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Asylpolitik prägt Australiens Wahlkampf

Regierung und Opposition gleichermaßen auf Repressionskurs gegen Bootsflüchtlinge

Von Thomas Berger *

Nach geringfügigen Verbesserungen in den letzten drei Jahren nimmt Australiens Asylpolitik wieder stärker repressive Züge an. Die neue Premierministerin Julia Gillard will jetzt ein Auffanglager im nördlichen Nachbarland Osttimor einrichten lassen, wo der Vorstoß auf unterschiedliches Echo gestoßen ist.

Regierungschef Xanana Gusmao kann sich ein Lager auf timoresischem Boden prinzipiell vorstellen, Präsident Jose Ramos-Horta, mit dem Julia Gillard die Frage offiziell erörtert hat, ebenso. Wichtig sei lediglich, dass die Insassen des »Bearbeitungszentrums«, wie das Internierungslager euphemistisch genannt wird, nicht dauerhaft im Land verbleiben. Doch nicht alle sind so offen für den Vorschlag. Vorerst ranghöchster Bedenkenträger ist Gusmaos Stellvertreter Jose Luis Guterres. Er machte vor der Presse deutlich, dass Australien doch über genügend Mittel verfüge, um sein Flüchtlingsproblem selbst zu lösen. Wenn es schon darum gehe, die Flucht unattraktiv zu machen, wie Gillard noch einmal betont hatte, solle man doch in den Herkunftsländern der Asylsuchenden Hilfe leisten.

Der jüngste umstrittene Vorstoß in Sachen Flüchtlingspolitik hat einen eindeutigen Hintergrund: Die regierende Labor Party will mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern, dass die Opposition von dem Thema im Wahlkampf profitiert, rücken die Konservativen den Sozialdemokraten in Umfragen doch immer näher. Und die Liberal Party, die unter dem neuen Chef Tony Abbott eine erstaunliche Wiedergeburt nach der Wahlniederlage 2007 erlebte, reitet schon wieder auf dem Roß der Ressentiments gegen Ausländer.

In Down Under hat das eine unrühmliche Tradition. Eine große Bevölkerungsmehrheit befürwortet eine repressive Asylpolitik. Auch deshalb konnte Ex-Premier John Howard in seiner langen Regierungszeit so viele international umstrittene Entscheidungen auf diesem Sektor treffen. Die massive Kritik von Menschenrechtlern und sogar aus höchsten UN-Kreisen juckte ihn nicht, solange er die Masse der Australier hinter sich wusste. Schon er aber musste zuletzt zurückrudern, und nach dem Machtwechsel führte die neue Labor-Administration unter Kevin Rudd dann auch einige Verbesserungen ein.

Vor allem das als besonders menschenunwürdig geltende Internierungslager auf der kleinen Inselrepublik Nauru gehört nunmehr der Geschichte an. Das aber muss nicht so bleiben. Die Konservativen haben offen angekündigt, im Falle eines Wahlsieges die sogenannte pazifische Lösung reaktivieren zu wollen. Der harmlos klingende Begriff umschreibt die damalige Praxis unter Howard, das Asylverfahren für Bootsflüchtlinge erst gar nicht auf australischem Boden stattfinden zu lassen, sondern sie für diese Zeit ins nahe Ausland zu verfrachten.

Der Vorstoß von Regierungschefin Gillard deutet zumindest in eine ähnliche Richtung. Sie bemüht sich allerdings, das menschenfreundlich zu kaschieren. Angeblich gehe es unter anderem um eine Entlastung des bereits existierenden Camps auf den Christmas Islands. Das ist in der Tat überfüllt, die Sprengung der Kapazitätsgrenzen macht sich zunehmend in Zuständen bemerkbar, die früheren heftig kritisieren Fällen in Internierungslagern nicht mehr viel nachstehen. Dass sie angekündigt hat, für Flüchtlinge aus Sri Lanka würden die Asylanträge wieder bearbeitet, ist kein wirklich progressiver Schritt. Gillard hat lediglich dem Druck nachgegeben und ist zum Status quo zurückgekehrt -- noch unter ihrem Vorgänger Rudd war verfügt worden, dass Zufluchtsuchende aus Afghanistan und Sri Lanka vorerst kein Bleiberecht erhalten sollen. Schon diese Entscheidung hatte in Menschenrechtlerkreisen für massive Kritik gesorgt.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juli 2010


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