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Arktis zwischen Schutz und Aufteilung

Konferenz der Anrainerstaaten im grönländischen Ilulissat soll Rechte und Pflichten abstecken

Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *

Die Arktis birgt möglicherweise immense Bodenschätze. Auch wenn dafür noch eindeutige Belege fehlen, wollen sich die Anrainerstaaten den Zugriff auf diese Ressourcen sichern.

Ilulissat ist bisher nur bekannt für seinen wunderschönen Fjord, in dem die Gletscher vor den Augen der Einheimischen und Touristen »kalben«. Dieses Phänomen sieht einer unsicheren Zukunft entgegen, denn die steigenden Temperaturen lassen Grönlands Gletscher und die Eisdecke im Polarmeer immer schneller schmelzen. Die Prognosen des UN-Klimapanels, wann das Polarmeer ganzjährig eisfrei sein wird, wurden laufend nach unten korrigiert - von 2100 inzwischen auf das Jahr 2020.

Die Klimaänderungen und deren Konsequenzen für die Arktis sind Gegenstand einer Konferenz, zu der Dänemarks Außenminister Per Stig Møller und Hans Enoksen, Ministerpräsident des autonomen Grönland, die Außenminister der Polaranrainer Norwegen, Russland, Kanada und USA eingeladen haben. Diese fünf Länder haben territoriale Ansprüche auf die Arktis angemeldet und damit auch die vorrangige Aufgabe, die Arktis zu schützen. »Die Anrainerländer haben eine besondere Verantwortung, für eine nachhaltige Verwaltung des Polarmeeres zu sorgen und gleichzeitig den Völkern, die hier seit Jahrhunderten gelebt haben, Respekt zu zeigen«, erklärte Møller vor der Konferenz.

Solange die meterdicke Eisdecke Schifffahrt und Rohstoffförderung in der Arktis unmöglich machte, hatte das Polarmeer lediglich militärische Bedeutung. Doch die Klimaänderungen geben in ein paar Jahrzehnten den Zugang zu Rohstoffreserven frei, die den Anrainerstaaten vielleicht auf Jahrhunderte die wirtschaftliche Zukunft sichern könnten. Aber ob es im Polarmeer Rohstoffe gibt, welche das sind und in welchem Umfang sie vorkommen, ist noch weitgehend unbekannt. Alle Zahlen, die in Öffentlichkeit und Geschäftswelt kursieren, sind Vermutungen, die auf der Fortschreibung bekannter geologischer Verhältnisse im Schelf beruhen. Probebohrungen sind bisher nur sporadisch vorgenommen worden, da Klima- und Strömungsverhältnisse gewaltige Probleme bereiten. Bekannt ist zumindest, dass um den Lomonossowrücken herum, auf dem Russland im letzten Sommer seine Flagge setzte, Schiefervorkommen existieren. Dies deutet auf Öl hin, kann aber genauso gut bedeuten, dass der Schiefer noch ein paar Millionen Jahre braucht, um zu Öl zu reifen. Sollten die Depots vor allem Erdgas enthalten, werden Ausbeutung und Transport noch schwieriger als bei Öl.

Um die Rentabilität möglicher Projekte zu sichern, müssen die Vorkommen selbst bei eisfreier See wirklich groß sein und könnten erst in einigen Jahrzehnten erschlossen werden. Trotz dieser Unsicherheiten sind die Anrainer dabei, ihre künftigen Nordgrenzen abzustecken. Grundlage dafür ist das UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ) von 1982. Dieses ist seit 1994 geltendes Recht, das Abkommen wurde von über 150 Staaten ratifiziert. Seine Autoren hatten gehofft, juristische Klarheit zu schaffen, wie weit Staaten ihre Hoheit auf das Meer ausdehnen dürfen.

Die wirtschaftlichen Ressourcen der Hohen See sind grundsätzlich offen für alle Staaten und Forderungen müssen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) mit Sitz im jamaikanischen Kingston angemeldet werden. Theoretisch ist das SRÜ eindeutig und sichert den Küstenstaaten eine Ausschließliche Wirtschaftszone von 200 Seemeilen.

Das Problem liegt verklausuliert im Paragrafen 76, der eine Erweiterung dieser Wirtschaftszone erlaubt, falls sie einen geologischen Kontinentalschelf fortsetzt. Dies wäre die untermeerische Verlängerung des Festlandes, doch gibt es keine anerkannte Definition dafür. Ist sie morphologisch begründet, also wenn der Meeresboden der Form des Festlandes folgt? Oder geologisch, falls der Meeresboden dem Festland entspricht? Oder tektonisch, wenn die Steine auf dem Meeresboden den gleichen erdgeschichtlichen Ursprung haben wie an Land? Ob beispielsweise der Lomonossowrücken ein Ausläufer Sibiriens über den Nordpol nach Grönland ist oder umgekehrt, ist kaum zu beweisen. Dies war jedoch der Zweck der russischen Expedition von 2007 und ähnlicher dänischer und kanadischer Aktionen. Die drei Länder und Norwegen haben die SRÜ unterschrieben und können damit zehn Jahre später Ansprüche erheben. Letztlich aber wird die Aufteilung der Arktis nicht mit wissenschaftlichen Fakten entschieden, sondern durch politische Verhandlungen.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Mai 2008


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