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Russland erinnerte an Afghanistan

Vor 20 Jahren wurde der Abzug beendet

20 Jahre nach Abzug der letzten sowjetischen Truppen aus Afghanistan haben in Russland Kriegsveteranen und Politiker der Opfer gedacht. Im Zentrum von Moskau erinnerten Kriegsveteranen bei einem Trauermarsch an die etwa 15 000 getöteten Soldaten der Sowjetarmee. Der Kommandeur der in Afghanistan eingesetzten 40. Armee, Boris Gromow, forderte von der russischen Führung mehr Fürsorge für die Veteranen. »Die Regierung muss sich um diejenigen kümmern, die sie in Krisenherde schickt«, sagte Gromow.

Am 15. Februar 1989 hatten die letzten von insgesamt etwa einer halben Million Sowjetsoldaten nach fast zehn Jahren Krieg Afghanistan verlassen. Der russische Präsident Dmitri Medwedjew forderte die ehemaligen Soldaten am Sonntag auf, sich mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen in die Gesellschaft einzubringen. In Moskau legten am Grabmal des Unbekannten Soldaten am Kreml Hinterbliebene Blumen und Kränze nieder. Auch in Belarus, der Ukraine, in Kasachstan und Armenien erinnerten die Staatsführungen an den Einsatz der Soldaten.

Unterdessen haben sich US-Regierung und afghanische Behörden angesichts massiver Kritik an der steigenden Zahl ziviler Opfer bei internationalen Militäroperationen in Afghanistan auf einen besseren Schutz der Bevölkerung verständigt. Afghanische Sicherheitskräfte würden zukünftig stärker in Planung und Ausführung von US-Militäraktionen in dicht besiedelten Gebieten eingebunden, sagte Staatspräsident Hamid Karsai am Sonntag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem neuen US-Sondergesandten für Afghanistan, Richard Holbrooke. Er sei »dankbar«, dass beide Seiten ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet hätten, so Karsai weiter.

Im vergangenen Jahr kamen mehr als 2000 Zivilisten bei Kämpfen und Anschlägen in Afghanistan ums Leben. Für etwa ein Viertel der Opfer sollen die internationalen Truppen verantwortlich sein. Erst im Januar dieses Jahres starben nach afghanischen Angaben mehr als 30 Zivilisten bei Angriffen von US-Truppen im Osten des Landes, was heftige Proteste in der Region auslöste.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Februar 2009


Afghanistan: Westen wiederholt sowjetische Fehler

Von Ilja Kramnik **

Am 15. Februar jährt sich der Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan zum 20. Mal.

Damals, 1989, hatte die Welt gehofft, dass mit dem Abzug der sowjetischen Truppen Frieden in dem zentralasiatischen Land einkehren würde. Doch die Hoffnung wurde nicht erfüllt. Die USA sind heute mit Unterstützung ihrer NATO-Verbündeten im Afghanistan-Einsatz. Das internationale Truppenkontingent schwillt immer weiter an: Die USA haben angekündigt, dass sie ihre Truppen in dem umkämpften Land auf 52 000 Soldaten aufstocken.

Damals was für Moskau bereits klar, dass die simple Aufstockung der Truppen ohne die Zerschlagung der feindlichen Logistik- und Ausbildungsstützpunkte zwecklos ist. Diese Schläge waren jedoch nicht möglich. Die getöteten Mudschahedins aus Pakistan wurden durch neue Einzelkämpfer, Gruppen und großen Banden mit amerikanischen, chinesischen und sowjetischen Waffen ersetzt (letztere stammten von einigen ehemaligen Verbündeten der Sowjetunion). Dadurch fing alles wieder von vorne an.

Was geht jetzt vor? So gut wie dasselbe. Die USA kämpfen gegen Guerillas, die Unterstützung aus dem Ausland, nämlich aus Iran und Pakistan, bekommen, und können Stützpunkte im benachbarten Ausland nicht zerschlagen. Ein Krieg auf pakistanischem Terrain ist gegenwärtig ebenso unmöglich wie ein Krieg gegen Iran.

Die Aufstockung des US-Kontingents in Afghanistan wird nichts bringen außer wachsenden Verlusten. Nach dem Abzug der USA wird Afghanistan in Kürze wieder unter die Herrschaft der Taliban geraten.

Gegenwärtig haben die USA immer mehr Schwierigkeiten mit der Versorgung der Truppen in Afghanistan. Diese lassen sich am besten über den Norden versorgen, wo Russland großen Einfluss hat. Vor kurzem hat der neue US-Geheimdienstdirektor Dennis Blair Moskau direkt vorgeworfen, es habe die USA vom Luftwaffenpunkt Manas in Kirgisien verdrängt. „Ich bin ehrlich gesagt über Russlands Rolle bei den Verhandlungen über den Luftwaffenstützpunkt Manas in Kirgisien enttäuscht“, sagte Blair. „Es entsteht der Eindruck, dass Russland keine nützliche Rolle dabei spielt. Und das trotz seiner generellen Meinung, dass die Rolle der USA in Afghanistan und die Bekämpfung der Terroristen in diesem Land Russlands Interessen entsprechen, weil es in seinen südlichen Regionen mit gewaltsamem sunnitischen Extremismus konfrontiert ist.“

Doch am gleichen Tag verhandelte Russland mit US-Vertretern über den Transit von nicht-militärischen Gütern nach Afghanistan durch sein Territorium. Dabei verhandelte Moskau ernsthaft und nahm konkrete Verpflichtungen auf sich. Was soll das alles bedeuten?

Russland behindert die USA bei den Versuchen, Einfluss in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu gewinnen, hat jedoch mehrere Gründe, die US-Operation in Afghanistan zu unterstützen. Zu den wichtigsten Gründen zählt, dass der ausbleibende Erfolg der Operation die USA nachgiebiger in mehreren Grundsatzfragen bezüglich des Einflusses in Asien machen kann. Ein kaum weniger wichtiger Grund ist auch die Tatsache, dass Russland seine zentralasiatischen Verbündeten erneut vor Extremisten aus Afghanistan schützen muss, falls die USA und ihre Partner aus dem Land abziehen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der der RIA Novosti übereinstimmen.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 15. Februar 2009; http://de.rian.ru


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