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Ausgetrocknet und abgestorben

Studie: Klimawandel im Regenwald bringt für Amazonien Jahrhundertdürren

Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro *

Im vergangenen Jahr erlebte das Amazonasbecken die zweite Jahrhundertdürre binnen eines Jahrzehnts. Brasilianische und britische Wissenschaftler fürchten nun, dass dies den Klimawandel weiter anheizt und das größte Regenwaldgebiet der Erde in einen Teufelskreis gerät. Sollten sich die Extremdürren fortsetzen, werde die Amazonasregion von einer Kohlenstoffsenke zu einem der größten Treibhausgasproduzenten.

Bereits 2005 erlebte das Amazonasbecken eine so starke Trockenheit, dass Wissenschaftler von der schlimmsten Dürre seit 100 Jahren sprachen. 1,9 Millionen Quadratkilometer, rund 37 Prozent der gesamten Region, litten damals unter Niederschlagsmangel. Zahlreiche Flüsse trockneten aus, Millionen von Fischen starben. Tausende von Amazonasbewohnern waren von der Außenwelt abgeschnitten, da die Flüsse ihre einzigen Transportwege sind. Im vergangenen Jahr fiel die »Jahrhundertdürre« nun sogar noch dramatischer aus. Diesmal war über die Hälfte von Amazonien vom Regenmangel betroffen, wie ein Forscherteam um Simon Lewis von der Universität von Leeds und Paulo Brando vom Amazonas-Forschungsinstitut IPAM Manaus im Fachjournal »Science« (Bd. 331, S. 554) berichten.

»Das Auftreten von zwei Ereignissen dieser Größenordnung in einem so kurzen Intervall ist extrem ungewöhnlich. Unglücklicherweise stimmt das aber mit den Klimamodellen überein, die Amazonien eine düstere Zukunft vorhersagen«, kommentiert Studienleiter Lewis. Und sein brasilianischer Kollege Brando erwartet, dass Amazonien von einem Kohlenstoffspeicher zu einer Hauptquelle von Treibhausgasen werde, wenn sich solche Extremereignisse häufen.

Wie das? Während eines »normalen« Jahres absorbieren die Regenwälder der Region etwa 1,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2). Die Dürren jedoch haben viele Bäume selbst in Urwaldgebieten absterben lassen, die jetzt verrotteten und große Mengen an CO2 freisetzten, so die Studie. Insgesamt werde die abgestorbene Pflanzenmasse in den kommenden Jahrzehnten rund fünf Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre abgeben, was fast so viel sei wie der gesamte Kohlendioxidausstoß durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe der USA im Jahr 2009. Die durch die beiden Dürren verursachten Treibhausgasemissionen reichten aus, um den Kohlenstoffspeichereffekt der riesigen Regenwaldregion während der vergangen zehn Jahre zu annullieren.

Amazonien laufe schließlich Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten, denn in den Klimamodellen sei die globale Erwärmung mit vermehrten und länger andauernden Dürren in diesem Gebiet verbunden. »Wenn die Menschheit weiter Treibhausgase emittiert, spielt sie Russisches Roulette mit dem größten Tropenwald der Erde«, warnt Forscher Simon Lewis.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Februar 2011


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