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Leih-Leoparden und Granaten nach Afghanistan

Deutsche Waffen für Kriegs- und Spannungsgebiete / Regierung bürgt für Exporte

Von René Heilig *

Deutsche Konzerne sowie der deutsche Staat verdienen nicht nur allgemein am Rüstungsexport. Gerade der Afghanistankrieg spült Geld in die Kassen.

Bislang ist es Usus, dass die Bundesregierung mit ihrem jeweiligen Rüstungsexportbericht Jahre hinter den tatsächlichen Geschäften hinterher hinkt. Derzeit liegen erst die Daten über im Jahr 2005 genehmigte Exporte vor. Um die Lücke zwischen Bericht und Abwicklung der Geschäfte nicht zu groß werden zu lassen, fragte der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Paul Schäfer, bei der Regierung nach. So umfangreich die Antwort zur vertraglichen Überlassung von Wehrmaterial aus Bundeswehrbeständen seit dem 1. Januar 2006 – Verkauf, Schenkung, Leihe – auch ist, vollständig kann sie nicht sein. Nicht aufgeführt ist beispielsweise eine Vereinbarung vom 18. Mai 2007. Im Rahmen der Bündnissolidarität versprach man, Kanada 20 Kampfpanzer Leopard 2A6M und zwei Bergepanzer zu leihen. Die »Leos« sind mit Minenschutz versehen, haben neue Elektronik und Funktechnik sowie eine stärkere 120mm-Kanone. Ab Juli lieferte man. Nach Afghanistan. Dort ersetzen sie im südlichen Kampfgebiet ältere Modelle, die seit 2006 am Hindukusch operieren.

Von dem Bündnisdeal findet sich kein Wort in der Auflistung des zuständigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Nur durch Interpretation anderer Daten kann man Rückschlüsse ziehen. Als »Leihe« übergab man Kanada nämlich die Position »Ersatzteilpaket und Sonderwerkzeuge KPz Leopard 2A6M und Bergepanzer 3 + Zubehör«. Doch nur mit Ersatzteilen kann selbst der modernste Panzer der Welt nicht kämpfen. Daher liefert man für 3,315 Millionen Euro 6500 Schuss Kanonenmunition DM 12A2 und 500 Schuss DM 33A2 für 335 000 Euro.

Darüber hinaus liefert die Bundesrepublik alles, was sich irgendwie zu Geld machen lässt: 274 ältere Leopard-Panzer für knapp 8 Millionen Euro an Brasilien, MG-Munition an Dänemark, Marineersatzteile an Griechenland, 2500 Mörsergeschosse an Litauen, Lenkflugkörper an Spanien und Lkw bis in die Emirate. Seit Januar 2006 wurden 105 Sammelausführgenehmigungen beantragt und genehmigt. Hinter dem Begriff kann sich alles verbergen. 13 Rüstungsexportgeschäfte liefen oder laufen mit staatlichen Bürgschaften. Israel ist in der Liste aufgeführt mit einem Auftragswert von einer Milliarde Euro. Die Summe lässt vermuten, dass es sich um zwei U-Boote der »Dolphin«-Klasse handelt. Das Geschäft, noch unter Rot-Grün eingefädelt, war im Herbst 2006 perfekt. Die Kreditlaufzeit beträgt vier Jahre. Ebenfalls in den Genuss staatlich abgesicherter Rüstungslieferungen in ein Spannungsgebiet kommt Pakistan. Es gibt insgesamt neun Bürgschaften.

Unklar sind indessen Lieferungen im Rahmen der EU-Kooperation. Beispiel: Frankreich, das gerade Waffen-Lieferant Libyens wurde, wurde seit Anfang 2006 mit 62 Sammelausfuhrgenehmigungen bedacht. So sind deutsche Zulieferungen für die EADS-Rakete »Milan« durchaus möglich, die demnächst von Paris an das Gaddafi-Regime geliefert wird.

* Aus: Neues Deutschland, 10. August 2007

Mitgegangen

Von René Heilig **

Auch wenn es stiller geworden ist um die deutsche Geisel in Afghanistan – man kann davon ausgehen, dass der Krisenstab des Auswärtigen Amtes samt BND und mehr oder weniger ehrlicher Vermittler vor Ort weiter angestrengt an der Befreiung des bedauernswerten Menschen arbeiten. Klar, dass unsere Regierung, die sich ja nicht erpressen lassen will, immer wieder betont, welch segensreiche Arbeit wir Deutschen in Afghanistan leisten. Selbst die Leute, die da in einer Uniform aufgekreuzt sind. Alles Wiederaufbauhelfer.

Es gibt viele Gründe, weder die Taliban-Führer noch diverse Opium-Warlords zu mögen. Geschweige, ihnen zu trauen. Doch für blöd sollte man sie deshalb nicht verkaufen. Sie erleben doch täglich, dass ISAF nicht nur Straßen baut, sondern dass sie Tornados ausschickt, die neue Attacken vorbereiten helfen. Ihnen ist nicht entgangen, dass die KSK-Truppe für die USA Handlanger spielte. Und es gehört nicht viel dazu, um zu erfahren, wer Panzer und Granaten fertigt, mit denen nicht nur Taliban-Kämpfer umgebracht werden.

Deutsche Konzerne sind bestens im Geschäft. Gerade jetzt, wo es darum geht, neue Waffen auf den Kriegsschauplatz zu schaffen. Ganze Herden von »Dingos«, »Mungos«, »Fenneks«, »Grizzlies« werden kreiert, um sie denen zu verkaufen, die Afghanistan unter ihre strategische Kontrolle bringen wollen. Das alles rechtfertigt keine Geiselnahme, doch es erklärt einiges. Von wegen mitgegangen ...

** Aus: Neues Deutschland, 10. August 2007 (Kommentar)




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