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IAEO und armenische Regierung verharmlosen Atom-Gefahr

Von Bernhard Clasen

Von 2011-06-14

Armeniens Grüne, unter ihnen ihr Sprecher Hakob Sanasarjan und die frühere armenische Umweltministerin, Karine Danieljan, sind sauer auf die Internationale Atomenergiebehörde IAEO und die eigene Regierung. Kurz nach Fukushima hätten beide nichts besseres zu tun gehabt, als die eigene Bevölkerung von der angeblichen Sicherheit des armenischen Atomkraftwerkes Medzamor zu überzeugen.

Sanasarjan und Danieljan reagierten mit ihren Äußerungen auf die Erklärung eines Experten-Teams der IAEO vom 2. Juni, das armenische Atomkraftwerk Medzamor sei sicher, dessen Risiko „akzeptabel“.

Da das Kraftwerk in der Vergangenheit Kritik und Proteste hervorgerufen hatte, nach dem verheerenden Erdbeben im armenischen Spitak 1988, bei dem es 25 Tausend Tote gegeben hatte, für mehrere Jahre abgeschaltet worden war, hatte sich die armenische Führung sofort nach Fukushima zum Handeln entschlossen.

Aus Wien bestellte man bei der IAEO ein „Osart“-Team. Das Kürzel steht für Operational Safety Assessment Review Team. Diese Kontrollteams zur Bewertung der Betriebssicherheit stellt die in Wien ansässige IAEO seit 1982. Und so bescheinigte Anfang Juni ein Team aus französischen, britischen, US-amerikanischen und ungarischen Fachleuten, dass das AKW Medzamor ein „akzeptables Risiko“ darstelle.

Außerdem sei prinzipiell auch ein Weiterbetrieb des AKW nach 2016, dem derzeitigen Abschalttermin, möglich. Bisher hatte die armenische Regierung erklärt, das AKW solle 2016 abgeschaltet werden.

Dabei ist das armenische Atomkraftwerk Medzamor ein Uraltreaktor. Dieser sei gefährlich, zum einen durch seine veraltete technische Ausrüstung und zum anderen durch seine Lage in einem erdbebengefährdeten Gebiet, so Hakob Sanasarjan von den armenischen Grünen.

Drei tektonische Bruchstellen, so Sanasarjan, befänden sich in einer Entfernung von 34, 16 km, ja sogar nur 500 Meter vom Kraftwerk entfernt.

Die Regierung Armeniens versucht dagegen, die Befürchtungen der Bevölkerung, in der die Zweifel an der Sicherheit der Atomenergie mit dem Erdbeben von 1988 gewachsen sind, zu zerstreuen. Das armenische Atomkraftwerk habe doch beim Erdbeben 1988 gezeigt, dass es einem Erdbeben standhalten könne, erklärte beispielsweise Armen Movsisjan, Minister für Energie und natürliche Ressourcen.

Es sieht ganz so aus, als wollte Armenien die Laufzeit des AKW Medzamor mit internationaler Hilfe, vor allem westlicher Hilfe, über 2016 hinaus verlängern.

Armeniens Nachbarn, Georgien, die Türkei und Aserbaidschan, sind alles andere als erbaut über das radioaktive Gefahrenpotential in ihrer Nachbarschaft. Immer wieder hatten georgische Umweltschützer, Wissenschaftler und Ex-Präsident Eduard Schewardnadse vor dem Kraftwerk und dem Neubau eines weiteren Atomkraftwerkes in Armenien, der dieses Jahr starten soll, gewarnt. Und in einer Umfrage sahen 86,3 Prozent der befragten Georgier zwei Wochen nach Fukushima in dem armenischen Atomkraftwerk eine Bedrohung für Georgien.

Auch der türkische Energieminister Taner Yildiz warnte kurz nach Fukushima vor den Gefahren des nur 16 km von der türkischen Grenze entfernt gelegenen „völlig veralteten“ armenischen Atomkraftwerkes. Die Türkei werde weiter für die Abschaltung dieses Atomkraftwerkes kämpfen, so der Minister.

Der Minister wäre in seiner Ablehnung des armenischen Atomkraftwerkes glaubwürdiger, wenn er nicht gleichzeitig neben den geplanten zwei AKW-Bauten in der Türkei ein drittes türkisches AKW anstrebte. Einer seiner Partner dabei ist ausgerechnet der japanische Atom-Konzern Tepco.

40% des in Armenien benötigten Stroms werden vom Atomkraftwerk Medzamor geliefert. Dessen Blöcke waren 1976 und 1980 in Betrieb gegangen. Armeniens grüne Bewegung warnt seit Jahren vor den Gefahren dieses Atomkraftwerkes, das gerade einmal 30 km von der armenischen Hauptstadt Jerewan entfernt in einem erdbebengefährdeten Gebiet liegt.

* Quelle: Website "scharf links", 12. Juni 2011; www.scharf-links.de


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