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"Neues Kapitel in der deutsch-afrikanischen Partnerschaft"

Bundesregierung legt Afrika-Konzept vor - "Transformations- und Energiepartnerschaft" hervorgehoben / VENRO: "Die Wirklichkeit schön geschrieben"


Am 15. Juni 2011 legte die Bundesregierung ein im Auswärtigen Amt entstandenes Konzept für die deutsche Afrika-Politik vor. Wir dokumentieren im Folgenden die amtliche Ankündigung des Außenministeriums. Das Konzept selbst kann hier heruntergeladen werden:
www.auswaertiges-amt.de [pdf-Datei, Externer Link].
Einen Artikel sowie einen kritischen Kommentar haben wir hier dokumentiert: "Partnerschaft" unter Ungleichen.
Eine kritische Stellungnahme von Entwicklungshilfeorganisationen befindet sich weiter unten auf dieser Seite: "Die Wirklichkeit schön geschrieben"



D o k u m e n t i e r t :

Neues Kapitel in der deutsch-afrikanischen Partnerschaft

Die Veröffentlichung des Afrikakonzepts der Bundesregierung falle in eine "Zeit dramatischer Um- und Aufbrüche in Europas unmittelbarer Nachbarschaft", so Außenminister Guido Westerwelle in Berlin. Was man - gerade auch in Afrika - erlebe, sei "der vielleicht faszinierendste Beleg für eine Welt im Wandel". Für Deutschland bedeute dies, dass alte Freundschaften gepflegt und noch intensiviert, aber auch neue Freundschaften ganz bewusst begründet werden müssten.

Darauf stellt auch das Afrikakonzept ab: "Wir wollen in den Beziehungen zu unserem Nachbarkontinent ein neues Kapitel aufschlagen", so der Bundesaußenminister. Ziel sei es, der wachsenden Bedeutung Afrikas und seiner zunehmenden Eigenverantwortung Rechnung zu tragen und die Potentiale der Zusammenarbeit partnerschaftlich zu nutzen.


Das Afrikakonzept der Bundesregierung wurde am 15. Juni vom Bundeskabinett verabschiedet. Zehn beteiligte Ministerien waren seit Anfang 2011 unter Federführung des Auswärtigen Amts mit der Ausarbeitung des Konzepts befasst. Schon 2010 haben umfassende Konsultationen zwischen den Ministerien, Bundestagsfraktionen, Wirtschaftsverbänden, politischen Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen, Kulturmittlern, Kirchen, Gewerkschaften und Think Tanks stattgefunden. Das Afrika-Konzept soll auch die Kohärenz der Afrikapolitik der Bundesregierung sicherstellen.



Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Die Menschen in Afrika verbinden mit "einer Welt im Wandel" große Hoffnung. Die weit überwiegende Mehrheit von ihnen strebten nach Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung der Menschenrechte, "in Harare nicht weniger als in Kairo". In einer zunehmenden Zahl afrikanischer Staaten übernehmen verantwortungsbewusste Regierungen nach demokratischen Wahlen die Führung. Und: "Wo gut und berechenbar regiert wird, gedeihen auch Wirtschaft und Investitionen", zeigt sich der deutsche Außenminister überzeugt.


Seit der Jahrtausendwende wächst Afrikas Wirtschaft um etwa fünf Prozent pro Jahr. Die Ausländischen Investitionen sind im Vergleich zum Jahr 2000 um 500 Prozent angestiegen.



Chancen und Herausforderungen

"Afrika ist ohne Zweifel ein Kontinent großer Chancen." Gleichzeitig stehe aber kein Kontinent vor vergleichbar großen Herausforderungen. Mit dem Afrika-Konzept nimmt die Bundesregierung die Schwierigkeiten und die Chancen in den Blick. Deutschland bietet Afrika "eine Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe", betont Westerwelle. Man wolle eine Zusammenarbeit jenseits von überholten Geber-Nehmer-Strukturen und dabei auch afrikanische Eigenanstrengungen und Eigenverantwortung fördern.

Durch die Afrikanische Union spreche Afrika auch zunehmend mit einer Stimme und verschaffe sich sowohl bei regionalen Anliegen als auch auf der internationalen Bühne immer mehr Gehör. Deutschland unterstützt diese Eigenanstrengungen, zum Beispiel durch den Aufbau eines Krisen- und Frühwarnsystems für die Afrikanische Union oder durch das Einsetzen für eine stärkere Präsenz des Kontinents im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Beispiele Transformations- und Energiepartnerschaft

Außenminister Westerwelle führtr zwei Beispiele für deutsch-afrikanische Partnerschaft in seiner Rede auf: zum einen die Transformationspartnerschaft, die Deutschland Ägypten und Tunesien angeboten hat, um ihren Weg der gesellschaftlichen und politischen Modernisierung zu unterstützen.

Zum anderen die Energie- und Rohstoffpartnerschaften, etwa mit Nigeria, deren Ziel nicht nur die Sicherung der deutschen Rohstoff- und Energieversorgung ist, sondern auch dafür sorgen soll, dass die Menschen in Afrika von dem natürlichen Ressourcenreichtum in ihren Ländern profitieren.

"Das vorliegende Afrika-Konzept ist ein Referenzdokument für das Engagement der Bundesregierung in und mit Afrika", schloss der Bundesaußenminister seine Einführung. Es füge sich auch in die Gemeinsame EU-Afrika-Strategie. "In gemeinsamer Anstrengung wollen wir die afrikanischen Gesellschaften und Staaten auf ihrem Weg zu Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unterstützen."

* Quelle: Website des Auswärtigen Amts, 15. Juni 2011; www.auswaertiges-amt.de


Neues Afrika-Konzept der Bundesregierung:

Die Wirklichkeit schön geschrieben

Bonn, 15. Juni 2011 – Das heute vom Bundeskabinett verabschiedete Afrika-Konzept der Bundesregierung ignoriert die Lebenswirklichkeit eines Großteils der afrikanischen Bevölkerung. Nicht die Überwindung von Armut und Hunger stehen im Vordergrund, sondern deutsche Wirtschaftsinteressen, kritisiert der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO).

„Dennoch begrüßen wir, dass die Bundesregierung erstmalig ein ressortübergreifendes Afrika-Konzept erstellt hat. Dies ist eine Chance für eine entwicklungsfördernde abgestimmte Politik. Wir begrüßen auch, dass die Bundesregierung bei den Potenzialen des Kontinents ansetzt und nicht bei der Beschreibung von Bürgerkriegen, Korruption und Hunger verharrt. Allerdings malt sie sich den Kontinent im Konzept bisweilen schön.

Zudem konkurrieren in dem Papier gegensätzliche Interessen miteinander. Tatsächliche oder mögliche Zielkonflikte deutscher Afrikapolitik wie beispielsweise bei der Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung werden nicht benannt“, so VENRO-Vorstandsvorsitzender Ulrich Post.

Insbesondere das Thema ländliche Entwicklung hätte in dem Konzept eine prominentere Rolle spielen müssen. 80 Prozent der armen Menschen in Subsahara Afrika leben auf dem Lande. Im Vordergrund des Papiers stehen stattdessen Wachstum, die Öffnung von Märkten für die deutsche Wirtschaft und eine stärkere Verzahnung zwischen Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit. Der Aufbau der afrikanischen Volkswirtschaften wird dagegen außen vorgelassen.

„Auch die Millenniumsentwicklungsziele finden sich in dem 70seitigen Papier leider nur nach intensiver Suche – ein weiterer Hinweis auf das wachsende Desinteresse der Bundesregierung an diesen Zielen“, so Post. „Mag sein, dass das schwindende Interesse mit dem mangelhaften Einhalten finanzieller Zusagen zusammenhängt. Denn auch ihre Entwicklungsausgaben hat sich die Bundesregierung in dem Konzept schön geschrieben.“

Der Verabschiedung des Afrika-Konzeptes gingen langwierige und kontroverse Abstimmungen voraus. Die Zivilgesellschaft wurde weitgehend außen vor gehalten. VENRO hatte dies mehrfach kritisiert und eine öffentliche Stellungnahme dazu abgegeben.

In dem Afrika-Konzept werden die Grundlinien der künftigen deutschen Afrika-Politik zusammengefasst. Die Bundesregierung sichert den derzeit 54 afrikanischen Staaten eine "Partnerschaft auf Augenhöhe" zu. Als oberstes Ziel werden in dem Papier "Frieden und Sicherheit" in Afrika genannt.

Die Bundesregierung sieht aber auch gute Chancen für die deutsche Wirtschaft. Auf dem afrikanischen Kontinent leben derzeit mehr als eine Milliarde Menschen, das Wirtschaftswachstum lag in den vergangenen Jahren bei durchschnittlich sechs Prozent. Post: „Dieses Wachstum geht aber nur auf einige wenige Länder zurück und beruht im wesentlichen auf gestiegenen Rohstoffpreisen – die Wachstumszahlen sind Schönfärberei.“

Quelle: Pressemitteilung, Website von VENRO, 15. Juni 2011; www.venro.org

Langfassung

Hier geht es zur Langfassung der Kritik entwicklungspolitischer Organisationen: Stellungnahme zum ressortübergreifenden Afrika-Konzept der Bundesregierung Stellungnahme (pdf-Datei)




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