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Chronik Afghanistan

März 2006

Mittwoch, 1. März, bis Sonntag, 5. März
  • US-Präsident George W. Bush ist am 1. März zu einem Besuch in Afghanistan eingetroffen. Nach der Landung in Bagram wurde Bush von seinem afghanischen Amtskollegen Hamid Karsai in Kabul empfangen. Beim Gespräch im Präsidentenpalast dürfte es um die anhaltende Gewalt in Afghanistan und den Wiederaufbau des Landes gehen. Mehr als vier Jahre nach Beginn des internationalen Kampfes gegen den Terrorismus und dem Sturz der radikal-islamischen Taliban in Afghanistan ist es der erste Besuch des US-Präsidenten in der Krisenregion.
  • Die Produktion von Opium in Afghanistan wird in diesem Jahr wieder steigen. Laut einem am 3. März veröffentlichten Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) und der afghanischen Regierung planen die Bauern in 13 der 32 afghanischen Provinzen, den Anbau von Schlafmohn auszuweiten. Dies habe eine Umfrage in 469 Dörfern ergeben. Opium ist der Grundstoff zur Herstellung von Heroin.
  • Bei einem Anschlag auf einen kanadischen Militärkonvoi im Süden Afghanistans sind am 3. März fünf Soldaten verletzt worden. Ein Selbstmordattentäter rammte nahe Kandahar den Konvoi mit einem mit Sprengstoff beladenen Auto. Ein gepanzertes kanadisches Armeefahrzeug wurde beschädigt, das Sprengstoffauto total zerfetzt. Nach Angaben der Koalitionstruppen in der afghanischen Unruheprovinz wurden fünf Soldaten verletzt, einer davon schwer. Zu dem Anschlag bekannten sich die radikalislamischen Taliban. Der Anschlag ereignete sich auf der Straße zwischen Kandahar und Spin Boldak an der Grenze zu Pakistan. Der kanadische Konvoi war auf dem Weg zu einem regionalen Wiederaufbauteam (PRT) in der Region. Die kanadische Armee hatte am 28. Februar das Kommando über die multinationalen Truppen in Kandahar übernommen. Das kanadische Truppenkontingent unterstützt die afghanische und die US-Armee bei der Jagd nach Taliban-Kämpfern.
  • Ein französischer Marineoffizier ist bei einer "bewaffneten Auseinandersetzun" mit Kämpfern der radikal-islamischen Taliban im Süden von Afghanistan getötet worden. Der Soldat habe einer der dort eingesetzten Spezialeinheiten angehört, teilten das Verteidigungsministerium und der Generalstab am 4. März in Paris mit. Nähere Einzelheiten zu dem Vorfall wurden nicht bekannt gegeben.
  • Pakistans Präsident Pervez Musharraf kritisierte seinen afghanischen Kollegen Hamid Karsai für dessen Haltung im Kampf gegen den Terrorismus. Im US-Fernsehsender CNN sagte Musharraf am 5. März, dass er schwer enttäuscht vom afghanischen Geheimdienst sei. "Präsident Karsai merkt nicht einmal, was in seinem eigenen Land vor sich geht." Die Übermittlung von Geheimdiensterkenntnissen aus Afghanistan sei mangelhaft. Zu einer guten Zusammenarbeit gehöre, geheimdienstliche Informationen und Kontakte "unverzüglich zu übermitteln und nicht monatelang auf einen Präsidentenbesuch zu warten", um sie dann zu übergeben.
  • Ein kanadischer Soldat der NATO-geführten Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) ist am 5. März in einem Krankenhaus in Deutschland an den Folgen eines Verkehrsunfalls bei Kandahar gestorben. Wie die kanadischen Streitkräfte in Afghanistan mitteilten, saß der Obergefreite in einem gepanzerten Fahrzeug, das am 2. März von der Straße abgekommen war. Dabei war ein weiterer kanadischer Soldat gestorben, fünf andere wurden verletzt.
Montag, 6. März, bis Sonntag, 12. März
  • Bei schweren Kämpfen zwischen Soldaten und Taliban-Anhängern sind im Norden Pakistans etwa 120 Rebellen getötet worden. Nach dreitägigen Gefechten rückte die Armee nach eigenen Angaben am 6. März unter dem Schutz von Kampfhubschraubern in die umkämpfte Stadt Miranshah im Stammesgebiet an der Grenze zu Afghanistan ein und besetzte den Marktplatz sowie mehrere Regierungsgebäude. Es sei eine Ausgangssperre verhängt worden. Anwohner berichteten, mehr als tausend Familien seien aus dem Gebiet geflohen, nachdem sich Soldaten und Milizen mit Raketen und Artillerie beschossen hatten.
    Die Kämpfe in der Grenzstadt Miranshah hatten am 4. März begonnen, als Islamisten ein Regierungsgebäude besetzten. Allein am 6. März starben nach Angaben der Armee 19 Menschen, als die Armee eine besetzte Telefonzentrale stürmte. Damit habe sich die Zahl der seit dem 4. März getöteten Islamisten auf knapp 120 erhöht. Auch fünf Soldaten seien bei den Gefechten ums Leben gekommen, sagte ein pakistanischer Militärsprecher. Es waren die schwersten Kämpfe in der Region seit dem Sturz der Taliban-Regierung im Nachbarland Afghanistan Ende 2001. Die Armee setzte nach eigenen Angaben Kampfhubschrauber ein, um den Rest des Widerstands in der Region zu brechen.
  • Mit einer 21.000 Soldaten starken internationalen Truppe will die NATO will bis November ihren Friedenseinsatz auf ganz Afghanistan ausweiten. Die bislang selbstständig agierenden US-Truppen im unruhigen Osten des Landes sollen bis dahin verkleinert und unter den Oberbefehl der NATO-geführten Afghanistan-Schutztruppe ISAF gestellt werden, sagte der Oberkommandierende des Bündnisses, James Jones, am 7. März in Washington. Der erweiterten ISAF-Truppe werde die Sicherheit ganz Afghanistans obliegen, erklärte Jones. Unter alleinigem US-Befehl werde noch eine kleinere Spezialtruppe zum Anti-Terror-Kampf stehen. Bis Juli werde die ISAF zunächst ihre Ausdehnung nach Süd-Afghanistan abschließen. Dafür würden Großbritannien, Kanada, Australien, die Niederlande und Rumänien 5000 bis 6000 Soldaten bereitstellen und die Gesamtstärke der ISAF auf zunächst 15.000 Soldaten erhöhen. Bis zum NATO-Gipfel in Riga Ende November soll auch der Osten Afghanistans unter ISAF-Schutz stehen; der Truppe würden dann mit den frisch eingegliederten US-Soldaten 21.000 Mann aus 36 Ländern angehören. An dem Einsatz sind derzeit auch knapp 2250 Bundeswehrsoldaten beteiligt. Sie leisten ihren Dienst in der Hauptstadt Kabul und in so genannten Regionalen Wiederaufbauteams in Kundus und Faisabad im Norden des Landes. Die Zahl der US-Soldaten in Afghanistan wird gleichzeitg bis Juli von 19.000 auf 16.000 und danach um eine bislang noch unbekannte Größe weiter schrumpfen.
  • Aufständische haben am 11. März in der Provinz Helmand acht Mitarbeiter der Düsseldorfer Firma Ecolog entführt. Die Firma arbeitet in Afghanistan als Subunternehmer von US-Firmen im Reinigungsbereich und ist am Bau von Schulen und Krankenhäusern beteiligt.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf die Wagenkolonne des afghanischen Senatspräsidenten Sibgatullah Mudschadadi in Kabul sind am 12. März zwei Passanten und die beiden Attentäter getötet worden. Der Politiker, der unverletzt blieb, machte den Geheimdienst ISI im Nachbarland Pakistan für die Tat verantwortlich. Pakistan versuche, den Friedensprozess im Land zu verhindern. Auch Präsident Hamid Karsai warf ausländischen Kräften vor, hinter dem Attentat zu stecken.
  • Bei einem Bombenanschlag auf eine US-Militärpatrouille sind am 12. März im Osten Afghanistans vier US-Soldaten getötet worden. Nach Armeeangaben ereignete sich der Anschlag in der als Hochburg der Taliban-Rebellen geltenden Provinz Kunar. Der im Bezirk Petsch am Straßenrand deponierte Sprengsatz wurde nach Angaben des Provinzgouverneurs per Fernsteuerung zur Explosion gebracht.
Montag, 13. März, bis Sonntag, 19. März
  • In Afghanistan ist angeblich ein Deutscher entführt worden. Der Sprecher der radikal-islamischen Taliban, Kari Jussuf Ahmadi, erklärte am 13. März, der Deutsche gehöre zu einer Gruppe von vier entführten Ausländern, die für die US-Regierung gearbeitet hätten, "und sie werden deshalb zum Tode verurteilt". Aus Berlin hieß es: "Das Auswärtige Amt bemüht sich in Zusammenarbeit mit allen relevanten Stellen und in engem Kontakt mit den afghanischen Behörden um Aufklärung des Sachverhalts."
    Insgesamt waren am 11. März in der Stadt Kandahar acht Personen entführt worden, darunter vier afghanische Mitarbeiter einer Firma. Zunächst war jedoch nicht bekannt gewesen, dass unter den Entführten auch ein Deutscher sein soll. In ersten Berichte war von vier entführten Albanern die Rede gewesen. Ein Sprecher des Innenministeriums in Kabul erklärte am 13. März, die vier Afghanen seien mittlerweile frei gelassen worden. Er wollte sich jedoch nicht zu den Berichten über einen entführten Deutschen äußern. Die Polizei habe eine große Suchoperation eingeleitet.
  • Die Entführer von acht Mitarbeitern einer Düsseldorfer Firma in Afghanistan haben nach eigenen Angaben vier ihrer Geiseln getötet. "Heute kurz vor Mittag haben wir drei Albaner und einen Deutschen getötet, wir haben ihre Leichen in den Provinzen Helmand und Kandahar zurückgelassen", sagte Jussuf Ahmadi, der sich als Taliban-Sprecher ausgab, in einem Anruf bei der Nachrichtenagentur AFP am 13. März. Die Zentrale der Firma Ecolog in Düsseldorf betonte dagegen, unter den Entführten habe sich kein Deutscher gefunden. Es handele sich um vier Afghanen und vier Mazedonier. Die vier Afghanen seien freigelassen worden, sagte der Taliban-Sprecher. Ecolog bestätigte die Freilassung. Die Firma erklärte, sie tue alles, um das Geiseldrama zu einem sicheren und baldigen Ende zu bringen.
  • Das bisher größte in Afghanistan gefundene Waffendepot ist zur Zerstörung freigegeben worden. Die drei mit Waffen gefüllten Bunker seien in der Stadt Scheberghan im Norden des Landes entdeckt worden, gab die NATO-geführte Afghanistan-Schutztruppe ISAF am 14. März in Kabul bekannt. Nach bisher unbestätigten Angaben handle es sich um 80 Tonnen des russischen Sprengstoffs TNT und 25.000 Minen. Ein weiterer Bunker, in dem ebenfalls Waffen sein sollen, werde derzeit untersucht. Die Waffen sollen nun zerstört werden.
  • Soldaten der Bundeswehr sollen nach einem ZDF-Bericht auch in Afghanistan unter falscher Identität ermittelt haben. 2004 hätten Feldnachrichtenkräfte der Bundeswehr im afghanischen Kundus getarnt als RTL-Fernsehteam die Familie eines in Guantánamo gefangenen Mannes befragt, berichtet das ZDF-Magazin "Frontal 21" am 15. März. Auch der Militärische Abschirmdienst MAD habe in Afghanistan gegen das Gesetz verstoßen. Die Bundesregierung soll das in ihrem Bericht über die Geheimdienstaktivitäten eingeräumt haben.
  • In Afghanistan sind die Leichen von vier am Wochenende entführten Ausländern gefunden worden. Sie hatten für das Düsseldorfer Unternehmen Ecolog gearbeitet. Laut örtlicher Polizei vom 16. März wurden die Leichen in einem Minenfeld geborgen. Die radikal- islamischen Taliban hatten sich zu der Entführung und Ermordung der Männer bekannt und erklärt, einer von ihnen sei Deutscher. Das wurde aber weder vom Auswärtigen Amt noch von den Behörden in Kabul bestätigt. Nach Angaben Ecologs handelt es sich um Mazedonier.
  • Hinter einer Patrouille der Bundeswehr im afghanischen Faisabad hat es nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums am Morgen des 17. März eine Explosion gegeben. Ministeriumssprecher Thomas Raabe sagte in Berlin, bei dem Vorfall sei ein Fahrzeug leicht beschädigt worden; Menschen seien nicht zu Schaden gekommen. Solange die genauen Umstände nicht aufgeklärt seien, stehe nicht fest, ob es sich um einen Anschlag handelte.
  • Für den Linksfraktionschef im Bundestag, Oskar Lafontaine, sind die US-Amerikaner wegen ihres militärischen Vorgehens im Irak und in Afghanistan mit Terroristen gleichzusetzen. "Für uns - die Linke - ist Terrorismus das Töten unschuldiger Menschen, um politische Ziele zu erreichen", sagte Lafontaine am 17. März in Koblenz. Demnach seien die Attentäter, die 2001 in das World Trade Center geflogen sind, Terroristen. "Aber nach dieser Definition sind auch die Amerikaner Terroristen, wenn sie Städte und Dörfer in Afghanistan (und) Irak bombardieren und zehntausende Unschuldige umbringen", rief der frühere SPD-Vorsitzende auf einer Wahlkampfveranstaltung der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG).
  • Am 17. März sind bei einem Bombenanschlag neun Polizisten ums Leben gekommen. Sie wollten die Leichen von vier Albanern überführen, die von den Taliban verschleppt worden waren. Außerdem wurde der Wachmann einer afghanischen Baufirma bei einem Taliban-Angriff getötet, zwei seiner Kollegen werden seitdem vermisst. Bei den Unruhen, die von den Ende 2001 gestürzten Taliban ausgehen, sind im vergangenen Jahr in Afghanistan insgesamt etwa 1.700 Menschen ums Leben gekommen.
  • Bei einem Angriff mutmaßlicher Taliban im Süden Afghanistans sind ein früherer Gouverneur sowie vier Begleiter getötet worden. Es sei davon auszugehen, dass die radikalislamischen Taliban und der von den USA gesuchte Warlord Gulbuddin Hekmatjar für die Attacke aus dem Hinterhalt verantwortlich seien, sagte ein Polizeisprecher am 18. März in Kandahar. Der frühere Gouverneur von Ghasni, Kari Baba, war dort inzwischen als Regierungsberater tätig. Die Provinz ist eine der Hochburgen der Taliban.
  • Rund 6,5 Millionen Menschen in Afghanistan sind nach Angaben der Vereinten Nationen in diesem Jahr auf ausländische Lebensmittelhilfen angewiesen. Rund 3,5 Millionen Menschen seien dauerhaft und weitere drei Millionen zumindest saisonal unterversorgt. Das sagte der Leiter des UN-Welternährungsprogramms in Afghanistan, Charles Vincent, am 18. März der dpa. Erschwerend hinzu kommt nach Angaben Vincents die schwere Trockenheit der vergangenen Monate. Davon seien bis zu 1,4 Millionen Menschen betroffen.
Montag, 20. März, bis Sonntag, 26. März
  • NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer trifft am 20. März mit US-Präsident George W. Bush in Washington zusammen. Das Gespräch soll insbesondere der Vorbereitung des NATO-Gipfels Ende November in Riga dienen, wo über eine Modernisierung des Bündnisses diskutiert werden soll. Als weitere Themen kündigte die NATO die Missionen im Kosovo und in Afghanistan sowie den Militäreinsatz im Irak an. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, sagte zudem, auch das Vorgehen in der sudanesischen Krisenregion Darfur werde möglicherweise zur Sprache kommen.
  • Mutmaßliche Islamisten haben in der Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan den Funkturm eines Rundfunksenders in die Luft gejagt. Die Station in der Hauptstadt der Provinz Süd-Waziristan, Wana, habe auf unbestimmte Zeit ihre Ausstrahlungen eingestellt, sagte ein Produzent am 20. März. Ein Beamter der Sicherheitsbehörden machte Anhänger der Taliban für den Anschlag verantwortlich. Sie hätten Sprengstoff am Fuße des Turms platziert und zur Explosion gebracht. In der angrenzenden Provinz Nord-Waziristan läuft eine Offensive der pakistanischen Armee gegen Taliban und Mitglieder des El-Kaida-Terrornetzwerks.
  • Einem aus Deutschland in seine Heimat zurückgekehrtem früheren Muslim droht in Afghanistan wegen seines Glaubens die Todesstrafe. Der Mann sei vor 15 Jahren zum Christentum übergetreten, sagte der zuständige Richter in Kabul am 20. März. Er habe ihn aufgefordert, zum Islam zurückzukehren, aber er habe abgelehnt. Sollte Rahman dabei bleiben, habe das Gericht keine andere Wahl, als ihn zum Tode zu verurteilen. Der Fall könnte den vom Westen gestützten Präsidenten Hamid Karsai in Bedrängnis bringen.
  • Angesichts der drohenden Todesstrafe für einen zum Christentum konvertierten Moslem haben die USA Afghanistan aufgefordert, die Glaubensfreiheit zu achten. "Wir glauben an die universellen Freiheiten und Religionsfreiheit ist eine von ihnen", sagte der Staatssekretär im US-Außenministerium, Nicholas Burns, am 21. März in Washington nach einem Gespräch mit dem afghanischen Außenminister Abdullah Abdullah. Die USA respektierten die Souveränität der afghanischen Behörden, seien aber der Ansicht, dass jeder seine Religion frei wählen können müsse.
  • Afghanische Soldaten haben an der Grenze zu Pakistan 15 mutmaßliche Taliban getötet. Die radikalislamischen Kämpfer seien am 21. März bei einem Schusswechsel in dem Dorf Schiro Obay nahe der südafghanischen Grenzstadt Spin Boldak getötet worden, sagte der Kommandeur der Grenztruppen, Abdul Rasak. Insgesamt hätten 20 Taliban versucht, die Grenze von Pakistan nach Afghanistan zu überqueren. Dabei seien sie auf eine afghanische Grenzpatrouille gestoßen. Afghanische Soldaten seien nicht verletzt worden. Vor knapp einer Woche hatte das geistliche Oberhaupt der Taliban, Mullah Omar, eine neue Frühjahrsoffensive angekündigt und gedroht, Afghanistan werde sich in einen "brennenden Ofen" verwandeln.
  • Die Bundesregierung will sich für den in Afghanistan von der Todesstrafe bedrohten Christen Abdul Rahman bei Afghanistans Präsident Hamid Karsai einsetzen. "Die Religionsfreiheit muss für jeden Menschen auf der Welt gelten. In diesem Sinne wende ich mich auch an Präsident Karsai," sagte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul der "BILD"-Zeitung (Ausgabe vom 22. März). Die Bundesregierung werde alle Anstrengungen unternehmen, um das Leben von Abdul Rahman zu retten.
  • Grünen-Chefin Claudia Roth hat im Fall des Afghanen Abdul Rahman innenpolitische Konsequenzen für Deutschland gefordert. "Die Innenminister müssen aufhören, nicht-islamische Flüchtlinge nach Afghanistan abzuschieben", sagte Roth dem "Tagesspiegel" (Ausgabe vom 22. März). Dieser Fall zeige, dass Andersgläubige in Afghanistan nicht sicher seien. Der Afghane steht in Kabul vor Gericht, weil er vom Islam zum Christentum konvertierte und sich weigert, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Jetzt droht ihm die Todesstrafe.
  • Die afghanische Regierung hat die Kritik aus Deutschland und anderen europäischen Ländern am Prozess gegen einen zum Christentum übergetretenen Moslem zurückgewiesen. Die "hitzige und emotionale Reaktion deutscher Politiker ist überzogen und hat bei den Afghanen für Unmut gesorgt", sagte Wirtschaftsminister Amin Farhang der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Ausgabe vom 22. März). "Wir mischen uns auch nicht in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik oder gar in laufende Rechtsverfahren ein". Wenn deutsche Politiker indirekt mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan drohten, "dann grenzt das an eine Art von Erpressung", sagte Farhang.
    Der afghanische Wirtschaftsminister Amin Farhang hat die Kritik am Prozess gegen den zum Christentum konvertierten Afghanen Abdul Rahman erneut zurückgewiesen. Er könne die internationale Besorgnis nachvollziehen, aber man dürfe den Fall nicht überstürzt und emotional behandeln, sagte Farhang am 22. März im Inforadio vom rbb. Rahman sei von seiner Familie angezeigt worden. Er habe außerdem versucht, andere zum Christentum zu bekehren. Die Staatsanwaltschaft in Afghanistan sei verpflichtet, in diesem Fall der Sache nachzugehen. Die Todesstrafe werde aber nicht ohne weiteres ausgesprochen.
  • Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl hat angesichts des Prozesses gegen den zum Christentum konvertierten Afghanen Abdul Rahman ein Ende der Abschiebungen von afghanischen Flüchtlingen aus Deutschland gefordert. "Im Moment ist es absolut unverantwortlich, abzuschieben", sagte der Europareferent der Organisation, Karl Kopp, am 22. März der Nachrichtenagentur AFP. Der Fall mache erneut deutlich, dass Afghanistan noch sehr weit davon entfernt sei, Menschenrechte und Religionsfreiheit einzuhalten. "Das Land ist nicht in der Lage, Rückkehrern ein Leben in Sicherheit und Würde zu gewährleisten", betonte Kopp.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in den Fall des zum Christentum übergetretenen Afghanen Abdul Rahman eingeschaltet: Sie habe in einem Telefonat mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai ihre Besorgnis ausgedrückt, sagte Merkel am 23. März. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor übertriebenem Druck auf Kabul. Der afghanischen Seite müsse die Chance gegeben werden, innerhalb des Verfahrens auf die von der Bundesregierung geäußerten Erwartungen zu reagieren, sagte Steinmeier. Die Grünen forderten eine Überprüfung der Hilfsleistungen für Afghanistan, sollte Rahman zum Tode verurteilt werden. Es gehe in Afghanistan nicht um eine bloße Stabilisierung an sich, sondern um Stabilisierung in rechtstaatliche Richtung, sagte der sicherheitspolitische Grünen-Sprecher Winfried Nachtwei dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Wenn es zu einer Verurteilung käme, müssten einzelne Aspekte der deutschen Unterstützung überprüft werden." Die Grünen-Außenexpertin im Europaparlament, Angelika Beer, rief Brüssel zum Handeln auf. "Zur Abwendung eines möglichen Todesurteils sollte die EU die sofortige Aussetzung der finanziellen Unterstützung androhen", sagte Beer der "Netzeitung". Es sei "vollkommen inakzeptabel, dass wir jährlich etwa 200 Millionen Euro für die Demokratisierung Afghanistans ausgeben und gleichzeitig die Scharia das höchste Rechtsgut ist".
    US-Außenministerin Condoleezza Rice hat bei der afghanischen Regierung gegen die Verfolgung des zum Christentum übergetretenen Afghanen Abdul Rahman protestiert. Wie der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, am 23. März in Washington mitteilte, brachte Rice am Vortag in einem Gespräch mit ihrem afghanischen Amtskollegen Abdullah Abdullah in Washington ihr "Missfallen" zum Ausdruck. Die juristische Verfolgung Rahmans, die mit einem Todesurteil enden könnte, stelle einen Verstoß gegen die afghanische Verfassung dar, die die Religionsfreiheit garantiere, betonte McClellan.
  • Nach Deutschland und den USA schaltete sich am 24. März Österreich, das derzeit den EU-Ratsvorsitz hat, in die Bemühungen zur Rettung Rahmans ein. Die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik erklärte in Brüssel, die EU-Präsidentschaft werde "nichts unversucht lassen, um die Grundrechte von Abdul Rahman zu wahren".
    US-Außenministerin Condoleezza Rice drängte Karsai in einem Telefongespräch dazu, das Verfahren gegen Rahman rasch und "positiv zu Ende zu bringen". Rice habe den Präsidenten in "sehr deutlichen Worten" um eine Lösung gebeten, berichtete ein Sprecher des US-Außenministeriums am 24. März.
  • Bei einer gemeinsamen Offensive von amerikanischen und afghanischen Soldaten im Süden von Afghanistan ist ein US-Soldat getötet worden. Bei der Operation in der Provinz Helmand seien afghanische Bodentruppen mit Unterstützung von Flugzeugen gegen rund 20 feindliche Kämpfer vorgegangen, teilte das US-Militär am 25. März mit. Ein amerikanischer sowie ein afghanischer Soldat seien verletzt worden. Im Süden Afghanistans verfolgen von den USA geführte Koalitionstruppen Reste der Taliban und des Terrornetzes El Kaida.
  • Ein Kabuler Gericht hat die Klage gegen Abdul Rahman an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen. Wie der zuständige Richter Ansarullah Mawlawi Sada am 26. März sagte, wies er die Staatsanwaltschaft an, weitere Untersuchungen über eine eventuelle Unzurechnungsfähigkeit Rahmans zu veranlassen. Würde Rahman für unzurechnungsfähig erklärt, müsste der Prozess eingestellt werden. Der Richter sagte, Rahmans Angehörige hätten angegeben, er sei im pakistanischen Peschawar in psychischer Behandlung gewesen. Rahman selbst habe während seiner Aussage vor Gericht eingeräumt, "dass er ein psychisches Problem hat" und "Stimmen höre". Staatsanwalt Abdul Wasi hatte zuvor erklärt, er halte Rahman für zurechnungsfähig, und hatte die Todesstrafe gefordert. Wasis Vorgesetzter Zemarai Amiri sagte am 26. März, Rahman werde bereits am 27. März oder spätestens in den kommenden Tagen untersucht werden. Rahman wurde noch am Sonntag nach Todesdrohungen von Mithäftlingen aus einem überfüllten Untersuchungsgefängnis in eine Hochsicherheitsanlage bei Kabul verlegt.
Montag, 27. März, bis Freitag, 31. März
  • Die afghanischen Behörden haben den wegen Übertritts zum Christentum mit der Todesstrafe bedrohten Abdul Rahman freigelassen. Rahman sei in der vergangenen Nacht aus dem Gefängnis entlassen worden, sagte der afghanische Justizminister Sarwar Danisch am 28. März in Kabul. Für die Freilassung gebe es "mehrere Gründe". Zum einen hätten "technische Pannen" die Unterbrechung des Prozesses notwendig gemacht. Zum anderen hätten Rahmans Verwandte auf Rahmans "mentale Probleme" hingewiesen, sagte Danisch.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich erfreut über Rahmans Freilassung. "Ich glaube, das ist ein vernünftiges Signal an die internationale Staatengemeinschaft, aber auch für die Situation in Afghanistan", sagte Merkel in Berlin. Jetzt müsse man die weitere Entwicklung abwarten.
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) lobte ausdrücklich die afghanische Regierung. "Die afghanische Regierung hat in einer schwierigen Situation Mut bewiesen und gezeigt, dass sie für ein neues Afghanistan steht", sagte Steinmeier am Abend des 28. März in Berlin. Die Bundesregierung werde sich auch künftig engagiert dafür einsetzen, Demokratie und Rechtsstaat in Afghanistan zu verankern.
  • Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hat dem zum Christentum übergetretenen Afghanen Abdul Rahman Asyl in Aussicht gestellt. Müller sagte der Zeitung "Die Welt" (Ausgabe vom 29. März): "Wenn Rahman nach Deutschland kommen will, ist er im Saarland herzlich willkommen." Auch der Vorsitzende im Bundestags-Innenausschuss, Sebastian Edathy, bot Rahman Asyl an. "Es spricht nichts dagegen, ihn aufzunehmen", sagte der SPD-Politiker der "Mitteldeutschen Zeitung". Man könne dies unbürokratisch handhaben. - Italien hatte als erstes Land Rahman eingeladen, Asyl zu beantragen.
  • In Afghanistan sind bei Kämpfen zwischen Anhängern der Taliban und der von den USA geführten Koalitionstruppen 14 Menschen getötet worden. Nach Angaben der US- Armee ist unter den Opfern auch ein amerikanischer Soldat. Drei weitere Soldaten der Koalitionstruppen und ein afghanischer Soldat seien verletzt worden, als die Taliban-Kämpfer eine vorgelagerte Operationsbasis angegriffen hätten. 12 Taliban-Kämpfer wurden im Feuergefecht getötet, wie das US-Militär am 29. März weiter mitteilte.
  • In Helmands Nachbarprovinz Kandahar überfielen Rebellen am 28. März einen Polizeiposten und töteten zwei Beamte.
    Zuvor hatten Taliban-Anhänger eine Frühjahrsoffensive angekündigt, um ausländische Soldaten zu vertreiben.
  • Bei den schwersten Kämpfen in Afghanistan seit Jahresbeginn sind mehr als 40 Menschen getötet worden. Die US-Streitkräfte teilten mit, bei Gefechten in der südafghanischen Provinz Helmand seien am 29. März mindestens 32 Kämpfer der Taliban ums Leben gekommen. Zwei ausländische Soldaten seien getötet worden, darunter ein US-Amerikaner. Die Koalitionstruppen hätten zwei Taliban-Stützpunkte zerstört. Kanadische Mdien berichteten von einem getöteten und drei verwundeten Kanadiern. Zudem seien mindestens acht afghanische Soldaten umgekommen.


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