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Afrikas Weg in eine verstrahlte Zukunft

Auf dem uranreichen Kontinent gilt Atomkraft vielen Politikern als Energie von morgen

Von Christa Schaffmann *

Der Internationalen Atomenergie-Organisation zufolge planen afrikanische Staaten bis 2050 den Bau von insgesamt 40 Atomkraftwerken. Die Risiken werden von der Politik in Kauf genommen.

Der Traum von der Atomkraft lebt. Zumindest in Afrika. Neben Südafrika, das Atomkraft bereits nutzt, träumen auch Marokko, Kenia, Ghana, Niger und Uganda, Nigeria, Senegal und Tansania davon, künftig Atomstrom selbst zu erzeugen und damit die eigene Industrialisierung voranzubringen. Nach Angaben des World Information Service on Energy (WISE) verfolgen 35 afrikanische Länder Uranabbau-Vorhaben. Ihre ausländischen Partner dabei sind vor allem Frankreich, China, Indien, Russland und Kanada, die miteinander im Wettbewerb um die Rohstoffressourcen des Kontinents stehen. Werden das Uran am Ende also doch andere bekommen und nur der gefährliche Uranabbau den Afrikanern überlassen?

Uranabbau ist bekanntermaßen mit großen Risiken verbunden. Selbst das technologisch fortschrittliche Südafrika hat damit im Tal von Witwatersrand Probleme. Die Arbeiter im südafrikanischen Uranbergbau sind nachweislich hohen Strahlenexpositionen ausgesetzt, ein dicht besiedeltes Gebiet von 400 Quadratkilometern ist durch sechs Milliarden Tonnen radioaktiven Abraums belastet, tonnenweise gelangt das Uran in den Wasserkreislauf. Die bereits hoch angesetzten Grenzwerte werden den jüngsten Untersuchungen zufolge um das Fünffache überstiegen. Nicht anders in Namibia, wo im Tagebau Rössing seit 30 Jahren Uran gefördert wird. Sprengungen im offenen Tagebau verursachen große radioaktive Staubwolken, die bis zu den Feldern und Siedlungen der Stadt Arendis ziehen und die Gewässer der Region verseuchen. In 80 Prozent der Grundwasserproben wurden bereits erhöhte Uranwerte nachgewiesen.

Eine unabhängige Fall-Kontroll-studie der Berliner Charité zeigt bei den Minenarbeitern eine sechsfach erhöhte Uranausscheidung und eine dreifach erhöhte Rate an Erbgutveränderungen sowie Zeichen einer Immunsuppression – viele Störungen ähnlich denen, die nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und der Katastrophe von Tschernobyl auftraten.

In Niger, wo vor allem durch den französischen Konzern AREVA seit über 40 Jahren Uran abgebaut wird, gibt es vergleichbare Erscheinungen. Um die Minen Arlit und Akokan herum ist die Gesundheit von etwa 80 000 Menschen gefährdet. Trotzdem sollen weitere Minen, allen voran Imouraren, die größte Uranmine der Welt, mit der Förderung beginnen. Nigers Premierminister Brigi Rafini verkündete 2013, dass sein Land zum drittgrößten Uranförderer der Welt aufsteigen und in absehbarer Zeit sich selbst und die Nachbarstaaten mit Atomstrom versorgen werde. Warum das in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht mal im Ansatz gelungen ist – die Antwort darauf bleibt er schuldig.

Der kongolesische Menschenrechtsaktivist Golden Misabiko ist überzeugt: »Die Uranförderung wird afrikanischen Staaten keinen Aufschwung bringen. Sie wird uns am Boden halten, während andere reich werden.« Ähnlich sieht es der Journalist und Menschenrechtler Ibrahim Manzo Diallo und äußert den Verdacht, dass afrikanische Politiker sich nur solange an der Macht halten können, solange sie das Spiel ausländischer Konzerne mitspielen. Anderenfalls werden sie weggeputscht oder riskieren ihr Leben. Niger sei ein Beispiel dafür: »Der jetzige Präsident Mahamadou Issoufou, ehemals Direktor einer Tochterforma von AREVA, kam durch einen Putsch an die Macht, durch den Präsident Tandja Mamadou, der den Konzernen die Stirn bot, verjagt wurde.«

Weder Niger noch andere Uranförderländer in Afrika haben durch Wohlstand und bessere Stromversorgung von diesem höchst gefährlichen Geschäft profitiert. Trotzdem opfert Tansania jetzt gerade einen Teil seines größten Nationalparks dem Uranbergbau und plant auch noch eine Kornkammer des Landes – die Bahi-Region – zugunsten seiner Atompläne preiszugeben.

Tansanias Minister für Energie und Bodenschätze, Sospeter Muhongo, sieht darin kein Sicherheitsproblem. Fortschritte in der Nukleartechnik stellten sicher, dass Menschen in der Nähe von der Strahlung nicht betroffen seien. Golden Misabiko widerspricht vehement. Seines Erachtens sollten afrikanische Länder den Irrweg in die Nuklearenergie gar nicht erst bestreiten. »Sicherheitsprobleme gibt es immer wieder – selbst in Hochtechnologieländern. Wie soll das in Afrika funktionieren mit einem Bildungsstandard weit hinter dem der Industriestaaten«, fragt Misabiko.

Für mehr Aufklärung setzt sich Anthony Lyamunda in Tansania ein. »Politiker und Konzerne nutzen es aus, dass viele Menschen in Afrika noch nicht genug über Uran wissen, darüber, wann es zu strahlen beginnt, welche Schäden allein durch die Abraumhalden, durch Abfallschlämme und darin enthaltene Schwermetalle und chemische Gifte entstehen können.« Der Ingenieur und Vorsitzende der tansanischen Organisation CESOPE hat sich in Namibia und Niger über die Folgen des Uranabbaus, über Strahlung und toxische Substanzen sowie verseuchtes Wasser informiert. Er weiß um Krebserkrankungen und genetische Veränderungen infolge des Abbaus und Transports von nicht angereichertem Uran und gibt seine Erkenntnisse an die Bevölkerung in den betroffenen Regionen weiter. Allmählich regt sich Widerstand. Groß ist die Sorge, dass die Gewinne aus Uranminen auch in Tansania die Betreiber einheimsen, während auf den Umweltschäden und den gesundheitlichen Folgen die Minenarbeiter, Bauern und andere Bewohner der Förderregionen sitzenbleiben. Der verstrahlte Sand weht weit.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 14. Januar 2014


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