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Planungsstopp für Staudammprojekt

Urteil: Indigenes Land nicht bebauen

Von Andreas Knobloch *

Überraschende Wende im Fall Belo Monte: Ein Gericht in Altamira im brasilianischen Bundesstaat Pará stoppte die für nächsten Dienstag vorgesehene Ausschreibung des Wasserkraftwerkes, da das Projekt direkt indigenes Land betreffe.

Richter Antonio Carlos Almeida Campelo erließ die einstweilige Verfügung im Vorgriff auf zwei anhängige Zivilprozesse zum Staudammprojekt in Pará. »Es besteht die Gefahr eines nicht wieder gutzumachenden Schadens«, begründete er seine Entscheidung. Das Projekt werde »Energie aus Wasserkraft in Gebieten ausbeuten, in denen indigene Menschen durch den Bau und Projektentwicklung direkt betroffen sind«. Dies verstoße gegen die brasilianische Verfassung. Zudem setzte das Gericht eine Geldbuße von einer Million Reales (417 000 Euro) gegen das Brasilianische Institut für Umwelt und Erneuerbare Natürlichen Ressourcen und die Nationale Agentur für Elektrische Energie fest, für den Fall der Nichtbeachtung des Urteils.

Der Minister für Bergbau und Energie, Márcio Zimmermann, äußerte am Donnerstag allerdings die Erwartung, dass die Gerichtsentscheidung aufgehoben werde. Die Regierung habe die Generalstaatsanwaltschaft beauftragt, gegen das Urteil vorzugehen. In einer ersten Stellungnahme dementierte zudem Generalanwalt Luís Inácio Adams, dass der Staudamm auf indigenem Land errichtet werde. Auch wenn der Fluss Xingu durch indigenes Land fließe, hieße das nicht automatisch, dass das Wasserkraftwerk auf indigenem Land errichtet werde, so Adams. Eine Entscheidung des Bundesregionalgerichts in Brasilia soll in den nächsten Tagen fallen, was es erlaube, die Ausschreibung wie geplant am 20. April durchzuführen.

Erwartet wird, dass sich zwei Konsortien um den Bau bewerben werden. Deren Namen sollen aber erst nach einer eventuellen Aufhebung des Urteils veröffentlicht werden. Allerdings wird die Entwicklungsbank BNDES ohnehin voraussichtlich siebzig Prozent der Projektkosten von Belo Monte übernehmen. Das Projekt ist Teil des riesigen staatlichen Infrastrukturprogramms PAC. Das Projektvolumen wird von der Regierung mit 19 Milliarden Reales (acht Milliarden Euro) veranschlagt.

Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zeigte sich zerknirscht und wetterte gegen Nichtregierungsorganisationen (NGO): »Niemand hat mehr Interesse, den Amazonas und seine indigenen Völker zu schützen, als Brasilien selbst.« Man habe das Projekt mehrfach geprüft und aufgrund der vielen Einwände von NGO werde ohnehin nur ein Drittel des ursprünglichen Projekts umgesetzt, so Lula.

Erst im Februar hatte die brasilianische Regierung die Umweltgenehmigung erteilt und damit grünes Licht für das Staudammprojekt gegeben. Am Xingu, einem Nebenfluss des Amazonas, soll in den nächsten Jahren das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt entstehen. Nun ist aber erst mal ein Realisierungsstopp angesagt.

* Aus: Neues Deutschland, 17. April 2010


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