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Lulas Einspruch

Brasiliens Regierung setzt Ausschreibung des Belo-Monte-Projekts durch

Von Andreas Knobloch *

Das Tauziehen um das gigantische Staudammprojekt Belo Monte im brasilianischen Amazonasgebiet geht weiter. Am Freitag (16. April) hob das Bundesregionalgericht in Brasilia ( (TRF, Tribunal Regional Federal) auf Antrag der Regierung von Präsident Luíz Inácio »Lula« da Silva ein Urteil des Bundesgerichts in Altamira im Bundesstaat Pará auf. Dieses hatte die für den morgigen Dienstag (20. April) vorgesehene Ausschreibung des Wasserkraftwerkes zunächst gestoppt, was von Umweltschützern bereits als »Etappensieg« gefeiert worden war. Das Projekt betreffe direkt indigenes Land und verstoße damit gegen Artikel 176 der brasilianischen Verfassung. Eine Genehmigung bedürfe demnach einer speziellen gesetzlichen Regelung, so die Richter in Altamira. Das sah das TRF anders und machte die Entscheidung rückgängig.

»Es besteht keine unmittelbare Bedrohung für die indigenen Gemeinden, denn die Ausschreibung hat nicht unmittelbar den Bau des Staudamms zur Folge«, lautete die eigenartige Begründung von Richter Jirair Aram Meguerian. Das Vorhaben zu stoppen, würde der Wirtschaft Schaden zufügen, da Brasilien gezwungen wäre, andere Energieformen zu suchen, die »teurer und umweltschädlicher« sind. Die Entscheidung des TRF erlaubt, die Ausschreibung wie geplant am 20. April durchzuführen. Der zuständige Minister für Bergbau und Energie, Márcio Zimmermann, zeigte sich zufrieden.

Die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Umweltgruppen um Belo Monte war zuletzt von Polemik geprägt. Vor allem Präsident Lula hatte sich angesichts des Gerichtsurteils von Altamira zerknirscht gezeigt und gegen die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gewettert. »Niemand hat mehr Interesse, den Amazonas und seine indigenen Völker zu schützen, als Brasilien selbst. Zwanzig Jahre lang wurde uns im Zusammenhang mit Belo Monte alles verboten, und nun tauchen NGOs aus der ganzen Welt auf, um gegen den Damm zu protestieren. Die brauchen wir hier nicht. Wir haben das Projekt mehrfach geprüft und letzten Endes nur ein Drittel des ursprünglichen Planes umgesetzt«, meinte Lula.

Für den Bau des drittgrößten Staudamms der Welt bewerben sich zwei Konsortien, wie die Nationale Energiebehörde ANEEL bekanntgab: Norte Energía, bestehend aus neun Unternehmen und angeführt vom staatlichen Energiekonzern Eletrobrás, sowie Belo Monte Energía, gebildet aus den beiden zum Eletrobrás-Konzern gehörenden Furnas und Eletrosul und vier weiteren Firmen. Die brasilianische Entwicklungsbank BNDES soll bis zu achtzig Prozent der Projektkosten von Belo Monte übernehmen. Das Staudammprojekt ist Teil des staatlichen Infrastrukturprogramms PAC (Programa de Aceleração do Crescimento). Allein für Belo Monte sind 19 Milliarden Reales (acht Milliarden Euro) veranschlagt.

Erst im Februar hatte die brasilianische Regierung die Umweltgenehmigung erteilt und damit grünes Licht für das Staudammprojekt gegeben. Am Xingu, einem Nebenfluß des Amazonas, soll in den nächsten Jahren das Wasserkraftwerk entstehen. Vor allem Indigena-Vertreter und Umweltgruppen protestieren dagegen. Durch den Staudamm würde ein Gebiet von 414 Quadratkilometern geflutet werden; 20000 Menschen müßten umgesiedelt werden, darunter viele indigene Gemeinden. Die Aufstauung des Xingu verändert zudem deren Möglichkeiten des Fischfangs und Transports.

Die brasilianische Regierung dagegen verteidigt das Projekt. Es sei unerläßlich für den Ausbau erneuerbarer Energie im Land und soll bis 2014 sechs Prozent des Strombedarfs decken.

* Aus: junge Welt, 19. April 2010


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