Gastransport über 5.000 Kilometer
Venezuela-Brasilien: Lateinamerika-Pipeline soll zunächst in kleiner Variante gebaut werden
Von Jürgen Vogt *
Venezuela besitzt die größten Gasvorkommen Südamerikas. Brasilien möchte einen Teil davon
abbekommen – über eine neue Pipeline.
»Brasilien kann sich beruhigen. Alles Gas, das es braucht, gibt es in Venezuela.« Hugo Chávez will
den fossilen Brensstoff geben, den Luiz Inácio Lula Da Silva gerne hätte. Dieser Tage
unterzeichneten die Präsidenten von Venezuela und Brasilien eine neue Vereinbarung über den Bau
der »Pipeline des Südens«. Danach soll bereits Ende 2013 Erdgas aus den Feldern am
venezolanischen Golf von Paria nach Recife im Nordosten Brasiliens geleitet werden. Für die
konkrete Umsetzung des Vorhabens erhielten die Staatskonzerne Petrobras und PdVSA den
Zuschlag.
Ursprünglich hatten Brasilien, Venezuela und auch Argentinien im Januar 2006 den Bau der Pipeline
beschlossen. Das »Große Gasodukt des Südens« soll mit einer Länge von 10 000 Kilometer von
Venezuela über Brasilien, Bolivien und Paraguay bis nach Argentinien führen. Das Mega-Projekt, es
wäre die längste Pipeline der Welt, ist zwar nicht vom Tisch, aber ein konkreter Fahrplan dafür
wurde nie vereinbart. Die Kosten werden auf gut 23 Milliarden Dollar veranschlagt. Nach den
Vorstellungen der Planer könnte sie nach acht Jahren Bauzeit 2017 fertig sein und dann täglich 150
Millionen Kubikmeter Gas transportieren.
Mit der Vereinbarung zwischen Venezuela und Brasilien wird das Projekt auf 5000 Kilometer
halbiert. Schätzungen beziffern die Kosten auf rund 12 Milliarden Dollar. Die beiden Länder wollen
umgehend mit einer Machbarkeitsstudie beginnen, die bis Dezember 2008 abgeschlossen sein soll.
»In vier Jahre kann der erste Abschnitt fertig sein«, so Venezuelas Energieminister Rafael Ramirez.
Die Pipeline stößt indes auf viel Kritik und Skepsis. Dies betrifft die technische Umsetzung und die
wirtschaftliche Rentabilität. Experten zufolge werden die Transportkosten durch die schiere Länge
der Pipeline viel zu hoch ausfallen. Hugo Chávez kommentierte diesen Hinweis bei einem früheren
Treffen mit seinen Amtskollegen in São Paulo: »Wenn Venezuelas Motivation nur aus
wirtschaftlichen Interessen bestehen würde, würden wir in Washington darüber diskutieren.« Für den
Präsidenten sind die Öl- und Gasvorkommen seines Landes Teil der »neuen Streitkräfte zur
Befreiung« von der Abhängigkeit lateinamerikanischer Länder beim Energiebedarf. Das Projekt sei
das »Rückgrat« der südamerikanischen Integration in diesem Sektor, genannt »Petrosur«.
Brasiliens Motivation ist indes bescheidener. Der Norden des Landes soll mit Gas aus Venezuela,
der Süden mit Gas aus Bolivien versorgt werden. Bisher wurden mehrere Trassenführungen
diskutiert, aber alle führen durch das ökologisch sensible Amazonasgebiet. Vehemente Kritik kommt
deshalb auch von Umweltverbänden. Nach ihrer Ansicht wäre der Pipeline-Bau der endgültige
Schritt zur Zerstörung der Amazonasregion an der Karibik- und Atlantikküste. Zudem wäre eines der
größten Süßwasserreservoirs der Erde ständig gefährdet.
José Sérgio Gabrielli, Präsident des brasilianischen Ölkonzerns Petrobras, lässt deshalb eine
Hintertür offen. Die Machbarkeitsstudie soll nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern auch die
ökologischen Auswirkungen des Projektes untersuchen. »Wir können am Ende immer noch Abstand
von dem Vorhaben nehmen.«
* Aus: Neues Deutschland, 5. Februar 2007
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