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Weiter in die Sackgasse

Von Paul Schäfer *

Knapp sieben Wochen nach der Amtsübernahme von Barack Obama müssen auch die größten Optimisten einsehen: Der Wahlslogan »Change« gilt nicht für die Afghanistan-Politik der neuen US-Regierung. Die US-Truppenstärke wird um 17 000 auf insgesamt etwa 55 000 angehoben. Die Entsendung weiterer 13 000 US-Soldaten wird noch geprüft. Rechnet man noch die bereits vorhandenen 32 000 Truppen aus anderen NATO-Staaten hinzu, könnte dieses Jahr die 100 000er Grenze erreicht werden – soviel ausländische Soldaten, wie letztmals 1988 kurz vor dem Scheitern der sowjetischen Intervention in Afghanistan präsent waren.

Obama scheint gewillt, diesen Kurs fortzusetzen – ob aus Ratlosigkeit oder aus tatsächlichem Glauben an einen militärischen Sieg über die Aufständischen. Es wäre dem »Hoffnungsträger« dringend zu raten, an das Beispiel Vietnam zu denken. Innerhalb von nur drei Jahren nach der Übernahme der Zuständigkeit über ganz Afghanistan im Herbst 2006 wird sich die Zahl ausländischer Soldatinnen und Soldaten verdoppelt haben. Was hat die massive militärische Aufstockung der USA und NATO in den letzten drei Jahren gebracht? Einen eher stagnierenden Wiederaufbau, weniger Sicherheit, mehr zivile Opfer und die Ausweitung der Kämpfe auf pakistanisches Gebiet. Eine fatale Bilanz also – vor allem für die afghanische Bevölkerung.

Die Bundesregierung verkündet seit zwei Jahren, die zivilere europäische Variante würde sich langsam durchsetzen. Davon ist wenig geblieben. Beim Polizeiaufbau orientiert man sich längst an den US-Vorstellungen einer afghanischen Polizei, die tatkräftig bei der Aufstandsbekämpfung mithilft. Wenn die USA nun erneut massiv aufstocken, dann ist klar, wer hier Meister und wer Geselle ist. Andererseits wird man den Eindruck nicht los, dass diese Rolle als Mitläufer der Bundesregierung hervorragend zu passen scheint.

Das militärische Engagement der Bundeswehr wird weiter ausgebaut, und das mit möglichst wenig Tamtam in der Öffentlichkeit. Jetzt sollen 600 Soldatinnen und Soldaten zusätzlich nach Afghanistan geschickt werden, davon 400 auf Dauer. Wenn auch noch die AWACS aus Geilenkirchen in Marsch gesetzt werden, ist die nächste Anhebung der Mandatsobergrenze fällig. Die 400 »Dauergäste« sollen vor allem die Schnelle Eingreiftruppe QRF (Quick Reaction Force) verstärken. Gerade letztere Entscheidung zeigt: Es geht nicht mehr in erster Linie um den Schutz der Wiederaufbauteams. Die QRF ist als flexibel einsetzbarer Kampfverband konzipiert – für offensive Operationen der Aufstandsbekämpfung. Die QRF steht damit für die zunehmende Angleichung an die US-Strategie. Und damit für die Sackgasse, in der man sich befindet.

Der Abzug der Bundeswehr ist und bleibt das Gebot der Stunde. Die Beendigung der NATO-Intervention in Afghanistan ist im Interesse der dortigen Bevölkerung. Nach einer repräsentativen Umfrage sagt die Mehrheit der Afghaninnen und Afghanen, dass die ausländischen Truppen binnen zwei Jahren das Land verlassen sollten. Wenn es nach der Vernunft geht, müssten dafür die Weichen auf dem NATO-Gipfel Anfang April gestellt werden.

* Der 1949 in Mainz geborene Soziologe ist verteidigungspolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag.

Aus: Neues Deutschland, 7. März 2009 (Gastkolumne)



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