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Klima der Furcht

Burundi: Bombenanschlag in Hauptstadt Bujumbura. Führer von Oppositionspartei ermordet. Mehr als 100.000 Flüchtlinge

Von Jörg Tiedjen *

Die Gewalt in Burundi nimmt kein Ende: Samstag abend wurde Zedi Feruzi, Chef der kleinen Oppositionspartei »Union für Frieden und Demokratie« (UPD), zusammen mit seinem Leibwächter auf offener Straße aus einem Auto heraus erschossen. Er befand sich zu Fuß auf dem Heimweg in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung in der Hauptstadt Bujumbura. Ein burundischer Journalist, der Feruzi interviewen wollte und bei dem Angriff verletzt wurde, sagte laut AFP aus, dass die Mörder Uniformen der Präsidialgarde getragen hätten. Seitdem halte er sich versteckt, da er um sein Leben fürchte. Andere Augenzeugen konnten seine Angaben nicht bestätigen.

Am Vorabend waren in einem Einkaufsviertel der Hauptstadt drei Sprengsätze explodiert und hatten drei Menschen in den Tod gerissen, Dutzende sollen verletzt worden sein. AFP zufolge habe die Polizei erklärt, dass die Attentäter, die entkommen konnten, vermutlich aus den Reihen der Demonstranten stammen, die seit Ende April nahezu täglich in den größeren Städten des Landes gegen den Versuch von Präsident Pierre Nkurunzizas protestieren, bei den für Ende Juni angesetzten Präsidentschaftswahlen das Mandat für eine dritte Amtszeit zu erringen. Sie kritisieren, dass dies gegen die burundische Verfassung verstoße.

Vertreter der Opposition dementierten die Vorwürfe und sprachen davon, dass die Regierung nach Vorwänden suche, die Repressionen gegen sie weiter zu verstärken. Dabei kam es immer wieder zu Todesfällen. Die Polizei soll mit scharfer Munition auf Demonstranten schießen, die ihrerseits Barrikaden errichten. Nach dem Bombenanschlag von Freitag verkündete die Opposition, zwei Tage lang auf weitere Kundgebungen zu verzichten. Statt dessen wolle sie die Verhandlungen mit der Regierung unter Leitung der UN, der Afrikanischen Union und der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) abwarten, die am Samstag in Bujumbura begannen. Angesichts des Mordes an Feruzi erklärte sie jedoch die Gespräche für beendet. Am Montag wurden die Proteste wieder aufgenommen.

Die EAC kündigte der Zeitung Iwacu zufolge an, sie werde prüfen, ob ein drittes Mandat Nkurunzizas zulässig wäre. Das burundische Verfassungsgericht hatte die erneute Kandidatur unlängst für rechtmäßig erklärt. Allerdings hatte der Vizepräsident des Gerichts berichtet, dass das Urteil durch Druck der Regierung zustande gekommen sei, und war ins Ausland geflohen. Darauf versuchten Teile des Militärs vergeblich, gegen Nkurunziza zu putschen, während er auf einem Krisengipfel im tansanischen Daressalam war. Der Anführer des Staatsstreichs befindet sich auf der Flucht, das Militär soll weiter in seiner Haltung gegenüber der Regierung gespalten sein. Die Parlamentswahlen, die für den 27. Mai vorgesehen waren, wurden auf den 5. Juni verschoben. Nkurunziza soll laut AFP am vergangenen Samstag in Bubanza im Norden des Landes e

ine Wahlkampfveranstaltung vor Tausenden seiner Anhänger abgehalten haben.

Laut Colette Braeckman vom belgischen Le Soir herrscht in Bujumbura ein Klima der Furcht, das sie an die Zeit unmittelbar vor Beginn des Völkermords im benachbarten Ruanda 1994 erinnere. Sie war damals eine von wenigen westlichen Journalisten in der dortigen Hauptstadt Kigali. Burundi besitzt eine ähnliche Geschichte und Bevölkerungsstruktur wie Ruanda. Präsident Nkurunziza hat bereits die burundische Tutsi-Minderheit für die Krise im Land verantwortlich gemacht: Angeblich wolle sie »zurück an die Macht«. Während des von 1993 bis 2005 andauernden Bürgerkriegs in Burundi war er Anführer der größten Hutu-Miliz. Die willkürliche Spaltung der Bevölkerung in »Hutu« und »Tutsi« ist eine Hinterlassenschaft aus der deutsch-belgischen Kolonialzeit.

Über 100.000 Burundier sollen mittlerweile Schutz in den Nachbarländern suchen. Während die EAC davon ausgeht, dass gegenwärtig weder Parlaments- noch Präsidentschaftswahlen abgehalten werden können, erklärte die Regierung die Situation für »zu 99,9 Prozent ruhig«. Aus einem Flüchtlingslager in Tansania wird vom Ausbruch einer Cholera-Epidemie berichtet.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 27. Mai 2015


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