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Haschisch in Afghanistan

Deutscher Entwicklungshilfeminister Niebel tourt im Drogenparadies

Von René Heilig *

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat sich erneut für eine enge Zusammenarbeit von Militär und Entwicklungshelfern in Afghanistan ausgesprochen. Ohne ein Minimum an Sicherheit könne Entwicklungshilfe zu Schutzgelderpressung, Entführungen und Korruption führen.

Niebel hat vergessen, die Drogen zu erwähnen. Denn die sind ein nicht minder großes Problem. Die UNO-Drogenbehörde (UNODC) veröffentlichte Mitte der Woche einen Bericht über den Drogenanbau in Afghanistan. Ergebnis: Das Land am Hindukusch, das unter dem militärischen »Schutz« der westlichen Gemeinschaft steht, ist mit 90 Prozent der Opium-Weltproduktion weiter die Nummer 1. Inzwischen ist Afghanistan aber auch der Hauptproduzent von Cannabis (Haschisch.

Die Drogenpflanzen scheinen in Afghanistan besonders gut zu gedeihen. Während in Marokko gerade einmal 40 Kilogramm Haschisch pro Hektar erlöst werden, sollen es in Afghanistan 145 Kilogramm sein. Bis zu 3500 Tonnen werden so von afghanischen Bauern angeblich pro Jahr produziert und zumeist exportiert.

Die UN-Erhebung basiert auf Daten aus 1634 Dörfern in 20 Provinzen. UNODC drängt, dass den Bauern Alternativen angeboten werden müssten. Jetzt verdienen sie einfach mehr mit dem Anbau von illegalen Drogenpflanzen. Das aber fördert die Korruption und schwächt die Zentralregierung.

Doch so konkret waren die Äußerungen Niebels nicht. Er verlangte nur pauschal, die afghanische Regierung müsse den Kampf gegen die Korruption stärker vorantreiben. »Die Bundesrepublik Deutschland will ihre zivilen Anstrengungen verdoppeln, aber wir werden das Geld nicht zum Fenster rausschmeißen. Unsere Steuerzahler haben das hart erarbeitet«, sagte der Minister und stimmte ein in den Chor der internationalen Helfer. Wenn mehr Geld fließen soll, müsse sich bald etwas ändern.

Rund 1,1 Milliarden Euro hat die Bundesregierung seit 2002 in den Aufbau Afghanistans investiert. Eine Summe, die sich nur schwer in Projekte umrechnen lässt. Viele sind zudem den logistischen Bedürfnissen der ISAF-Militärs geschuldet. Bei Niebels Reise wurde von ihm auch deutlich gemacht, dass deutsche Entwicklungshilfe nur noch dort einzusetzen sei, wo Bundeswehr stationiert ist – also im Norden Afghanistans.

Viele Hilfsorganisationen sehen das kritisch. Die Forderung sei »nur zulässig, wenn nicht andere Provinzen durch das Raster fallen«, sagte beispielsweise Timo Christians von der Welthungerhilfe. Es gebe Provinzen, in die kaum Hilfe gelange. Auf diese Weise setze man »keinen guten Anreiz«, betont der Afghanistan-Experte: Wo es ruhig ist, passiere nichts, »wo der Aufstand ist, wird reingebuttert«. Niebels Vorstoß sei »zu einfach gedacht«, sagte Marianne Huber von der Caritas gleichfalls gegenüber epd. Auch die Welthungerhilfe sieht die Gefahr, dass die Aufbauhilfe mit einer Konzentration auf die Bundeswehr-Region im Norden zu kurzatmig angelegt sein könnte.

*Aus: Neues Deutschland, 3. April 2010


Einzelkämpfer Niebel

Von Detlef D. Pries **

Entwicklungsminister Dirk Niebel will auf die ihm lieb gewordene Bundeswehrkappe nicht verzichten. Schließlich hat er einst beim Einzelkämpferlehrgang 50 Liegestütze machen müssen, um sie behalten zu dürfen. Dieser Tage führte Niebel sein bestes Stück in Afghanistan vor und warb so auch äußerlich für die »Verzahnung« von Entwicklungshilfe und Bundeswehreinsatz, was traurig oft gleichbedeutend ist mit Aufbau und Wiederzerstörung. Bei Entwicklungshelfern ließ das die Alarmglocken schrillen, und selbst aus dem Regierungslager wurden Warnungen vor »irreführender Vermischung von zivilem und militärischem Engagement« laut.

Richtig ist: Entwicklungshilfe bedarf eines Minimums an Sicherheit. Doch die Bundeswehr, das erwies sich gerade gestern wieder auf tragische Weise, führt in Afghanistan Krieg – und macht sich Feinde selbst dort, wo es sie vorher nicht gab. Zivile Helfer laufen unter diesen Bedingungen Gefahr, mit dem Militär gleichgesetzt zu werden. Bestes Beispiel bietet die Welthungerhilfe, die ihre Projekte im Einsatzgebiet der Bundeswehr aufgab, nachdem ein Mitarbeiter bei einem Anschlag getötet und andere gewarnt wurden, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten. Wer Hilfsprojekte auf die Dörfer an der Patrouillenrouten der eigenen Soldaten konzentriert, macht Entwicklungshelfer zu Geiseln der Kriegführung. So etwas lernt man freilich nicht im Einzelkämpferlehrgang.

**Aus: Neues Deutschland, 3. April 2010 (Kommentar)


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