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Kampf ums Wasser

Energieproduktion oder Landwirtschaft? Die zentralasiatischen Staaten kämpfen um die Aufteilung der knappen Ressourcen der Region

Von Tomasz Konicz *

Die Konflikte um den Zugang zu Energie und Wasser gewinnen in Zentralasien an Schärfe. Am vergangenen Donnerstag (26. Feb.) zog sich Kasachstan aus dem zentral­asiatischen Stromnetz zurück, da das ebenfalls an diesen Energieverbund teilnehmende Tadschikistan viel mehr Elektrizität verbraucht haben soll, als der tadschikische Elektrizitätsversorger ins gemeinsame Stomnetznetz eingespeiste. Dieser Schritt Kasachstans führte wiederum zu enormen Stromausfällen in Kirgisien, wo in weiten Teilen des Landes -- inklusive der Hauptstadt Bischkek -- der Zugang zu Elektrizität rationiert werden mußte. In Tadschikistan nimmt die Energiekrise bereits katastrophale Züge an. Der Zugang zur Elektrizität ist in der Hauptstadt Duschanbe auf elf Stunden pro Tag begrenzt, während in der Provinz die Bevölkerung nur noch vier Stunden täglich Strom nutzen kann. In ganzen Regionen fließt überhaupt kein Strom mehr.

Die gesamte energetische Infrastruktur haben die jungen zentralasiatischen Staaten von der Sowjetunion geerbt. Das Stromnetz ist auf eine gemeinsame, kooperative und grenzüberschreitende Nutzung ausgerichtet und inzwischen -- durch mangelnde Investitionstätigkeit -- höchst marode. Die jahrelangen, eifersüchtigen Streitereien zwischen den Staaten Zentralasiens verhindern einen rationellen Umgang mit den energetischen Ressourcen der Region. Zwar einigte sich im Oktober Tadschikistan mit Turkmenistan über eine Lieferung von 1,2 Milliarden Kilowattstunden, jedoch scheiterte dieses Vorhaben am Veto Usbekistans, über dessen Stromnetz die Energielieferungen zu erfolgen hätten.

Die Fronten in diesem Machtkampf um Energie und Ressourcen verlaufen zwischen den verarmten, aber wasserreichen Staaten Tadschikistan und Kirgisien sowie Usbekistan, Turkmenistan und Kasachstan. In Bischkek und Duschanbe ist man bemüht, die Energiekrise durch den Aufbau eines umfassenden Systems von Wasserkraftwerken zu lösen. Das Potential beider Länder ist so groß, daß sie sogar zu Elektrizitätsexporteuren avancieren könnten. Kirgisien bemüht sich um die Fertigstellung eines Wasserkraftwerks auf dem Naryn-Fluß, das auch China und Rußland mit Strom versorgen könnte. Bislang nutzt das kleine, zentralasiatische Land nur zehn Prozent seiner hydroelektrischen Resourcen. Ein gigantisches Projekt hat auch Tadschikistan in Angriff genommen, wo mit dem Rogun-Staudamm die mit 355 Metern höchste Talsperre der Welt entstehen soll. Das geplante Wasserkraftwerk könnte pro Jahr bis zu 13,3 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen und somit weite Teile Zentralasiens mit Strom beliefern.

Doch die Flüsse, auf denen diese kirgisischen und tadschikischen Projekte realisiert werden sollen, münden in den Amu-Darja und Syr-Darja. Beide Ströme bilden wiederum das wichtigste Wasserreservoir für die Landwirtschaft Turkmenistans, Kasachstans und vor allem Usbekistans. Inzwischen wird den Flüssen so viel Wasser entnommen, daß sie den beständig schrumpfenden Aralsee, in dem sie einstmals mündeten, kaum noch erreichen. Vor allem Usbekistan befürchtet, daß Tadschikistan bei Fertigstellung seines Rogun-Staudamms auf der Wachsch den Wasserfluß des Amu-Darja verringern wird, um das Staubecken zu füllen.In Taschkent grassiert die Horrorvision, daß der Amu-Darja dann zuwenig Wasser mitführen wird, um die ausgedehnten usbekischen Baumwollfelder bewässern zu können. Nahezu 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Usbekistans werden für den wasserintensiven Baumwollanbau verwendet.

Als ein entscheidender Faktor in diesem zentralasiatischen Kräftemessen gilt aber Rußland. Weder Tadschikistan noch Kirgisien sind in der Lage, ihre ambitionierten hydroelektrischen Projekte in eigener Regie abzuschließen. Von den umfangreichen Kreditzusagen, mit denen der Kreml beispielsweise Kirgisien zur Aufkündigung des Pachtvertrags für die US-Militärbasis im Land bewegte, sind 1,7 Milliarden US-Dollar für Staudämme und Wasserkraftwerke vorgesehen. Die Arbeiten an der tadschikischen Rogun-Talsperre kommen hingegen kaum voran, da die sie immer wieder durch Differenzen zwischen Moskau und Duschanbe unterbrochen wurden. Strittig waren unter anderem die Eigentumsverhältnisse an der Staudammgesellschaft. Nachdem 2004 die russisch-tadschikische Zusammenarbeit an diesem Projekt eingestellt wurde, rafften sich beide Seiten im vergangenen August erneut zusammen, um das Projekt fortzusetzen.

Eine erneute Kehrtwende vollführte der Kreml Ende Januar, als der russische Präsident Dimitri Medwedew anläßlich eines Staatsbesuchs in Usbekistan erklärte, bei der Realisierung der in der Region geplanten Wasserkraftwerke müßten die »Bedenken aller Nachbarstaaten« berücksichtig werden. Moskau mußte im Streit zwischen Usbekistan und Tadschikistan Position beziehen, und der Kreml entschied sich fürs Erdgas: Der usbekische Autokrat Islam Kamirow erklärte im Gegenzug, die gesamte Erdgasproduktion Usbekistans von 16 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2009 an Rußland zu verkaufen. Moskau hofft offenbar, mit diesem Schachzug dem Expansionsstreben des Westens in dieser rohstoffreichen Re­gion entgegenwirken zu können.

In Duschanbe läuteten daraufhin die Alarmglocken. Der tadschikische Präsident Emomali Rachmon sagte mehrere Treffen mit seinem russischen Amtskollegen während eines regionalen Gipfeltreffens Anfang Februar ab. Überdies signalisierte Tadschikistan plötzlich die Bereitschaft zu einer engen sicherheitspolitischen Kooperation mit den USA. Zuvor war eine Entspannung in den Beziehungen zwischen dem Kreml und Duschanbe im Zuge des Moskau-Besuchs von Rachmon vom 24. Februar erwartet worden. Obwohl laut offizieller Presseerklärung des Kreml die Gesprächspartner darin übereinkamen, die »gemeinsame Arbeit« auch auf dem Feld der »Energiekooperation« fortzuführen, scheint der Besuch keine konkreten Ergebnisse gezeitigt zu haben -- am 25. Februar beschloß das tadschikische Parlament, jegliche Privatisierung der staatlichen Wasserkraftwerke oder des Talco-Aluminiumwerks zu untersagen. Auf eben diese Objekte hat Moskau ein Auge geworfen.

* Aus: junge Welt, 2. März 2009


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