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Ilcham Alijew: Ein Porträt des aserbeidschanischen Präsidenten

Staatschef mit der momentan längsten Amtszeit im Kaukasus

Von Ilgar Welisade *

Im Laufe des gesamten Präsidentenwahlkampfs 2008 hat es in Aserbaidschan wohl keinen gegeben, der am Ausgang der Wahlen am 15. Oktober zweifeln würde.

Ilcham Alijew, dessen Wahlsieg als eine Selbstverständlichkeit gilt, wird damit zum Staatschef mit der momentan längsten Amtszeit im Kaukasus. Er kann als eine gleich bleibende Größe in dieser komplizierten und schwer vorhersehbaren Region gelten.

Wichtig ist auch, dass der aserbaidschanische Präsident selbst, der eine pragmatische Außenpolitik betreibt, der Aufrechterhaltung guter persönlicher Beziehungen mit den Staats- und Regierungschefs der Nachbarstaaten große Bedeutung beimisst. In dieser Hinsicht ist Alijew junior, der sowohl im In- als auch im Ausland Ansehen genießt, ein würdiger Zögling seines Vaters Gejdar Alijew, des ersten Präsidenten des unabhängigen Aserbaidschan.

Die Machtkontinuität ist der Hauptkurs der Politik Ilcham Alijews. In diesem Sinne ist die Ära von Gejdar Alijew in Aserbaidschan noch nicht zu Ende. Dies kann als die wichtigste Errungenschaft des jetzigen Präsidenten angesehen werden, der nun schon seit fünf Jahren an der Macht ist.

Aserbaidschan hat die günstige Konjunktur auf den globalen Energiemärkten gut genutzt und ist hinsichtlich des Tempos beim Wirtschaftswachstum zu einem regionalen Spitzenreiter geworden. Der massive Zustrom von Öldollars hat aber auch ernsthafte Prüfungen verursacht, die vor allem mit einem starken Inflationsdruck verbunden waren. Dank einer vernünftigen Investitionspolitik im Ölsektor wurde in Aserbaidschan ein bedeutendes Sicherheitspolster geschaffen, das die Möglichkeit bietet, mit den globalen Risiken, darunter auch mit den Folgen der globalen Finanzkrise, ohne nennenswerte Verluste fertig zu werden.

Auf Initiative des Präsidenten werden in Aserbaidschan große Nationalprojekte umgesetzt, darunter die Armutsbekämpfung und der Abbau der Arbeitslosigkeit wie auch die regionale Entwicklung. In den zurückliegenden fünf Jahren haben laut offiziellen Angaben rund 500 000 Arbeitslose einen Job bekommen. Die Zahl der Unterbemittelten ging von 40 auf 18 Prozent zurück. Gebaut wurden Hunderte Schulen, Dutzende moderner Krankenhäuser sowie Sportanlagen und andere Objekte.

Die Provinzen haben sich auffällig verändert. Entstanden sind neue Straßen, Kraftwerke, Gaspipelines, Wasserleitungen usw.

Zugleich verweisen Experten der internationalen Finanzinstitute auf eine starke Monopolisierung des Binnenmarktes sowie auf Protektionismus, Korruption und unterentwickelte Marktinstitutionen. Diese Einschätzungen wirken sich negativ auf die Mobilisierung ausländischer Investitionen in die Privatwirtschaft außerhalb des Ölsektors aus.

In der innenpolitischen Landschaft herrscht dabei eine absolute Stille ohne jegliche Anzeichen einer Veränderung. Die Opposition versucht, die Kette ihrer verheerenden Niederlagen auf die Landesführung abzuschieben, und wirft dieser Verletzungen der demokratischen Rechte vor. Die Regierung weist diese Anschuldigungen zurück und behauptet, dass die Opposition eine Systemkrise durchmacht. Die Spitze der Opposition, die diese zu diesen Niederlagen geführt hat, muss ausgewechselt werden, heißt es. Wohl aus diesem Grund haben jetzt viele der Oppositionellen auf ihre Teilnahme an den jetzigen Wahlen verzichtet.

In Berichten einiger internationaler Menschenrechtsorganisationen wird Aserbaidschan ebenfalls als ein Staat erwähnt, der Probleme mit den Bürgerrechten hat. Den Behörden werden unter anderem Verfolgungen von Journalisten bis hin zu Verhaftungen vorgeworfen. In Aserbaidschan werden aber all diesen Menschen konkrete Delikte zur Last gelegt, etwa Amtsmissbrauch, Erpressung usw.

Bemerkenswerterweise betreibt Alijew im Vorfeld der Wahlen praktisch einen Anti-Wahlkampf: Anderthalb Monate vor dem Wahltermin ließ er alle seine Porträts von den Hausfassaden und sonstigen Werbeträgern entfernen. Aber selbst mit dieser „Zensur" für die Abbildungen des jetzigen Präsidenten können die anderen Kandidaten sich beim Wahlkampf nicht messen.

Unter den außenpolitischen Partnern steht jetzt dem aserbaidschanischen Präsidenten der jordanische König Abdullah II. wohl am nächsten. Die beiden haben vieles gemeinsam: Sie sind fast gleichaltrig, beide setzen das politische Erbe ihrer berühmten Väter um, beide sind in ihren Ländern und den jeweiligen Regionen angesehen und einflussreich, beide betreiben eine prognostizierbare und rationale Politik.

Im Unterschied zum jordanischen König ist aber Alijew „nur" Präsident, dessen zweite Amtszeit laut Verfassung die letzte sein soll. Bereits jetzt werden verschiedene Mutmaßungen angestellt, was in fünf Jahren geschehen könnte. Der im Parlament unterbreitete Vorschlag, die Amtszeit des Präsidenten auf sieben Jahre zu verlängern, fand vorerst keine Unterstützung. Laut einer anderen Version wird der Präsident in fünf Jahren von seiner Gattin, Mechriban Alijewa, abgelöst, die jetzt Parlamentsabgeordnete ist. Öffentlich wurde diese Hypothese allerdings noch nicht diskutiert.

Wie dem auch sei: Den nächsten fünf Jahren schaut Aserbaidschan mit Optimismus entgegen. Auf diesen Zeitraum entfallen die höchsten Ölförderzahlen und ein nie da gewesenes Wachstumstempo in der Gasförderung. Dieser Faktor soll sicherlich der weiteren Festigung der Positionen Alijews im Lande und dem weiteren Anstieg seines Ansehens im Ausland dienen.

Ilcham Alijew packt die Aufgaben seiner zweiten Amtszeit gestützt auf eine solide politische Basis an, der selbst die erfolgreichsten Staatsmänner beneiden würden. Viele sagen ihm den Platz in der politischen Arena voraus, die sein verstorbener Vater eingenommen hat. Die Stimmen jener, die diese Meinung nicht teilen, werden immer leiser.

* Unser Autor Ilgar Welisade ist ein aserbaidschanischer Politologe.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 14. Oktober 2008; http://de.rian.ru



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