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Ein Stahlwerk sorgt für schlechte Laune

Milliardenverlust in Brasilien spielte Hauptrolle auf der Aktionärsversammlung von ThyssenKrupp

Von Marcus Meier, Bochum *

Die Hauptversammlung der ThyssenKrupp AG stand im Zeichen der Kritik an Management-Fehlern beim Bau eines Stahlwerkes in Brasilien. Kein Wunder: Sie belasten die Konzern-Bilanz milliardenschwer. Kritische Aktionäre monierten Umweltbelastungen und Rüstungsdeals des Konzerns.

Den Lenkern des ThyssenKrupp-Konzerns musste die Hauptversammlung am Freitag in Bochum wie ein Stahlbad erscheinen: Milliardenschwere Verluste bei der Konzern-Tochter Steel Americas belasten die Bilanz erheblich. Der Gesamtkonzern schloss das im September 2011 zu Ende gegangene Geschäftsjahr mit einem Ergebnis von 1,78 Milliarden Euro ab - in roter Farbe. Grund dafür ist insbesondere eine Kostenexplosion bei einem Steel-Americas-Stahlwerk in Sepetiba (Brasilien). Dessen Bau wird wohl mit 5,2 statt geplanten 3,5 Milliarden Euro zu Buche schlagen.

Vorstandschef Heinrich Hiesinger versuchte, die Probleme einzuordnen: Es gebe »Anlaufschwierigkeiten« in Brasilien, teilte er den Aktionären mit. Neben den in Sepetiba entstandenen Mehrkosten und Verzögerungen nannte Hiesinger zudem Probleme bei einem US-Werk sowie Absatzschwächen in Nordamerika und Europa. Auch zwischen Oktober und Dezember 2011 werde das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern daher »deutlich unter dem Vergleichsquartal« des Vorjahres liegen. Genaue Zahlen dazu sollen Mitte Februar bekannt gegeben werden. Die Börse reagierte bereits gestern: Der Kurs der ThyssenKrupp-Aktie sank um mehrere Prozent.

Das Brasilien-Debakel nimmt der vor einem Jahr in den Aufsichtsrat verabschiedete langjährige Vorstandschef Ekkehard Schulz auf seine Kappe. Gegenüber dem »Handelsblatt« räumte er Fehler beim Bau des Werkes ein. Er habe »zu lange den falschen Leuten vertraut«, nämlich solchen, »die mir die Lage geschönt dargestellt haben«. Der Schaden wäre geringer gewesen, wenn er früher gehandelt hätte, so Schulz. Der 70-Jährige hatte deshalb unlängst seine Mandate im Aufsichtsrat sowie im Kuratorium des Hauptaktionärs Krupp-Stiftung aufgeben.

Dem Dachverband der Kritischen Aktionäre reicht Schulz‘ Rückzug nicht aus. Der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme solle ebenfalls sein Hut nehmen, sofern er nicht erklären könne, »wie es trotz seiner Aufsicht zu dem Desaster« kam, erklärte Verbandsgeschäftsführer Markus Dufner. Durch den Stahlwerksbau seien zudem Fischer und Anwohner massiv geschädigt worden, weshalb die Kritischen Aktionäre eine Entschädigung fordern. Der Staub, den das Werk ausstoße, enthalte giftige Schwermetalle. Die Fabrik belaste zudem stark das Klima.

Die Kritischen Aktionäre hielten der ThyssenKrupp-Führung außerdem Rüstungsdeals vor. »Der Konzern lässt durch sein Tochterunternehmen HDW U-Boote bauen und liefert diese in Spannungsgebiete wie Israel und Südkorea aus«, moniert Dachverbands-Vorstand Dorothea Kerschgens. Sie fordert einen Auslieferungsstopp. Auch müsse der Vorstand sich fragen lassen, warum er die zivile Schiffbausparte verkauft habe und sich künftig auf den militärischen Schiffbau konzentriere.

* Aus: neues deutschland, 21. Januar 2012

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