Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Chronik des Krieges gegen Afghanistan

Juni 2004

1. bis 6. Juni
  • Nach mehr als zwei Jahren hat die NATO am 1. Juni von Deutschland das Kommando über den Militärflughafen in der afghanischen Hauptstadt Kabul übernommen. Bei einer militärischen Zeremonie auf dem Flughafen wurde das Kommando Island übertragen, das künftig im Rahmen der von der NATO befehligten Afghanistan-Schutztruppe ISAF eine aus 24 Nationen zusammengestellte Truppe führt. Die deutsche Luftwaffe hatte das Kommando über den für die ISAF lebenswichtigen Militärflughafen seit dem Februar 2002 allein inne. In der Zeit wurden die Bewegungen von rund 26.500 Soldaten, 25.000 Tonnen Ausrüstung sowie mehr als 42.000 Flugzeugen koordiniert und überwacht.
  • Der Polizeichef der afghanischen Stadt Dschalalabad ist bei einem Bombenanschlag am 1. Juni ums Leben gekommen. Die Bombe sei unter dem Sessel von Polizeidirektor Hadschi Hadschab Schah explodiert, sagte Provinzgouverneur Hadschi Din Mohammed. Bei der Detonation in Schahs Büro seien zwei Menschen verletzt worden. Über die Täter lägen noch keine Erkenntnisse vor; die Polizei habe Ermittlungen eingeleitet und Straßen im Umfeld des Polizeipräsidiums abgeriegelt. - Dschalalabad ist Hauptstadt der an Pakistan grenzenden Provinz Nagarhar. Sie gilt als Hochburg früherer Mudschahedin-Fraktionen. Die von Paschtunen dominierte Provinz grenzt an die Provinzen Kunar und Nuristan, wo immer noch Anhänger der gestürzten Taliban-Regierung aktiv sind.
  • Bei einem Angriff von Taliban-Milizen im Südosten Afghanistans sind in der Nacht zum 2. Juni mehrere Menschen getötet worden. Laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kabul starben bis zu acht Taliban und zwei Soldaten. Ein Taliban-Sprecher sagte, bei dem Angriff von rund 100 Rebellen seien sieben Soldaten getötet worden. Der Taliban-Sprecher kündigte eine landesweite Operation gegen die für September geplanten ersten freien Wahlen Afghanistans an.
  • Bewaffnete Kämpfer haben am 2. Juni im Nordwesten Afghanistans nach Polizeiangaben fünf Entwicklungshelfer getötet. Drei der Opfer seien offenbar Ausländer, sagte der Polizeichef der Provinz Baghdis, Amir Schah Naibsada, der Nachrichtenagentur AFP. Die Entwicklungshelfer seien in ihrem Fahrzeug im Gebiet von Chair Chana im Kades-Distrikt der Provinz angegriffen worden. Unter den Opfern des Anschlags in der nordwestafghanischen Provinz Badghis seien eine Belgierin, ein Niederländer, ein Norweger und zwei Afghanen, sagte Provinzgouverneur Azizullah Afazli. Es handelt sich um Mitarbeiter der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen".
    Nach dem gewaltsamen Tod von fünf Mitarbeitern stellt die Organisation Ärzte ohne Grenzen ihre Arbeit in Afghanistan nach 25 Jahren vorerst ein. Einzig akute lebensrettende Maßnahmen würden fortgesetzt, teilte eine Sprecherin am 3. Juni mit. Trotz des mörderischen Überfalls vom Mittwoch, zu dem sich die Taliban bekannten, lehnt die Hilfsorganisation einen militärischen Schutz ihrer Mitarbeiter ab. Eine Vermischung militärischen und humanitären Personals schade der Glaubwürdigkeit von Hilfsorganisationen, sagte die Geschäftsführerin der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen, Ulrike von Pilar, im Deutschlandfunk. Vor diesem Hintergrund kritisierte sie auch das deutsche Wiederaufbauteam in Kundus, dem neben mehreren Dutzend zivilen Helfern 240 Bundeswehrsoldaten angehören. Wenn "militärische Verbände anrücken mit dem erklärten Ziel, humanitäre Organisationen zu schützen, dann leistet das genau dieser Vermischung Vorschub."
  • Bei einer Offensive in der südafghanischen Provinz Kandahar sind nach afghanischen Armeeangaben 19 Kämpfer der radikalislamischen Taliban getötet worden. Bei der zweitägigen afghanisch-amerikanischen Operation seien zudem sieben Rebellen gefangen genommen worden, sagte der afghanische General Atta Mohammad am 3. Juni. Afghanische Bodentruppen seien bei den Kämpfen von US- Kampfflugzeugen unterstützt worden. Die verbleibenden Taliban hätten ihren Widerstand aufgegeben und seien in die Berge geflüchtet.
  • Im Süden des Landes haben am 5. Juni rund 200 Taliban-Kämpfer einen Kontrollposten der afghanischen Streitkräfte angegriffen. Bei dem Gefecht, in das US-Kampfflugzeuge eingriffen, wurden acht Aufständische getötet.
  • Vier Tage nach dem tödlichen Angriff auf Mitarbeiter einer Hilfsorganisation ist in Afghanistan ein Fahrzeugkonvoi mit UN-Wahlhelfern unter Beschuss geraten. Die 15 Wahlhelfer seien aber unverletzt in der östlichen Stadt Gardez eingetroffen, nachdem ihnen US-Truppen zu Hilfe geeilt seien, teilte ein UN-Sprecher am 6. Juni mit.
7. bis 13. Juni
  • Nach einem Schusswechsel nahe der Grenzstadt Spin Boldak im Südosten Afghanistans haben die US-geführten Truppen fünf mutmaßliche Taliban-Kämpfer festgenommen. Wie ein Sprecher der Koalitionstruppen am 7. Juni in Kabul mitteilte, wurden die Soldaten nördlich der Stadt beschossen. Niemand sei verletzt worden. In den vergangenen Wochen sind die vor allem im Süden und Südosten Afghanistans stationierten Truppen fast täglich Ziel von Angriffen geworden.
  • Bei einem Sprengstoffanschlag auf ein amerikanisches Patrouillenfahrzeug ist am 7. Juni im Süden Afghanistans ein US-Soldat getötet worden. Wie eine Militärsprecherin mitteilte, wurden zwei weitere verwundet, als neben ihrem Humvee auf einer Straße bei Deh Rawud in der Provinz Urusgan eine Bombe gezündet wurde.
    Bei einem Gefecht in derselben Gegend seien zwei Polizisten getötet worden. Die mutmaßlichen Taliban seien von US-Kampfflugzeugen angegriffen worden, als sie sich in einen Höhlenkomplex zurückziehen wollten, sagte die Sprecherin.
  • Taliban-Kämpfer haben am 8. Juni in Süden Afghanistans einen Konvoi amerikanischer Marineinfanteristen angegriffen und sich mit den Soldaten ein heftiges Gefecht geliefert. Dabei kamen nach afghanischen Angaben mindestens 21 Taliban ums Leben. In derselben Region gut 300 Kilometer südwestlich von Kabul sei zudem ein mutmaßlicher Kommandeur der Radikalislamisten von afghanischen Soldaten getötet worden. Dies habe eine Serie von Gewalttaten ausgelöst, hieß es. Die Zwischenfälle verstärkten die weit verbreitete Sorge, dass die Lage vor der für September geplanten Parlamentswahl in Afghanistan weiter eskalieren könnte.
  • Pakistanische Soldaten haben am 9. Juni im Grenzgebiet zu Afghanistan mindestens sieben Extremisten erschossen. Bewaffnete hätten am frühen Morgen nahe der Stadt Wana Raketen und Mörser auf die Truppen abgefeuert, berichtete ein Militärsprecher. Die Soldaten hätten daraufhin sieben oder acht der Angreifer getötet. Bei allen handelt es sich den Angaben zufolge um Ausländer. Im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sollen sich hunderte El-Kaida-Kämpfer versteckt halten.
  • Bei einem der bislang schwersten Überfälle auf Ausländer in Afghanistan sind elf chinesische Bauarbeiter und ein Afghane getötet worden. Nach Angaben der chinesischen Botschaft in Kabul vom 10. Juni stürmten etwa 20 bewaffnete Angreifer eine Wohnunterkunft der Arbeiter in Jalawgeer südlich von Kundus und eröffneten das Feuer. Laut dem örtlichen Militärkommandeur Mohammed Daud wurden vier Chinesen verletzt; ein Sprecher der internationalen Schutztruppe ISAF berichtete von 16 Verletzten. Die chinesische Botschaft sprach von einem "Terror-Angriff". Daud machte die Taliban und die Terrororganisation El Kaida verantwortlich. Die Gegend um Kundus in Nordafghanistan galt bislang vor allem im Vergleich zum Süden Afghanistans als sicher. In Kundus sind etwa 200 Bundeswehrsoldaten eines regionalen Aufbauteams stationiert.
    Nach dem tödlichen Angriff auf elf chinesische Bauarbeiter haben die Vereinten Nationen ihre Büros für die Registrierung von Wählern in der Region vorübergehend geschlossen. Alle anderen UN-Aktivitäten würden normal weiter geführt, aber die Einsatzkräfte würden sich vorerst nicht auf den Straßen der Gegend bewegen, sagte UN-Sprecher Manuel de Almeida e Silva am 10. Juni vor Journalisten in der afghanischen Hauptstadt Kabul.
  • Nach dem Anschlag auf chinesische Arbeiter in der afghanischen Provinz Kundus haben Politiker von Union und Grünen die Strategie für die dort stationierten Bundeswehrsoldaten in Frage gestellt. Angesichts der sich deutlich verschlechternden Sicherheitslage könne man den Einsatz des regionalen Wiederaufbauteams "nicht einfach so weiter laufen lassen", sagte der Unions-Verteidigungsexperte Christian Schmidt (CSU) der "Berliner Zeitung" (Ausgabe vom 11. Juni). Auch der Grünen-Politiker Christian Ströbele sagte, er sehe nicht, wie die Strategie des Wiederaufbauteams "zu einer Veränderung der Lage führen könne." Auch die vor Ort tätigen Hilfsorganisationen deuteten an, dass sie eine Neuausrichtung des Militär-Konzepts erwarten. Die Verteidigungspolitiker Rainer Arnold (SPD) und Winfried Nachtwei (Grüne) rechtfertigten dagegen den Einsatz der Bundeswehr in Kundus. Niemand hätte erwarten dürfen, dass man mit 200 Soldaten Anschläge verhindern könne, sagte Arnold. Nachtwei wies die Kritik Ströbeles und Schmidts zurück. Die Soldaten seien in den afghanischen Friedensprozess politisch eingebunden. Nicht ein Rückzug, sondern ein Ausweiten der Stabilisierungsbemühungen sei nötig.
  • Nach der Ermordung von elf Chinesen in der nordafghanischen Provinz Kundus sind laut einem Medienbericht zwei Verdächtige festgenommen worden. Ein afghanischer Regierungsvertreter habe die chinesische Botschaft in Kabul über die Festnahmen informiert, meldete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag.
  • Pakistanische Kampfflugzeuge und Hubschrauber haben am 12. Juni weitere Angriffe auf vermutete Verstecke von El-Kaida-Terroristen nahe der Grenze zu Afghanistan geflogen. Zuvor waren in der Nacht nach Presseberichten Sicherheitskräfte in der umkämpften pakistanischen Region Süd-Waziristan mit Raketen beschossen worden. Seit Wochenanfang (7. Juni) wurden bei den Kämpfen nach Angaben eines Militärsprechers mindestens 50 Menschen getötet.
  • Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Afghanistan sind zum zweiten Mal verschoben worden. Die Wahlen wurden auf einen noch unbestimmten Termin nach September verlegt, wie eine Sprecherin der Wahlkommission am 12. Juni sagte. Es sei nicht gelungen, die Grenzen der Wahlbezirke wie vom Gesetz gefordert 120 Tage vor den Wahlen eindeutig festzulegen. Der afghanische Präsident Hamid Karsai hatte die ursprünglich für Juni geplanten Urnengänge bereits Ende März auf September verschoben. Die Grenzen der Wahlbezirke seien erst am 5. Juni festgelegt worden, sagte Chaurai. Der frühest mögliche Termin ist demnach im Oktober. Neben diesen formalen Gründen für die Verschiebung ist eines der größten Hindernisse für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen die Wählererfassung. Bislang sind nach jüngsten Angaben der UNO rund 3,3 Millionen der etwa zehn Millionen potenziellen Wahlberechtigten in die Verzeichnisse eingetragen. Das zweite große Problem ist die Sicherheitslage. Besonders das Wiedererstarken der Taliban in der Grenzregion zu Pakistan erschwert dort die Vorbereitungen.
  • In der südöstlichen Provinz Paktia beschossen Unbekannte einen Konvoi von UN-Vertretern und Wahlbeauftragten, in dem auch US-Truppen und ein Provinzgouverneur mitfuhren. Sie hätten den Konvoi jedoch verfehlt, sagte ein Sprecher des Gouverneurs am 12. Juni.
  • Bei einer Großoffensive im Süden Afghanistans haben amerikanische Marineinfanteristen in den vergangenen drei Wochen mehr als 80 mutmaßliche Taliban-Kämpfer getötet. Militärsprecher Tucker Mansager erklärte am Wochenende (12./13. Juni) in Kabul, die Militäraktion werde zur Sicherung der Wahlen im September beitragen. Zwei Soldaten seien verletzt worden. Mansager meldete außerdem die Festnahme eines Sprengstoffexperten nahe Kabul. Die Marineinfanteristen sind in Urusgan stationiert, der Heimatprovinz des flüchtigen Taliban-Führers Mullah Omar. Sie forderten mehrmals Unterstützung aus der Luft an, um eine große Gruppe von in den nahen Bergen vermuteten Kämpfern zu bombardieren. Die meisten Gefechte konzentrierten sich jedoch auf das Gebiet nahe Daitschopan in der benachbarten Provinz Sabul. Mansager erklärte, die Offensive der Marineinfanteristen erlaube den regulären Truppen, sich auf eine Verbesserung der Beziehungen zu den Gemeinden in der Grenzregion zu konzentrieren. Im Süden Afghanistans wurden seit Anfang Mai sieben US-Soldaten getötet.
14. bis 20. Juni
  • Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat die NATO um zusätzliche Truppen zur Überwachung der für September geplanten Wahlen gebeten. Die Friedensmission in Afghanistan müsse ausgeweitet werden, damit das Versprechen an das Volk erfüllt werden könne, sagte Karsai am 14. Juni nach Gesprächen mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in Washington. Die NATO ist bereits an der SFOR-Mission in der afghanischen Hauptstadt Kabul sowie an einem Wiederaufbauprogramm in der nördlichen Stadt Kundus beteiligt. Eine Ausweitung der Militärpräsenz auf andere Städte ist im Gespräch, um die notwendige Sicherheit für erfolgreiche Wahlen zu schaffen. Im Laufe des (heutigen) Dienstags wollte Karsai zu Gesprächen über die Lage in Afghanistan auch mit US-Präsident George W. Bush zusammentreffen.
  • US-Präsident George W. Bush hat Afghanistan weitere Unterstützung der Vereinigten Staaten zugesichert. Das Engagement seiner Regierung sei "eisern", sagte Bush nach einem Treffen mit seinem afghanischen Kollegen Hamid Karsai am 15. Juni in Washington. Er kündigte fünf Hilfsinitiativen an. Unter anderem sollen Lehrer ausgebildet und Geschäftsfrauen gefördert werden. Angestrebt werde außerdem ein Handelsabkommen mit Afghanistan, das der wirtschaftlichen Wiederbelebung einen neuen Schub verleihen solle. "Jahre des Krieges und der Tyrannei haben die Wirtschaft Afghanistans zerschlissen", sagte Bush. Dennoch erhole sich die Wirtschaft bereits wieder.
  • Deutschland wird ohne Beteiligung anderer Staaten ein zweites militärisch-ziviles Aufbauteam in Afghanistan einrichten. Das habe das Verteidigungsministerium bestätigt, schreibt die "Financial Times Deutschland" (Ausgabe vom 16. Juni). Ursprünglich sollte das neue Provincial Recontruction Team (PRT) in Faisabad in der Region Kundus mit Hilfe der Niederländer entstehen. Doch die niederländische Regierung habe entschieden, ein eigenes PRT an einem anderen Ort einzurichten. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer wirbt seit langem um mehr Truppen für die ISAF-Mission in Afghanistan. Bislang betreibt nur Deutschland ein Aufbauteam in der Provinz Kundus im Norden Afghanistans.
  • Bei einem Sprengstoffanschlag auf ein Fahrzeug der internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF in der Stadt Kundus sind nach Angaben der örtlichen Polizei am 16. Juni vier Afghanen getötet worden. Die auf einer Straße versteckte Bombe sei explodiert, als das Auto vorbeifuhr, sagte der Polizeichef der Provinz Kundus, Mutalib Bik.
    Die Bundesregierung hält trotz des Anschlags im nordafghanischen Kundus am Bundeswehreinsatz fest. Die Sicherheitslage für das deutsche Wiederaufbauteam habe sich nicht grundlegend verändert, hieß es am 16. Juni vom Verteidigungsministerium in Berlin.
  • Bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen pakistanischen Soldaten und mit der El-Kaida-Organisation verbundenen Milizen sind nach Militärangaben ein Soldat und mindestens zwei Milizionäre getötet worden. Die Kämpfer hätten am späten Abend des 15. Juni einen paramilitärischen Posten nahe der Grenze zu Afghanistan in Süd-Wasiristan angegriffen, teilte die Armee am 16. Juni in Islamabad mit. Bei den beiden getöteten Angreifern handele es sich um Ausländer. Dutzende weitere seien verletzt worden. Die sich zurückziehenden Angreifer hätten möglicherweise weitere Tote in ihren Reihen geborgen und mitgenommen, teilte die Armee weiter mit. Über die Nationalitäten der Getöteten wurden keine Angaben gemacht.
  • Nach dem Anschlag auf ein ISAF-Fahrzeug in Kundus ist ein Streit um das deutsche Engagement in Afghanistan entbrannt. Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler wies Forderungen der Union nach einem Strategiewechsel zurück. Dies sei "unseriös, vor allem, wenn man nicht sagt, was man will", sagte Erler der "Berliner Zeitung". Der Unions-Verteidigungsexperte Christian Schmidt (CSU) bezeichnete dagegen den Versuch als gescheitert, "allein durch die Präsenz von Uniformierten Sicherheit zu erzeugen". Schmidt forderte, den Bundestag darüber entscheiden zu lassen, ob nach Kundus nun auch nach Faisabad Bundeswehrsoldaten für ein Regionales Wiederaufbauteam (PRT) entsandt werden sollten. Der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, Oberst Bernhard Gertz, forderte am 17. Juni eine Überprüfung des Konzepts für die Wiederaufbauteams. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte, die Bundesregierung müsse andere Nationen um Hilfe bitten, ansonsten sei die Stationierung deutscher Soldaten in Kundus nicht zu halten.
    Das niederländische Verteidigungsministerium bestätigte derweil laut "Berliner Zeitung" einen Bericht, wonach es die Planungen eines deutsch-niederländischen PRT in Faisabad nicht weiterverfolge. Die Niederländer wollten an anderer Stelle in Afghanistan ein Wiederaufbauteam einrichten. (AFP, 17. Juni.)
  • Die afghanische Nationalarmee hat am 17. Juni in Kabul ein neues Kommando- und Führungszentrum eröffnet. Das Zentrum solle der Beschleunigung der landesweiten Entwaffnungsprogramme und der verbesserten Abstimmung mit den im Land befindlichen US-Truppen dienen, sagte der Stabschef im afghanischen Verteidigungsministerium, General Bismullah Khan, in der Hauptstadt. US-Generalmajor Craig Weston teilte mit, die Einrichtung werde das "Nervenzentrum" der im Aufbau befindlichen Armee. Dem Verteidigungsministerium werde so die Führung einzelner Einsatzgruppen erleichtert, die in den Provinzen die Entwaffnung von Milizen betrieben.
  • Wenige Monate vor den geplanten Parlaments- und Präsidentenwahlen in Afghanistan haben sich nach UN-Angaben fast vier Millionen Wahlberechtigte registrieren lassen. UN-Sprecher Manoel de Almeida e Silva erklärte am 17. Juni, diese Zahl wachse täglich um 90.000. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind in Afghanistan etwa 9,5 Millionen Menschen wahlberechtigt. Ministerpräsident Hamid Karsai hatte vor wenigen Tagen erklärt, dass ein Ergebnis von rund sechs Millionen registrierten Wählern eine "legitime Zahl" seien. Die Verabschiedung der Wahlgesetze wurde immer wieder verschoben. Da die Wahlen jedoch mindestens 90 Tage im voraus angekündigt werden müssen, bleiben den Behörden nur noch zwei Wochen Zeit, um einen Termin im September anzusetzen.
  • In der Nacht zum 18. Juni wurden auf das Gebäude des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge in Kandahar mehrere Granaten mit Raketenantrieb abgefeuert.
  • Nach einer Meldung von AFP vom 18. Juni hat die pakistanische Armee bei einem Angriff auf mutmaßliche Al-Kaida-Kämpfer nahe der afghanischen Grenze den ehemaligen Taliban-Kommandeur Nek Mohammead getötet.
  • Die afghanische Regierung hat am 18. Juni die Anklage der US-Justiz gegen einen vom CIA angeheuerten Verhörspezialisten begrüßt. Dies sollte als Beispiel für die Strafverfolgung in zwei weiteren Fällen dienen, in denen ebenfalls afghanische Gefangene in USA-Haft starben, sagte ein Sprecher von Präsident Karsai. Zwei Männer starben im US-Stützpunkt Bagram im Dezember 2002. Dem nun angeklagten Verhör"spezialisten" David Passaro wird vorgeworfen, den Häftling Abdul Wali schwer misshandelt zu haben. Wali sei nach zweitägigem Verhör am 21. Juni 2003 tot in seiner Zelle in dem USA-Gefängnis nahe Asadabad aufgefunden worden.
  • Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights First vom 17. Juni unterhalten die USA weltweit geheime Gefängnisse für Terrorverdächtige. Wie die Organisation in Washington mitteilte, gibt es insgesamt mehr als ein Dutzend spezieller Einrichtungen. Mindestens die Hälfte von ihnen würden in voller Geheimhaltung operieren. Gefängnis gäbe es u.a. in Irak, Afghanistan, Pakistan, Jordanien sowie auf US-Kriegsschiffen. "Human Rights First" ist der neue Name der Anwälteorganisation Lawyers Committee for Human Rights, die sich seit einem Vierteljahrhundert mit Menschenrechtsfragen befasst.
  • Der afghanische Präsdent Karsai hat am 20. Juni eine größere internationale Truppe zum Schutz der Parlaments- und Präsidentenwahlen im September gefordert. Er wolle seine Bitte auf dem nächsten NATO-Gipfel in Istanbul Ende Juni vortragen.
21. bis 27. Juni
  • Die US-Behörden haben die Bedeutung der Gefangenen im US-Militärlager Guantánamo in Kuba offenbar stark überbewertet. Unter den rund 600 Häftlingen sei kein einziges Führungsmitglied der Terrororganisation El Kaida, berichtete die US-Tageszeitung "New York Times" am 21. Juni unter Berufung auf ranghohe Vertreter aus Militär, Geheimdiensten und Justiz. Höchstens zwei Dutzend der Gefangenen seien militante El-Kaida-Mitglieder, die Informationen über das Terrornetzwerk liefern könnten.
  • Bei einem Überfall auf ein UN-Fahrzeug ist am 21. Juni in Afghanistan ein einheimischer Polizist getötet worden. Unbekannte hätten das Auto, in dem neben dem Fahrer drei afghanische Polizisten unterwegs waren, in der Nähe von Kandahar von Motorrädern aus beschossen, sagte ein UN-Sprecher der Nachrichtenagentur AFP. Das Auto habe Feuer gefangen, die Leiche des Polizisten sei darin verbrannt.
  • Als Reaktion auf den Folter-Skandal in Irak hat die US-Regierung mit der Veröffentlichung von Dokumenten Anschuldigungen zu entkräften gesucht, sie habe die Misshandlung von Gefangenen geduldet. Ein Memorandum zeigt jedoch, dass US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Gefangenenlager Guantánamo zeitweise brutale Verhörmethoden erlaubte. Von Dezember 2002 bis April 2003 durften Häftlinge unter anderem mit Hunden eingeschüchtert werden. Zu den vom Weißen Haus am 22. Juni veröffentlichten Regierungsdokumenten zum Umgang mit Gefangenen in Afghanistan und im US-Lager Guantánamo auf Kuba gehörte auch eine von Bush am 7. Februar 2002 unterzeichnete Anweisung. Darin wies er darauf hin, dass für festgenommene Taliban in Afghanistan nicht die Genfer Konventionen gälten, diese aber menschlich zu behandeln seien. Nach Angaben des Chefs der Rechtsabteilung des Weißen Hauses, Alberto Gonzales, handelt es sich um die einzige Direktive des Präsidenten zum Umgang mit Gefangenen.
  • Bei einem Anschlag auf eine Militärpatrouille sind in der Provinz Kandahar in Süd-Afghanistan mindestens fünf afghanische Soldaten ums Leben gekommen. Zwei weitere wurden nach Polizeiangaben vom 23. Juni verletzt, als neben ihrem Fahrzeug eine ferngezündete Bombe detonierte. Ein Polizeisprecher machte Taliban-Kämpfer oder Anhänger des islamistischen Terrornetzes von El Kaida für den Anschlag verantwortlich.
  • Im Südosten des Landes wurde am 23. Juni ein US-Militärlager beschossen. Fünf Menschen wurden verletzt.
  • Die afghanische Frauenrechtlerin Soraja Parlika ist nur knapp einem Anschlag auf ihr Leben entgangen. Mindestens ein Schuss sei am 22. Juni auf ihre Wohnung in einem Plattenbauviertel der afghanischen Hauptstadt Kabul abgefeuert worden, teilte die Polizei am 23. Juni mit. Parlika sagte, als sie am Abend telefonierend auf den Balkon ihrer Wohnung gegangen sei, habe ein Unbekannter drei Schüsse auf sie abgefeuert.
  • Nach der Absage der Niederlande verhandelt die Bundesregierung mit mehreren Staaten über den Aufbau eines zweiten Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) im Norden von Afghanistan. Wegen des Erfolgs des PRT der Bundeswehr in der nordafghanischen Stadt Kundus gebe es eine "ganze Menge von Offerten" für ein gemeinsames Team in Faisabad, hieß es am 24. Juni in Berliner Regierungskreisen. Es gebe ein "konkretes dänisches Angebot" und eine Offerte aus Bulgarien, zudem werde eine Zusammenarbeit mit Spanien und der Türkei sondiert. Ursprünglich sollten sich die Niederländer am Aufbau eines Wiederaufbauteams in Faisabad beteiligen, Den Haag entschied sich jedoch zur Gründung eines eigenen PRT in der südlich von Kundus gelegenen Stadt Baghlan.
  • Bei einem Einsatz im Nordosten Afghanistans sind zwei US-Marineinfanteristen getötet und ein weiterer verletzt worden. Wie eine US-Militärsprecherin am 25. Juni in Kabul mitteilte, wurden die US-Soldaten am Abend des 24. Juni in der Provinz Kunar nordöstlich der Ortschaft Asadabad getötet. Der Zustand des verletzten Soldaten sei stabil. Nähere Angaben zu dem Vorfall machte die Sprecherin nicht. Kunar liegt in der überwiegend von Paschtunen besiedelten Grenzregion zu Pakistan, wo sowohl Kämpfer der radikalislamischen Taliban als auch der islamistischen Hesb-i-Islami von Gulbuddin Hekmatyar Stützpunkte haben.
  • Die Vereinten Nationen Zugang haben sofortigen Zugang zu Häftlingen in Irak, Afghanistan und auf dem US-Stützpunkt Guantánamo auf Kuba gefordert, die dort wegen Terrorismusverdachts festgehalten werden. Ohne die USA zu nennen, forderten die vom UN-Menschenrechtskommissariat bestellten rund 30 Beobachter in einer am 25. Juni veröffentlichten gemeinsamen Erklärung schnellstmöglichen Zugang zu den Inhaftierten. Vier UN-Experten wurden für die Mission ausgewählt: Die UN-Sonderberichterstatter für Folter, Theo van Boven, für das Recht auf Unversehrtheit, Paul Hunt, für eine unabhängige Justiz, Leandro Despouy, und die Leiterin der Arbeitsgruppe für willkürliche Festnahmen, Leila Zerrougui.
  • Die Staats- und Regierungschefs der NATO kommen am 28. und 29. Juni in Istanbul zu ihrem ersten Gipfeltreffen seit der Erweiterung der Allianz Anfang April um sieben neue Mitglieder zusammen. Zu den Schwerpunkten der Beratungen werden die Lage im Irak und die Entwicklung in Afghanistan gehören. Beim Thema Afghanistan wird von dem Istanbuler Gipfel eine Weichenstellung zur Ausweitung der regionalen Wiederaufbauteams (PRT) in dem Land erwartet. Im Gespräch ist dabei ein "Netzwerk" von weiteren fünf PRTs im Norden und Westen Afghanistans. Deutschland will neben dem bereits in Kundus tätigen Team ein zusätzliches PRT im Norden des Landes einsetzen.
  • Die weltweite Opiumproduktion steigt - vor allem wegen des zunehmenden Anbaus von Schlafmohn in Afghanistan, wie aus dem am 25. Juni in Moskau vorgestellten Weltdrogenbericht hervorgeht. Der Rückgang der Opiumproduktion in Birma und Laos wurde demnach durch den gleichzeitigen Anstieg in Afghanistan mehr als ausgeglichen. Drei Viertel des weltweit verfügbaren Opium kommen dem Bericht zufolge aus Afghanistan, was auch zu einem Anstieg um fünf Prozent zwischen 2002 und 2003 führte.
  • Bei einem Bombenanschlag im Osten Afghanistans sind am 26. Juni drei Wahlhelferinnen der Vereinten Nationen getötet worden. Elf weitere Afghaninnen seien zum Teil schwer verletzt worden, als ein in einem Kleinbus platzierter Sprengsatz bei Dschalalabad detonierte, sagte UN-Sprecher Manoel de Almeida e Silva. Nach Angaben des Militärchefs der Provinz Dschalalabad, Hasrat i Ali, detonierte der in dem Bus der Wahlhelferinnen versteckte Sprengsatz zwei Kilometer außerhalb von Dschalalabad. Der unverletzt gebliebene Fahrer sei festgenommen worden und werde von der Polizei verhört. Alle Insassen des Busses seien afghanische Frauen gewesen, sagte der UN-Sprecher. Die Mitarbeiterinnen eines von der UNO geführten Wahlorganisationskomitees seien auf dem Weg von ihrem Büro in Dschalalabad in die Provinz Nagahar gewesen, um dort Wähler zu registrieren.
  • Anlässlich des bevorstehenden NATO-Gipfels in Istanbul hat der Grünen-Sicherheitsexperte Winfried Nachtwei von der NATO gefordert, schnell weitere Wiederaufbauteams wie in Kundus in Afghanistan einzurichten. Andernfalls sei ein Scheitern der Wahlen im Herbst und damit der internationalen Stabilisierungsbemühungen vorprogrammiert, erklärte er am 27. Juni in Berlin. Dies wäre eine strategische Niederlage bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Die NATO dürfe sich nicht länger "taub" stellen, sagte Nachtwei.
  • Mutmaßliche Talibankämpfer haben in Afghanistan 16 Menschen getötet, die sich für die Wahl im September registriert hatten. Wie ein Regierungsbeamter am 27. Juni mitteilte, ereignete sich der Überfall bereits am 25. Juni in der südlichen Provinz Urusgan. Bewaffnete hätten das Fahrzeug gestoppt, in dem eine 17-köpfige Gruppe unterwegs war. Ein Mensch sei entkommen, die anderen seien getötet worden. Der Überlebende habe von dem Massaker berichtet. Bezirkschef Hadschi Obeidullah sagte der Nachrichtenagentur AFP, er sehe als einzigen Grund für die Tat die Wahlregistrierungskarten, die alle 17 bei sich hatten. Die Bewaffneten seien als Taliban identifiziert worden.
  • Der NATO-Oberbefehlshaber für Europa, US-General James Jones, will die internationalen Truppen in Afghanistan vor den Wahlen im September um 2.000 Soldaten aufstocken. Er sei zudem "vorsichtig optimistisch", dass der am 28. Juni beginnende NATO-Gipfel der Ausweitung der ISAF-Mission über Kabul hinaus zustimmen werde, sagte Jones am 27. Juni. Die Ausweitung des Einsatzes könne "wahrscheinlich innerhalb von 30 Tagen" beginnen. Er hoffe, dass der Istanbuler Gipfel die Stationierung von fünf zusätzlichen regionalen Wiederaufbauteams (PRT) im Norden des Landes ermöglichen werde. Jones sagte, er habe um fünf C130-Transportflugzeuge, mehrere Helikopter und medizinische Einrichtungen in Kabul gebeten sowie um schnelle Eingreiftruppen und Aufklärungseinheiten. Für die Zeit um die Wahlen im September habe er für 90 Tage ein Bataillon angefordert.
28. bis 30. Juni
  • Die NATO will ihre Friedenstruppe in Afghanistan erheblich aufstocken. Darauf einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Allianz am 28. Juni bei ihrem Gipfeltreffen in Istanbul, wie aus NATO-Kreisen verlautete. Geplant ist demnach, die Zahl der für einen Einsatz in Afghanistan zur Verfügung stehenden Soldaten auf 10.000 zu erhöhen. Zur Zeit sind rund 6.500 Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF unter NATO-Kommando in Afghanistan stationiert, davon stellt die Bundeswehr rund 2.000.
    Rund 1.000 Soldaten der deutsch-französischen Brigade gehen nach Afghanistan. Sie helfen ab Mitte Juli in Kabul bei der Ausbildung neuer Polizisten und Soldaten. Zudem sollen sie die Sicherheitskräfte beim Aufbau neuer Strukturen unterstützen. Die Soldaten bleiben ein halbes Jahr in Afghanistan. Es ist der erste gemeinsame Auslandseinsatz der deutsch-französischen Brigade seit dem SFOR-Einsatz 1997 in Bosnien. Insgesamt sind in Afghanistan im Rahmen des ISAF-Einsatzes derzeit rund 1.760 deutsche Soldaten stationiert. (dpa, 28. Juni)
  • Die Gefangenen von Guantánamo Bay können ihre Festnahme vor US-Gerichten anfechten. Das entschied der Oberste Gerichtshof in Washington am 28. Juni. Das Urteil ist eine Niederlage für US- Präsident George W. Bush. Unter weltweitem Protest werden auf dem US-Stützpunkt auf Kuba rund 600 Männer festgehalten. Die meisten wurden während der Kämpfe in Afghanistan vor gut zwei Jahren gefangen genommen. Das US-Militär hält die Männer für gefährliche Terroristen, denen keinerlei Schutz unter internationalen Konventionen zusteht.
  • Das ursprünglich für Ende Juni geplante zweite deutsche Wiederaufbauteam im afghanischen Faisabad kommt später als vorgesehen. Noch sei der Zeitpunkt offen, es werde sich aber eher um Wochen als um Monate handeln, hieß es am 29. Juni in Regierungskreisen in Berlin. Deutschland sei weiter an einer Multinationalisierung der Mission interessiert, es liefen entsprechende Gespräche. Die Niederlande, die sich ursprünglich an dem Einsatz in der rund 200 Kilometer östlich von Kundus im Nordosten Afghanistans gelegenen Stadt beteiligen wollten, waren kürzlich abgesprungen. Ein weiterer Grund für die Verschiebung sei die "Lagebewertung vor Ort", hieß es weiter.
  • Mit einer eindringlichen Bitte des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai um eine umgehende Verstärkung der internationalen Friedenstruppe für Afghanistan ist das NATO-Gipfeltreffen im Istanbul zu Ende gegangen. Konkrete Zusagen von NATO-Staaten für eine sofortige zusätzliche Stationierung von Soldaten erhielt Karsai aber nicht. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte, Deutschland sei schon jetzt mit knapp 2000 Soldaten der größte Truppensteller der ISAF. Wesentlich mehr Bundeswehrsoldaten würden nicht in Marsch gesetzt. Der britische Premierminister Tony Blair sagte nach einem Gespräch mit Karsai am 29. Juni, die am 28. Juni getroffene Entscheidung der NATO zur Verstärkung der Afghanistan-Schutztruppe ISAF müsse jetzt umgesetzt werden. Nach Angaben eines Bündnissprechers soll die Zahl der NATO-Soldaten, die für einen Einsatz in dem Land zur Verfügung stehen, von derzeit 6.500 auf bis zu 10.000 erhöht werden. In den offiziellen Beschlussdokumenten des NATO-Gipfels fand sich diese Zahl jedoch nicht.
  • Bei zwei Bombenexplosionen in der ostafghanischen Stadt Dschalalabad sind am 30. Juni 27 Zivilisten verletzt worden, acht von ihnen lebensgefährlich. Unter den Opfern seien mehrere Kinder, sagte der stellvertretende Chef des örtlichen Krankenhauses. Die beiden Sprengsätze gingen nach Angaben eines Armeevertreters bei zwei Wachposten in die Luft. Einer der Posten befindet sich in der Nähe eines belebten Busbahnhofs, wie Vizepolizeichef Abdul Rehman mitteilte. Die andere Bombe habe die Hauptstraße beim Postgebäude erschüttert.
  • Mutmaßliche Talibankämpfer haben im Süden Afghanistans einen Lastwagenkonvoi überfallen, der Nachschub zu Stützpunkten der US-geführten Truppen brachte, und zwölf Afghanen entführt. Wie ein örtlicher Militärkommandeur der Nachrichtenagentur AFP am 30. Juni mitteilte, waren die vier Lkw auf dem Weg von der Provinz Kandahar ins benachbarte Urusgan, als sie am 29. Juni an der Grenze gestoppt wurden. Die Angreifer verbrannten die Fahrzeuge. Die Fahrer und deren Helfer wurden verschleppt.
  • Bei zwei Bombenanschlägen in Afghanistan sind vier Menschen getötet und mindestens 24 Menschen verletzt worden. Die Sprengsätze explodierten am 30. Juni kurz nacheinander in der Innenstadt von Dschalalabad, wie die Behörden am Tag darauf mitteilten. Die Stadt liegt rund 125 Kilometer östlich der Hauptstadt Kabul. Regionale Behörden machten Regierungsgegner für den Terror verantwortlich. Ein Mann, der sich als Sprecher der Taliban ausgab, wies dies allerdings zurück und bezichtigte rivalisierende Stämme der Region.


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