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Leeres Faß Zentralasien

Trotz Hitzerekord und Trockenheit: Keine Einigung zwischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion in der Region über Wasserressourcen

Von Tomasz Konicz *

Es war eine mörderische Hitze, die Anfang des Monats in weiten Teilen Zentralasiens herrschte. Zwischen den 1. und 3. August wurden beispielsweise in Teilen Turkmenistans Höchsttemperaturen von bis zu 47,5 Grad Celsius gemessen, und während der Nächte fiel das Quecksilber auf gerade mal 34 Grad. Diese alles versengende Hitzewelle bildete den bisherigen Höhepunkt eines besonders trockenen Sommers, der die latente Wasserkrise in vielen Gebieten dieser Region voll ausbrechen lassen wird.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion (1991) konnten sich deren zentralasiatische Nachfolgestaaten bis heute nicht auf ein verbindliches und effektives System der Wasserverteilung einigen. Die wichtigsten Wasserressourcen der Region stellen die beiden Flüsse Amudarja und Syrdarja dar, die gut 90 Prozent des in der Region verfügbaren Oberflächenwassers bereitstellen. Der Amudarja entspringt in Tadschikistan, während der Syrdarja im kirgisischen Teil des Hochgebirges Tienschan seine Quelle hat. Beide Ströme fließen durch Usbekistan, Kasachstan und Turkemnistan, bevor ihre letzten Rinnsale in die kläglichen Überreste des früher riesigen Aralsees münden.

Trinkwasser verheizt

Das sowjetische System der Wasserbewirtschaftung sah vor, daß Tadschikistan und Kirgisien während des Winters große Reserven in Staudämmen aufbauen, die dann im Sommer zur Bewässerung der Landwirtschaft Usbekistans, Kasachstans und Turkmenistans eingesetzt werden. Allein die riesigen Baumwollfelder Usbekistans verbrauchen gut die Hälfte des Wasser in der Region. Diese ehemals sowjetische hydrologische Infrastruktur findet sich nun fragmentiert auf dem Territorium souveräner Staaten wieder. Dabei kontrollieren mit Tadschikistan und Kirgisien arme Länder die Wasserversorgung der Region, Länder, die über keine nennenswerten Vorkommen an Energieträgern verfügen. Beide Staaten sind nicht in der Lage, ihr zusehends dem Verfall ausgesetztes System der Wasserbewirtschaftung aufrechtzuerhalten. Auch tendieren Tadschikistan und Kirgisien logischerweise dazu, ihren relativen Wasserreichtum als Verhandlungsmasse einzusetzen.

Die chronische Unterfinanzierung der Wasserwirtschaft wurde im vergangenen, besonders harten Winter sichtbar, als Tadschikistan einen großen Teil der Wasserreserven zur Stromgewinnung einsetzen mußte, die dort nahezu ausschließlich über Wasserkraftwerke erfolgt. Folglich lagen die Reserven 35 Prozent unter den sonst üblichen Mengen. Dabei nutzt das gebirgige Land gerade mal fünf Prozent der potentiellen Energie aus Wasserkraft. Der Aufbau eines umfassenden Systems aus Staudämmen und Wasserkraftwerken würde die Energieprobleme der Region mindern und zugleich die Möglichkeiten der Wasserversbewirtschaftung immens steigern. Nach Schätzungen von Umweltgruppen versickern derzeit zwischen 50 und 90 Prozent des wertvollen Nasses in den maroden Bewässerungssystemen der Region ungenutzt.

Die Folgen der Fragmentierung und Unterfinanzierung - potenziert durch die Dürre dieses Sommers - können nun beispielsweise in Usbekistan besichtigt werden. Laut der UNESCO befinden sich 87 Prozent des Territoriums dieses zentralasiatischen Staaates im Zustand »schweren Wassermangels«. Selbst in der Hauptstadt Taschkent bleiben die Wasserleitungen immer öfter trocken. »Die Menschen müssen dann an Regierungsgebäuden oder Restaurants um einen Eimer kaltes Wasser bitten«, berichteten Einwohner gegenüber dem britischen Guardian. Zudem weigert sich Tadschikistan, das selber aufgrund seiner maroden Infrastruktur unter Wasserknappheit leidet, das Wasser seiner Stauseen in die Flüsse abzuleiten. Damit hofft man in der Hauptstadt Duschanbe, dessen Bewohner selbst kaum Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, genügend Wasserkraft für die Stromgewinnung im nächsten Winter zu horten.

Keine Einigung in Sicht

Die bisherigen Vorstöße Tadschikistans und Kirgisiens, ihre rohstoffreichen Nachbarn zur Kofinanzierung eines Ausbaus der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur zu bewegen, scheiterten. Ähnlich ablehnend reagierte Usbekistan und Turkmenien auf alle Versuche der anderen beiden Länder, ein Gebührensystem für die Wasserzufuhr einzurichten.

Dennoch startete man bei einer »Wasserkonferenz« an 27. und 28. Juli in Duschanbe einen neuen Anlauf, sich doch noch auf ein überregionales System der Wasserversorgung zu einigen. Der tadschikische Präsident Imomali Rachmon schlug die Bildung eines zentralasiatischen Wasserkonsortiums vor, das sich der Erhaltung der bestehenden Wasserreserven - wie des tadschikischen Saressees - widmen und den Ausbau der hydroelektrischen Kapazitäten in der Region angehen sollte. Trotz der offensichtlichen Krise begrüßte nur Kirgisien die Initiative Rachmons uneingeschränkt. Kasachstan machte nur unverbindliche Zusagen zur finanziellen Beteiligung an der Modernisierung Kirgisiens und Tadschikistans, während die usbekische Delegation die Initiative rundweg ablehnte. Die Führung in Taschkent ist offensichtlich besorgt, durch die Realisierung dieser Pläne in der Region an Einfluß zu verlieren.

* Aus: junge Welt, 11. August 2008


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