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Militäroperation läuft offenbar ins Leere

Wieder Tote und Verletzte in Afghanistan

Während die Militäroperation gegen die Taliban in Afghanistan kaum Erfolg zeigt, kam es am Wochenende bei Anschlägen und Gefechten abermals zu Todesopfern.

Die von der Bundeswehr unterstützte großangelegte Militäroffensive in Nordafghanistan dauert auch eine Woche nach Beginn noch an. Bislang seien keine deutschen Soldaten bei den Gefechten mit Aufständischen verletzt worden, auch nicht bei einem neuerlichen Sprengstoffanschlag auf eine Bundeswehrpatrouille am Samstagmorgen (25. Juli) nahe Kundus. Das teilte das Verteidigungsministerium in Berlin mit. Nach afghanischen Angaben wurden bei neuen Gefechten vier Taliban-Kämpfer getötet.

Auch in der ostafghanischen Provinzhauptstadt Khost kam es nach Angaben aus Kabul zu Toten und Verletzten, als sich drei Selbstmordattentäter in die Luft sprengten und sich Extremisten und afghanische Sicherheitskräfte beschossen. Einer der 41 Kandidaten für die Präsidentenwahl am 20. August war zu einem Wahlkampfauftritt in der Stadt und blieb unverletzt.

Das Verteidigungsministerium in Berlin bestätigte Berichte, wonach die Sanitäter der Bundeswehr künftig ohne das Schutzzeichen Rotes Kreuz fahren werden. Die Arzttrupps werden in unmarkierten, geschützten Fahrzeugen ausrücken. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte zuvor erklärt, Taliban-Kämpfer hätten keinen Respekt vor Krankenwagen: »Das Rote Kreuz ist für sie eher noch ein Angriffsziel.«

Angaben zu Einzelheiten der Militäroffensive machte das Ministerium zum Schutz der Soldaten nicht. Wann der Einsatz beendet wird, hänge vom Verlauf der Operation ab. Die Bundeswehr unterstützt die 900 an der Operation beteiligten afghanischen Sicherheitskräfte mit rund 300 Soldaten und setzt erstmals auch Panzer und schwere Waffen ein. Der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammad Omar, hatte am Donnerstag mitgeteilt, deutsche und afghanische Soldaten hätten den Unruhedistrikt Char Darah wieder unter ihre Kontrolle gebracht.

In diesem Distrikt hatte sich die Lage zuletzt zugespitzt. Ende Juni waren dort drei deutsche Soldaten während eines Gefechts ums Leben gekommen. Nun seien die Taliban-Kämpfer und die Al-Qaida- Terroristen aus dem Gebiet vertrieben worden, hatte Omar erklärt. Mindestens 13 Aufständische seien getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Laut Verteidigungsministerium in Kabul vom Donnerstag wurden auch vier afghanische Soldaten getötet.

In der südlichen Provinz Helmand kam am Samstag (25. Juli) nach Angaben des Verteidigungsministeriums in London erneut ein britischer Soldat bei einem Anschlag ums Leben. Damit erhöhte sich die Zahl der im Juli getöteten Briten auf 20. Seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes Ende 2001 starben bislang 189 britische Soldaten.

Vor den Präsidentschaftswahlen im August hat sich die Sicherheitslage im Land erheblich verschärft. Allein im Juli kamen nach Angaben des Internetdienstes icasualties.org bislang 67 ausländische Soldaten bei Anschlägen und Gefechten ums Leben, die meisten davon US-Soldaten. Zudem verübten die Taliban immer wieder spektakuläre Kommandoaktionen. So hatten am Dienstag Aufständische im Osten des Landes einen Flughafen und Regierungsgebäude angegriffen.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Juli 2009


Eine Wahl "mitten im Krieg"

Afghanistan: US-Sondergesandter äußert Bedenken gegen geplante Abstimmung **

Einen Monat vor der von den Besatzungsmächten kontrollierten Präsidentenwahl in Afghanistan hat der US-Sondergesandte Richard Holbrooke Bedenken wegen der Abstimmung geäußert. Eine Wahl mitten im Krieg sei »ungewöhnlich«, sagte Holbrooke am Samstag (25. Juli) in Kabul und verwies unter anderem auf »Sicherheitsprobleme«. Trotzdem dürfe der Wahlgang am 20. August nicht infrage gestellt werden: »Wir werden also die unter diesen Umständen bestmögliche Wahl abhalten.« Der vom Westen protegierte Amtsinhaber Hamid Karsai gilt als klarer Favorit.

Unterdessen wurde am Samstag bei einem Angriff auf eine Bundeswehr-Patrouille rund zwei Kilometer nordwestlich von Kundus ein Fahrzeug vom Typ Dingo beschädigt. Die Bundeswehr forderte Verstärkung an und bereitete sich auf eine Unterstützung des Konvois vor. Aus »Sicherheitsgründen« verzichten die deutschen Besatzer künftig auf das Zeichen des Roten Kreuzes an ihren Fahrzeugen. In den vergangenen Monaten sei es vermehrt zu Angriffen auf diese Fahrzeuge gekommen, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums zur Begründung. Die Bundeswehr hatte zusammen mit afghanischen Soldaten im Norden des Landes vor einigen Tagen eine Offensive gegen die Aufständischen begonnen. An dem bislang größten deutsch-afghanischen Militäreinsatz sind rund 300 Bundeswehrsoldaten beteiligt.

Bei Angriffen in der Stadt Chost im Südosten des Landes wurden nach Angaben des afghanischen Innenministeriums am Samstag sieben Selbstmordattentäter getötet. Sie sprengten sich demnach selbst in die Luft oder wurden erschossen, bevor sie ihre Ziele erreichen konnten. Bei den Angriffen wurden ein Zivilist getötet und 17 weitere Menschen verletzt, unter ihnen drei Soldaten. In einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP übernahm ein Sprecher im Namen der Taliban die Verantwortung für die Angriffe, die Einrichtungen der Polizei und einer Bank galten.

Die NATO gab unterdessen den Tod von zwei ihrer Soldaten bekannt. Bei einem von ihnen handelte es sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums in London um einen Briten, auf dessen Patrouillenfahrzeug in der südlichen Provinz Helmand am Samstag ein Bombenattentat verübt wurde. Der zweite Soldat, dessen Nationalität nicht bekannt wurde, starb bei einem Gefecht im Osten Afghanistans. (AFP/AP/jW)

** Aus: junge Welt, 27. Juli 2009


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