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Terror-Bekämpfung in der Sahelzone – Mehr US-Militäroperationen im nördlichen Afrika

Ein Beitrag von Dirk Eckert aus der Sendereihe des NDR "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderation):
Der Kampf gegen Terroristen steht ganz oben auf der Agenda des US-Militärs. Inzwischen engagieren sich die Streitkräfte auch immer stärker im nördlichen Afrika. Informationen von Dirk Eckert:


Manuskript Dirk Eckert

US-Militärstützpunkte gibt es überall auf der Welt. In Deutschland und anderen NATO-Ländern sowieso, außerdem auch in Afghanistan und weiteren asiatischen Ländern. Aber in Afrika? US-Soldaten zwischen Sahel und Sahara? Ja, auch das gibt es, wenn auch bislang in viel geringerem Ausmaß: Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit baut das US-Militär seine Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent aus. US-Soldaten gehen mittlerweile in vielen afrikanischen Ländern ein und aus.

In Mali zum Beispiel bereitet die Abspaltung des Nordens von Mali den Militärstrategen Sorgen. Denn dort regiert eine islamistische Gruppe, die Al Qaida nahesteht und strenge islamische Gesetze durchsetzen will. Wohl nicht ganz zu Unrecht fürchtet der Westen, dass hier ein neuer Taliban-Staat entsteht, wie die Zerstörung von Heiligen-Gräbern durch Islamisten in Timbuktu zeigte.

Dass in Mali inzwischen US-Soldaten unterwegs sind, erfuhr die amerikanische Öffentlichkeit eher beiläufig. Im April verunglückten dort drei US-Soldaten mit ihrem Jeep. Auch drei Zivilisten starben bei dem Unfall, wie das Militär mitteilte. Schlagzeilen machte der Fall, weil es sich dabei um marokkanische Prostituierte gehandelt haben soll, wie jedenfalls die WASHINGTON POST schrieb.

Offiziell haben die USA in Afrika nur einen Stützpunkt: Camp Lemonier in Dschibuti am Horn von Afrika, strategisch gut gelegen nördlich von Somalia und nicht weit entfernt vom Jemen, auf der anderen Seite des Roten Meeres. Doch die Frage ist, was man unter einem Truppenstützpunkt versteht. Eric Elliot, Sprecher des für Afrika zuständigen US-Kommandos AFRICOM, bestätigt, dass US-Militärs nicht nur in Dschibuti sind:

O-Ton Elliot (overvoice)
„Wir haben kleinere Präsenzen an verschiedenen Stützpunkten, normalerweise für besondere Operationen oder Aufgaben wie die Mission in Uganda. Aber diese sind nur vorübergehend und außerdem sehr klein.”

Kleinere Stützpunkte gibt es etwa in der Zentralafrikanischen Republik, im Kongo, Äthiopien, Kenia, Mali, dem Südsudan und den Seychellen. Insgesamt sind derzeit rund 5.000 US-Amerikaner in Afrika im Einsatz: Militärpersonal und zivile Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums. Anstatt eigene Truppen auf den afrikanischen Kontinent zu schicken, setzen die Vereinigten Staaten vor allem darauf, das einheimische Militär bei der Terroristen-Bekämpfung einzuspannen. AFRICOM-Sprecher Elliot:

O-Ton Elliot (overvoice)
„Zunächst mal gibt es Übungen. Wie haben jedes Jahr 17 verschiedene Übungen, an denen wir in Afrika teilnehmen. Zweitens gibt es Military-to-military-Programme. Wenn uns ein Land um Hilfe für eine bestimmte Aufgabe bittet, senden wir ein kleines Team dorthin, um das dortige Militär für diese Aufgabe auszubilden.”

US-Militärs sind aber nicht nur beratend tätig. In Zentralafrika zum Beispiel sind rund 100 Angehörige von US-Spezialkräften im Einsatz. Sie unterstützen einheimische Truppen bei der Jagd auf den ugandischen Warlord Joseph Kony, den berüchtigten Anführer der Lord’s Resistance Army. Und im Osten Afrikas, vor der Küste Somalias kreuzen US-Kriegsschiffe, um gegen Piraterie vorzugehen. Dort ist die US-Marine freilich nicht allein. Auch andere Staaten, darunter Deutschland, haben Schiffe geschickt.

Außerdem führen die USA von einheimischen Flugplätzen aus Überwachungsmissionen durch – u.a. in Nordafrika. Nach den Recherchen der WASHINGTON POST werden solche Aufgaben häufig an private Sicherheitsdienstleister delegiert. Wie viele im Einsatz sind, ist nicht bekannt. Zur Überwachung werden kleine Turbopropflugzeuge vom Typ Pilatus PC-12 benutzt, die unbewaffnet, aber mit moderner Überwachungstechnik ausgestattet sind. Sie können tausende Meilen fliegen und Videoaufzeichnungen machen oder Radiosignale und Telefonanrufe aufzeichnen.

Private Sicherheitsdienstleister seien auch beim Training fremder Streitkräfte im Einsatz, erklärte der AFRICOM-Oberbefehlshaber General Carter F. Ham, im März vor dem Streitkräfteausschuss des US-Repräsentantenhauses:

O-Ton Ham (overvoice)
„Für uns ist in Afrika der Einsatz von Dienstleistern bei den meisten Missionen eine gute Lösung. Sie entspricht der US-Richtlinie, nur einen leichten militärischen Fußabdruck zu hinterlassen. Wir möchten die einzigartigen Fähigkeiten des US-Militärs zur Verfügung stellen, dann, wenn und dort wo sie benötigt werden. Wir verstärken dies durch die Basis-Fähigkeiten, die die Sicherheitsdienstleister bereitstellen.“

Ein heute schon wichtiger Stützpunkt für Überwachungsmissionen liegt in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Das Land liegt südlich von Mali und westlich von Nigeria, wo die radikalislamische Sekte Boko Haram mit Anschlägen auf christliche Kirchen für einen islamischen Staat kämpft. AFRICOM-Sprecher Elliot:

O-Ton Elliot (overvoice)
„Wir haben in dieser Region bestimmte Bedrohungen identifiziert. Dazu gehören Al-Qaida-Organisationen in Mali oder in Nigeria. Oder die Al-Shabaab in Somalia. Der beste Weg, darauf zu reagieren, ist, den dortigen Regierungen zu helfen, ihre Fähigkeiten zu verbessern, um darauf antworten zu können.”

Doch auch in den USA ist umstritten, ob sich die Vereinigten Staaten in jeden Konflikt der Welt einschalten müssen. Vor allem im US-Außenministerium, schreibt die WASHINGTON POST, fragen sich einige, ob es sich nicht eher um lokale Konflikte handelt, die keine Bedrohung für US-amerikanische Interessen darstellen. Auch wenn es sich im Einzelfall um einen vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchten, mutmaßlichen Kriegsverbrecher wie Joseph Kony handelt.

Aber die wachsende amerikanische Militärpräsenz fällt nicht zufällig in eine Zeit, in der China seinen Einfluss in Afrika massiv ausbaut. Es geht also letztlich doch um Interessen, Macht und Einfluss. Als Gewinn winken Afrikas Rohstoffe und der Weltmacht-Status.

Ohne Risiko ist diese Politik freilich nicht. Wie wenig die Militärstrategen die Folgen ihrer Politik vorausberechnen können, zeigt der Fall Mali. Denn die Machtergreifung der Islamisten im Norden des Landes ist eine indirekte Folge des Krieges gegen Gaddafi. Nach dem Sturz des Diktators flohen viele Angehörige des Berber-Volkes der Tuareg aus Libyen, wo sie vorher unter Gaddafi als Söldner gedient hatten. Ihre Waffen nahmen sie mit und schlossen sich dann mit einer Gruppe Islamisten zusammen. Sie eroberten den Norden Malis und erklärten ihn unter dem Namen Azawad für unabhängig.

Diese Gruppe radikaler Muslime, die sich Ansar Dine nennt – die Verteidiger des Glaubens –, hat inzwischen offenbar die Tuareg ausgeschaltet und in dem ausgerufenen neuen Staat das islamische Gesetz, die Scharia, eingeführt. Ein Super-Gau für die US-Politik - hat der Kampf gegen Al-Qaida seit dem 11. September für die USA doch oberste Priorität. Nun kontrollieren radikale Islamisten ein Gebiet das drei Mal so groß ist wie Großbritannien. Und sie haben auch Zugriff auf alles, was die malische Armee dort zurückgelassen hat, berichtet der britische TELEGRAPH. Neben Armeeeinrichtungen und Waffendepots gehören dazu auch Fahrzeuge und Kommunikationstechnik, die die USA einst an die Armee von Mali geliefert hatte, berichtet das britische Blatt. Die Aufrüstung des Landes durch Washington hatte also nicht die erhoffte stabilisierende Funktion. Im Gegenteil. Angrenzende Regionen drohen unter die Kontrolle der Islamisten zu fallen. Möglicherweise führt diese Entwicklung dazu, dass sich die USA schon demnächst mit noch mehr eigenen Kräften in der Sahel-Zone engagieren werden.

* Aus: NDR-Forum "Streitkräfte und Strategien"; 25. August 2012; www.ndrinfo.de


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