Merkel hält an tödlicher Afghanistan-Strategie fest
SPD sieht nach Tod von weiteren vier Bundeswehrsoldaten "anspruchsvollere Überzeugungsarbeit" für Kriegseinsatz
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht auch nach dem Tod von vier weiteren deutschen Soldaten in
Afghanistan keinen Anlass für grundlegende Änderungen der Einsatzstrategie. Die CDU-Vorsitzende
stellte sich am Freitag (16. April) demonstrativ hinter den Einsatz, für den es nach allen Umfragen in der Bevölkerung keine Mehrheit gibt.
Kanzlerin Merkel sagte kurz vor dem Ende ihrer USA-Reise: »Ich
weiß, dass viele Menschen Zweifel haben, ob der Einsatz richtig ist. Doch ich will auch sagen, dass
ich ganz bewusst hinter diesem Einsatz stehe, damit das Land stabilisiert wird und selbst für seine
Verantwortung sorgen kann.« Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) stellten sich hinter die bisherige Strategie.
Nach den Worten von Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sind allenfalls »kleinere
Nachjustierungen« nötig. Die deutsche Afghanistan-Strategie sei ein dynamischer Prozess, »wo es
kleinere Nachsteuerungen innerhalb des bestehenden Mandats und der bestehenden Strategie
gibt«.
Die SPD sieht ebenfalls keinen Anlass für ein neues Afghanistan-Mandat. Fraktionschef Frank-
Walter Steinmeier wandte sich im ARD-Fernsehen gegen einen überstürzten Abzug: »Wir sind nicht
kopflos hineingegangen, und wir dürfen jetzt nicht kopflos hinausgehen.« Die Überzeugungsarbeit
der Politik werde nach einem solch tragischen Tag umso anspruchsvoller. Dennoch sei man den
Toten und ihren Angehörigen verpflichtet, »die Rechtfertigung und die Dauer des Einsatzes immer
wieder zu überdenken«.
Die Linksfraktion im Bundestag erklärte auf ihrer Klausur in Dortmund, die Nachricht vom Tod
deutscher Soldaten in Afghanistan habe die Abgeordneten tief bestürzt. Ihr Mitgefühl gelte
Angehörigen, Freundinnen und Freunden. »Im Interesse der afghanischen wie der deutschen
Bevölkerung muss die Bundeswehr unverzüglich aus Afghanistan abgezogen werden«, heißt es in
der Erklärung. Frieden könne nicht mit immer neuer Aufrüstung und immer neuen Offensiven
erreicht werden, sondern nur durch einen wirklich zivilen Aufbau und einen Versöhnungsprozess in
Afghanistan. Nach Umfragen sind zwei Drittel der Bundesbürger dafür, dass die Bundeswehr
Afghanistan schnellstmöglich verlässt. Der Einsatz dauert bereits seit Herbst 2001. Seither starben
in Afghanistan 43 deutsche Soldaten.
Verteidigungsminister Guttenberg trat am Freitag (16. April) mit den fünf verletzten Soldaten die Rückreise
nach Deutschland an. Am Nachmittag traf die Maschine im usbekischen Termes ein, wegen der
vulkanischen Aschewolke über Europa war der Zeitpunkt der Weiterreise aber zunächst unklar. Von
den vier getöteten Soldaten starben drei laut Angaben der Bundeswehr durch eine Sprengfalle, einer
starb beim Beschuss seines Fahrzeugs. Die fünf Verwundeten sollten in Bundeswehr-
Krankenhäuser in Ulm und Koblenz gebracht werden. Ihr Zustand sei stabil, teilte die Bundeswehr
mit. Guttenberg war in das Bundeswehr-Feldlager Masar-i-Scharif zurückgekehrt, als er auf dem
Rückweg von einem Truppenbesuch von dem Angriff erfahren hatte. Der ARD sagte er, im Lager
herrsche große Betroffenheit, »aber man ist auch gefasst«.
Die vier getöteten Soldaten waren in Süddeutschland stationiert. Es handelt sich nach
Bundeswehrangaben um einen 24-jährigen Stabsunteroffizier und einen 32-jährigen Hauptfeldwebel
aus dem Standort Ingolstadt, außerdem um einen 38-jährigen Major aus Weiden in der Oberpfalz
und einen 33-jährigen Oberstabsarzt aus Ulm. An dem großangelegten Einsatz gegen
Aufständische, bei dem die Bundeswehrsoldaten getötet wurden, waren am Donnerstag etwa 3000
Soldaten beteiligt, darunter auch etwa 100 Deutsche.
Laut dem Magazin »Stern« gab es nach dem Tod dreier Bundeswehrsoldaten am Karfreitag einen
Streit zwischen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Guttenberg darüber, ob der
Verteidigungsminister seinen Urlaub in Südafrika abbrechen müsse. Dabei habe Guttenberg mit
Blick auf die Entwicklung des Krieges in Afghanistan geäußert, er könne künftig nicht an jeder
Trauerfeier für deutsche Soldaten persönlich teilnehmen.
SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold plädierte dafür, die für kommenden Donnerstag (21. April) geplante
Vernehmung Guttenbergs im Kundus-Untersuchungsausschuss zu verschieben. Es sei nicht pietätvoll, »wenn es fast zeitgleich zur Beerdigung der toten Soldaten zur Vernehmung des Ministers im Ausschuss und zu einer entsprechenden Wahrnehmung in der Öffentlichkeit kommt«, sagte Arnold der »Mitteldeutschen Zeitung«.
In Niedersachsen begann am Freitag (16. April) ein Manöver mit 7500 Bundeswehrsoldaten, bei dem der Einsatz in Afghanistan trainiert werden soll. Erprobt werden der Umgang mit Sprengfallen, die
Versorgung von Verwundeten und das Verhalten bei Angriffen aus dem Hinterhalt.
* Aus: Neues Deutschland, 17. April 2010
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