Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Anstandsbesuch mit Hintergedanken

Offiziell spielen "Antiterrorkrieg", Öl und das Militärkommando für Afrika keine Rolle

Von Max Böhnel, New York *

In der Afrikapolitik der USA zeichnen sich unter dem neuen USA-Präsidenten Barack Obama bis dato nicht mehr als Akzentverschiebungen ab. Im Zentrum stehen nach wie vor Sicherheits- und Rohstoffinteressen. Die Ghana-Stippvisite kaschiert das nur unwesentlich.

Afrikareise ist fast zu hoch gegriffen. Gerade mal eine Nacht und einen Tag verbringt US-Präsident Barack Obama in Ghana. Der Zweck ist laut offizieller Begründung des Weißen Hauses, die Beziehung der USA »mit einem unserer vertrauensvollsten Partner in Subsahara-Afrika zu vertiefen und die entscheidende Rolle hervorzuheben, die eine zuverlässige Regierungsführung und eine Zivilgesellschaft bei der dauerhaften Entwicklung spielen«.

Obama wird am späten Freitagabend in Accra eintreffen, wo er unter anderem vor dem Parlament sprechen wird. Später besucht er zusammen mit seiner Familie die Festungen in Cape Coast und Elmina, die Ausgangspunkt für die Verschleppung von Sklaven waren, bevor er am Samstagabend in die USA zurückfliegt.

Der Aspekt »Stabilität« spielt in den USA-Massenmedien als Begründung für den Besuch die einzige Rolle. Die »New York Times« hatte Mitte Mai, als das internationale Reiseprogramm Obamas bekannt gegeben wurde, auch darauf hingewiesen, dass ein zweitägiger Afrikabesuch im ersten Amtsjahr Obamas das höchste der Gefühle sein würde. Ein schneller Ghana-Trip nach Russland und Italien sei darüber hinaus innenpolitisch ungefährlich. Denn der Obama-Vorgänger George W. Bush hatte Accra, das eine Autobahn nach ihm benannte, letztes Jahr besucht und den damaligen Präsidenten John Kufuor bei einem Staatsempfang in Washington bewirtet. Ghana verspreche »in den von Zeitnot geprägten ersten Amtsmonaten das meiste Positive hervorzubringen«, zitierte die Zeitung einen Reiseplaner Obamas.

»Antiterrorkrieg«, Militärkommando für Afrika (AFRICOM) und Öl – die entscheidenden Komponenten der USA-Außenpolitik gegenüber Afrika vor Obama werden dabei allerdings ausgeblendet. Der Leiter der linken Washingtoner Nichtregierungsorganisation »Africa Action«, Gerald LeMelle, stellte demgegenüber klar, dass die Regierung Obama die Politik der Bush-Administration in Sachen Militarisierung Afrikas weiterführt und sogar vertieft. Bush habe den schwarzen Kontinent im Jahr 2003 zu einer außenpolitischen Priorität erklärt, als er ankündigte, ein Viertel der US-amerikanischen Ölimporte sollte bis 2015 aus Subsahara-Afrika kommen. Außerdem erklärte Bush im Februar 2007 die Absicht, auf dem Kontinent ein AFRICOM einzurichten. Es scheiterte bisher an der Weigerung aller afrikanischen Staaten mit Ausnahme Liberias, ein solches USA-Operations- und Truppenhauptquartier zuzulassen, weshalb es seit seinem Start am 1. Oktober 2007 in Stuttgart sitzt. LeMelle weist allerdings darauf hin, dass die Obama-Regierung im Haushaltsjahr 2010 die Finanzmittel für das AFRICOM-Projekt sowie für »Antiterror«-Maßnahmen verdoppelt hat. Die »wirklichen Gründe« für Ghana als Obamas Besuchsziel seien deshalb möglicherweise »die Entdeckung ghanaischen Erdöls im Jahr 2007, und vielleicht, noch wichtiger, die geografisch, wirtschaftlich und politisch strategischen Vorteile, die die Errichtung eines AFRICOM-Hauptquartiers dort bietet«.

Auch der signifikante Anstieg der Entwicklungshilfe für Afrika unter Obamas Vorgänger Bush von gut 5 Milliarden Dollar 2004 auf fast 8 Milliarden Dollar 2008 ist größtenteils auf den »Krieg gegen den Terrorismus« zurückzuführen. Nicht die bedürftigsten Länder kamen in den Genuss überproportional größerer Zuwendungen, sondern insbesondere die wichtigsten militärischen Alliierten wie Äthiopien, Kenia und Sudan nebst den regionalen Großmächten Nigeria und Südafrika. Nicht zufällig verwaltet seit der Gründung der AFRICOM das Pentagon ein Fünftel der gesamten Entwicklungshilfe für Afrika. Immerhin hat Obama gerade auf dem G8-Gipfel mit Japan eine Initiative auf den Weg gebracht, die eine milliardenschwere Stärkung der Investitionen in ländliche Entwicklung in Afrika vorsieht. Mit verbesserten Anbaumethoden sollen die Menschen in den ärmsten Staaten auf Dauer besser durch die heimische Landwirtschaft ernährt werden. Auch eine Abkehr von den jahrzehntelangen Nahrungsmittelexporten, von denen die US-amerikanischen Bauern massiv profitierten, hat Obama in Aussicht gestellt. Nun hoffen von Accra bis Nairobi viele, dass der »Sohn Afrikas«, wie Obama vielerorts genannt wird, Wort hält.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Juli 2009


Zurück zur Afrika-Seite

Zur USA-Seite

Zurück zur Homepage