Deutsche sollen mehr Risiko eingehen
US-General und ISAF-Chef McChrystal greift massiv in deutsche Afghanistan-Debatte ein
Von René Heilig *
Mehr Soldaten, mehr Risiko und eine neue Strategie. Wohl nicht zufällig greift der NATO- und ISAFKommandeur
Stanley McChrystal in die in Deutschland geführte Afghanistan-Debatte ein. Via »Bild«-
Zeitung.
Der Chef der sogenannten Schutztruppe in Afghanistan, Stanley McChrystal, wünscht
sich einen stärkeren Einsatz der Deutschen am Hindukusch. Das bezieht er nicht nur auf die Anzahl
der Soldaten. Er will einen grundsätzlichen Strategiewechsel beim Einsatz der Bundeswehr, die ihre
Besatzungszone in Norden des Landes hat. In einem Interview mit der »Bild«-Zeitung kündigte der
US-General an, dass er seine Forderungen Anfang Februar auf der Sicherheitskonferenz in
München vorstellen werde.
McChrystal will außerdem im deutschen Parlament für die neue US-Strategie und für mehr deutsche
Soldaten werben. Vor allem mehr Ausbilder für die afghanischen Streitkräfte sind vonnöten, denn
auch McChrystal hat von seinem Chef, dem US-Präsidenten Obama, den Auftrag bekommen, die
Karsai-Truppe rasch so zu drillen, dass sie die »Sicherheit« im Lande garantieren kann.
In Kabul, aber auch in anderen NATO-Ebenen hört man von großem Unmut über die unklare
Haltung der Deutschen zum Thema Truppenaufstockung. Bereits im Sommer hatte die USRegierung
Berlin um ein größeres Engagement gebeten. Doch Zusagen bleiben aus, Außenminister
Guido Westerwelle (FDP) will sich alle Optionen offenhalten und erst nach der internationalen
Afghanistan entscheiden, die Ende Januar in London stattfindet. Man wird sehen, was die Kanzlerin
am Vorabend der Konferenz in ihrer angekündigten Rede vor dem Bundestag erklärt.
McChrystal hat jedoch auch Kritik an dem ihm bislang schon unterstellten Deutschen mitgebracht.
Die Bundeswehrsoldaten sollten mehr Risiken eingehen. »Vielleicht müssen sie sogar die Art und
Weise ändern, wie sie bisher vorgegangen sind.« In jedem Fall sei es die falsche Taktik, »dass die
Sicherheitskräfte in ihren Feldlagern bleiben, ihre gepanzerten Fahrzeuge nicht mehr verlassen,
kaum noch Kontakt zur Bevölkerung haben«.
Für den General hat der »deutsche« Norden schon aus Nachschubgründen eine große Bedeutung.
Er sei »entscheidend für die Stabilität Afghanistans«, sagte er und betont die Notwendigkeit eines
engeren Kontakts der Soldaten zu den Bewohnern. Vor allem dort, wo die Taliban und andere
Widerständler wieder Fuß gefasst haben, treten die Deutschen nur noch in Konvois mit gepanzerten
Fahrzeugen auf. Das verbreitet mehr Angst als Vertrauen.
Die Deutschen werden bereits durch die massive Stationierung von US-Truppen im Norden
Afghanistans unter Druck gesetzt. So entsendet die amerikanische Armee schon in den kommenden
Wochen die ersten Einheiten nach Kundus und Masar-i-Sharif. Bis zum Sommer sollen rund 2500
US-Soldaten inklusive einer Hubschrauberstaffel in der Region einsatzbereit sein.
Trotz Kritik hatte McChrystal zumindest für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)
freundliche Worte. Den jungen Minister habe er sehr »entgegenkommend« erlebt. »Ich glaube, wir
werden ausgezeichnet zusammenarbeiten«, so der US-General.
* Aus: Neues Deutschland, 21. Januar 2010
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