Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ilham Alijew ohne ernste Konkurrenz

Präsidentschaftswahlen in Aserbaidshan

Von Irina Wolkowa und Vougar Aslanov, Baku *

Sieben Kandidaten hat Aserbaidshans Wahlkommission für die Präsidentschaftswahlen am heutigen Mittwoch (15. Okt.) registriert. Dass Ilham Alijew, der Amtsinhaber, für weitere fünf Jahre bestätigt wird, gilt indes als sicher. Illusionen machen sich nicht einmal dessen Herausforderer. Nur erklären Regierungslager und Opposition die Gründe dafür höchst unterschiedlich.

Die meisten Oppositionsparteien - darunter auch die traditionsreiche Musawat (Gleichheit), die schon vor der Oktoberrevolution aktiv war - beschlossen bereits im Mai den Boykott der Abstimmung. Mit einem entsprechenden Aufruf hatte sich kurz zuvor auch Azadlik (Freiheit), ein loses Bündnis mehrerer kleiner Parteien, an die Öffentlichkeit gewandt und dies mit unfairem Wahlkampf, Verfolgung von Regimekritikern, Behinderung kritischer Journalisten, hohen administrativen Hürden und leeren Kassen begründet. Bemängelt wurde zudem, dass die Opposition in den Wahlkommissionen unzureichend vertreten ist.

Auch im Fernsehen kommt die Opposition, wenn überhaupt, nur in Halbsätzen und in negativem Kontext vor. Denn für Erfolge ist ausschließlich Ilham Alijew zuständig. Der würde das Rennen übrigens auch bei absolut fairen Wahlen mit großem Vorsprung gewinnen. Dabei hegte die Nation im Jahre 2003, als der inzwischen verstorbene Präsident Haydar Alijew seinen Sohn Ilham zum Premierminister und damit zum Kronprinzen ernannte, erhebliche Zweifel daran, dass der damals 42-jährige Erdölfachmann dem Amt überhaupt gewachsen ist. Bei den Parlamentswahlen im Herbst 2005 probte die Opposition, von Alijew senior stets an der kurzen Leine geführt, daher den Aufstand gegen den Sohn. Dieser indes ließ zunächst Proteste wegen Wahlfälschung und kurz darauf auch eine Palastrevolution mit einiger Härte niederschlagen. Zugleich legte er ein Reformprogramm auf, das mit inzwischen üppig sprudelnden Erdöldollars finanziert wird.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Aserbaidshan ist eine große Baustelle, die Wirtschaft schreibt zweistellige Zuwachsraten und die Reallöhne haben sich ebenfalls spürbar erhöht. Dazu kommt eine neutrale Außenpolitik: Aserbaidshan bemüht sich um gleichen Abstand zu Moskau und Washington. Sogar das schwierige Verhältnis zu Iran, mit dem Baku wegen Öl- und Gasfeldern in der Kaspi-See und der Diskriminierung der Aseri-Minderheit im iranischen Nordwesten seit Jahren über Kreuz liegt, hat sich entspannt.

Die Opposition ist daher zu einer Randgröße verkommen und muss sich sogar von ihr nahe stehenden Beobachtern wie Ilgar Mammadow »Talentlosigkeit und Schwäche« nachsagen lassen. Diesen Mängeln konnten staatstreue Polittechnologen nicht einmal mit vereinfachten Zulassungsverfahren bei der Präsidentenwahl beikommen. Alijew wäre an einer mäßig starken Opposition nämlich durchaus interessiert - um im Westen zu punkten. Dessen Unterstützung braucht Baku für die Lösung des Problems Bergkarabach. Die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Aserbaidshans hatte sich beim Zerfall der Sowjetunion nach blutigen Kämpfen in die Unabhängigkeit verabschiedet.

Nicht minder setzt Baku im Bemühen um die Heilung dieser »offenen Wunde« auf den nördlichen Nachbarn Russland. Den will Alijew nicht verärgern. Und so verlautete jüngst, dass Aserbaidshan im Unterschied zu Georgien und der Ukraine nicht in die NATO und die EU strebe, obwohl noch vor Monaten von »einer bewussten und freiwilligen Entscheidung für die nordatlantische Integration« die Rede gewesen war.

Noch weiter ging Fuad Alijew, Präsidentschaftskandidat der regierungsnahen Liberaldemokratischen Partei. Seiner Meinung nach sollte das Land die prowestliche Organisation GUAM (Georgien, Ukraine, Aserbaidshan, Moldova) verlassen und stattdessen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) beitreten, der neben Russland und China Kasachstan, Kirgistan, Tadshikistan und Usbekistan angehören.

Fuad Alijew ist einer der sechs chancenlosen Konkurrenten seines Namensvetters Ilham. Keiner der sechs gehört jedoch tatsächlich zur Opposition. Das Interesse an den Wahlen ist denn auch sehr begrenzt. Politologe Ilgar Mammadow sagt für dieses Jahr die geringste Wahlbeteiligung seit der Unabhängigkeitserklärung des Landes voraus.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Oktober 2008

Weitere aktuelle Meldungen **

GUS-Beobachter loben Präsidentenwahl in Aserbaidschan

BAKU, 16. Oktober (RIA Novosti). Die GUS-Beobachter haben keine Manipulationen bei der Präsidentschaftswahl in Aserbaidschan festgestellt. Ilcham Alijew ist klarer Wahlsieger.
„Nach Auffassung der GUS-Mission entsprachen die Wahlen erstens den geltenden Wahlgesetzen. Zweitens waren sie legitim, offen und transparent. Drittens werden sie aus unserer Sicht zur weiteren Demokratisierung Aserbaidschans beitragen“, sagte Missionsleiter Sergej Lebedew am Donnerstag (16. Okt.). Es habe zwar einige Verstöße gegeben, sie seien aber nicht massiv gewesen und hätten die Wahlergebnisse nicht beeinflussen können.
Klarer Wahlsieger ist der heutige Präsident Ilcham Alijew. Nach vorläufigen Angaben erhielt er über 89 Prozent der Stimmen.

US-Beobachter loben Präsidentenwahl in Aserbaidschan

BAKU, 16. Oktober (RIA Novosti). Nach Ansicht von US-Beobachtern ist die Präsidentenwahl am Mittwoch (15. Okt.) in Aserbaidschan frei und gerecht verlaufen.
"Am Abstimmungstag waren bei allen Wahllokalen Beobachter von allen politischen Parteien präsent. Es wurden auch Webkameras und Exit-Polls verwendet", zitiert die Nachrichtenagentur Novosti-Aserbaidschan die Chefin der US-Beobachtermission. Dies zeuge davon, dass Aserbaidschan große Anstrengungen unternommen hat, um eine gerechte und transparente Wahl durchzuführen.
Die aus 40 ehemaligen Journalisten, Parlamentariern und politischen Beratern bestehende US-Beobachtergruppe hatte am Mittwoch 200 Wahllokale in Baku und in den Provinzen besucht.
Zuvor teilten die GUS-Beobachter mit, dass sie bei der Präsidentenwahl in Aserbaidschan keine Manipulationen festgestellt haben.
Klarer Wahlsieger ist der amtierende Präsident Ilcham Alijew. Nach vorläufigen Angaben erhielt er 88,68 Prozent der Stimmen.
Den zweiten Platz belegt der Abgeordnete Igbal Agasade mit 2,78 Prozent und den dritten der Abgeordnete und Vorsitzende der Partei "Großer Aufbau", Fasil Gasanfaroglu, mit 2,5 Prozent der Wählerstimmen.
Auf der Wahlliste standen insgesamt sieben Kandidaten. Nachdem Aserbaidschans Verfassungsgericht die Wahlergebnisse anerkennt, findet die offizielle Inauguration des neugewählten Präsidenten drei Tage später statt.

OSZE spricht von korrekten Präsidentenwahlen in Aserbaidschan

BAKU, 16. Oktober (RIA Novosti). Laut dem OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) sind die Präsidentenwahlen in Aserbaidschan normal verlaufen.
„Die Wahlen waren im Großen und Ganzen normal. Aber es gab auch einige Rechtsverletzungen“, sagte der Chef der ODIHR-Mission, Boris Frlec, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Nach Auswertung von 96,8 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde nach Angaben der Wahlleitung Amtsinhaber Ilcham Alijew mit 88,64 Prozent zum Präsidenten wiedergewählt. An zweiter Stelle liegt Igal Agasade, der 2,78 Prozent der Stimmen erhalten hat. Ihm folgt Fasil Gasanfaroglu mit 2,5 Prozent.
Eine positive Einschätzung der Präsidentenwahlen in Aserbaidschan haben bereits die Beobachtermissionen der GUS, der GUAM, der USA und der Türkei gegeben.

Aserbaidschan auf dem Weg zum Wohlstandsstaat

BAKU, 17. Oktober (RIA Novosti). Das Pro-Kopf-Einkommen in Aserbaidschan ist von Januar bis September gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 34,1 Prozent gestiegen. Das teilte der aserbaidschanische Minister für Steuern, Fasil Mamedow, am Freitag auf einer Kabinettssitzung nach Angaben der Nachrichtenagentur Novosti Aserbaidschan mit
Das monatliche Durchschnittseinkommen sei um 23,1 Prozent gestiegen, was ein Ergebnis der sozialwirtschaftlichen Politik sei, die die Behörden für eine Verbesserung des Wohlstandes der Bevölkerung führt. Nach dem Abzug der Steuern und anderer Leistungen habe die Bevölkerung um 36,9 Prozent mehr Geld zur Verfügung als im Vergleichszeitraum von 2007. Die Einnahmen der Bevölkerung seien zudem um 12,6 Prozent höher als das gegenwärtige Preiswachstum.
Das Wachstum der Einnahmen und der Kaufkraft der Bevölkerung hat zu einem Anstieg der Bankeinlagen der Bürger um 52,2 Prozent geführt, zudem ist der Umfang der entgeltlichen Dienstleistungen um 29,7 Prozent gestiegen, teilte Mamedow mit. Außerdem sei der Umfang der Währungsreserven wesentlich gestiegen.

Inflation in Aserbaidschan steigt auf über 21 Prozent

BAKU (ASERBAIDSCHAN), 17. Oktober (RIA Novosti). Die Verbraucherpreise in Aserbaidschan sind Ende September auf 21,5 Prozent gestiegen.
Dies gab das aserbaidschanische Statistikamt bekannt.
Die Preise für Lebensmittel, Getränke und Tabak nahmen seit Anfang des Jahres um 30 Prozent zu, die für Dienstleistungen kletterten um 11,5 Prozent. Im September stiegen die Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen gegenüber August dieses Jahres um 0,9 Prozent.
Nach Einschätzungen des Internationalen Währungsfonds beträgt die Inflationsrate in der ehemaligen Sowjetrepublik in diesem Jahr etwa 22,4 Prozent.

** Alle Meldungen von der Russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, 16. und 17. Oktober 2008; http://de.rian.ru




Zurück zur Aserbeidschan-Seite

Zurück zur Homepage