzorganisationen wie Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank. Bei der Reform des UN-Sicherheitsrates bestünden jedoch unterschiedliche Auffassungen, da China wegen regionaler Fragen dort andere Interessen habe, so brasilianische Regierungsquellen. Brasilien fordert seit längerem gemeinsam mit Japan und Deutschland eine Reform des UN-Sicherheitsrates und strebt einen ständigen Sitz als Repräsentant Lateinamerikas an.

Geplant ist in Peking die Unterzeichnung eines Aktionsplanes für die Zusammenarbeit Chinas und Brasiliens zwischen 2010 und 2014 zur Stärkung der Kooperation in Technologie und Raumfahrt sowie zur Stimulierung von Handel und Investitionen.

Auch wenn die brasilianische Regierung sich offiziell zurückhaltend äußert, dürfte eine Schlüsselvereinbarung für den staatlichen Energiekonzern Petrobras von vitalem Interesse für Brasilien sein. Lula möchte, daß die chinesische Entwicklungsbank zehn Milliarden US-Dollar in die Erschließung neuer Erdölvorkommen im sogenannten Pre-Sal investiert, einem Gebiet vor der Küste Rio de Janeiros und São Paulos, wo riesige Mengen des »schwarzen Goldes« vermutet werden. Im Gegenzug würde Brasilien China den Verkauf von 200 000 Barrel Öl täglich garantieren. Darüber hinaus wird Lula versucht sein, Chinas Präsidenten Hu Jintao von den Vorzügen Ethanols als neuer »grüner« und alternativer Energiequelle zu überzeugen.

Vor seinem Besuch in China war Lula zwei Tage in Saudi-Arabien gewesen - als erster brasilianischer Präsident überhaupt. Dabei wurden eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder vor allem in den Gebieten Öl- und Gasförderung, Bergbau, Flugzeugbau, sowie Infrastrukturprojekte und Technologietransfer vereinbart. Nach dem Besuch in China wird Lula auch noch die Türkei besuchen.

* Aus: junge Welt, 20. Mai 2009


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