Kein bloßes "Weiter so"
Afghanistan-Konferenz fordert von Kabul "aktive Maßnahmen"
Trotz Kritik am bisherigen Wiederaufbau hat sich die internationale Staatengemeinschaft hinter die
afghanische Regierung gestellt und dem Land um die 20 Milliarden Dollar zugesagt. *
Paris/Berlin (Agenturen/ND). Mehrere Länder erhöhten bei der Pariser Afghanistan-Konferenz ihre
Unterstützung, voran die USA, die in den kommenden zwei Jahren 10,2 Milliarden Dollar
bereitstellen wollen. Deutschland forderte aber von der Regierung in Kabul fast sieben Jahre nach
dem Sturz der Taliban mehr Anstrengungen, insbesondere im Kampf gegen die Korruption. »Ein
bloßes ›Weiter so‹ darf es nicht geben«, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der
für Deutschland 420 Millionen Euro für die Zeit von 2008 bis 2010 zusagte.
Zwei Jahre nach der Londoner Geberkonferenz zogen 68 Länder und 17 internationale
Organisationen bei dem Pariser Treffen Zwischenbilanz des bisherigen Aufbaus. Neben Erfolgen,
etwa beim Aufbau von Schulen und der Gesundheitsversorgung, wurden nun auch deutlich Defizite
benannt. So verlangte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon von der Regierung in Kabul »aktive
Maßnahmen« gegen die Korruption sowie mehr »Transparenz und gute Regierungsführung«.
Steinmeier sagte, der afghanische Präsident Hamid Karsai habe in Paris »deutlicher als bei früheren
Gelegenheiten« Bemühungen in diesen Bereichen zugesagt. Ziel aller Anstrengungen müsse sein,
Afghanistan in die Lage zu versetzen, »auf eigenen Beinen zu stehen«, so der Minister. Der Einsatz
müsse aber regelmäßig überprüft werden, um zu zeigen, dass »wir in Afghanistan nicht auf Autopilot
umgestellt haben«.
Als Vertreter des Europäischen Parlaments unterstrich der Abgeordnete André Brie (GUE/NGL) auf
der Pariser Afghanistan-Konferenz die Notwendigkeit der langfristigen internationalen Solidarität und
Unterstützung des Landes am Hindukusch und der afghanischen Bevölkerung. »Fortschritte in
Afghanistan können nur mit dem Beistand der internationalen Gemeinschaft erreicht werden«,
erklärte der Afghanistan-Berichterstatter des EU-Parlaments. Dabei müssten die sicherheits- und
entwicklungspolitischen Aspekte sowie die Anstrengungen zum Aufbau staatlicher Strukturen eine
kohärente Einheit bilden. Trotz verstärkter internationaler Hilfe müssten die Bemühungen, einen
dauerhaften Frieden in Afghanistan zu erreichen, weiter forciert werden. Insbesondere bei
Menschenrechten und der Situation von Frauen gebe es Handlungsbedarf, gab Brie die Position des
Parlaments wieder.
Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Heike Hänsel, forderte: »Die
internationale Hilfe für Afghanistan muss nicht nur erhöht, sondern vor allem umstrukturiert und neu
ausgerichtet werden.« Das afghanische Volk habe nach sieben Jahren Aufbau viel zu wenig von der
zivilen Hilfe profitiert. »Die Bilanz ist ernüchternd«, erklärte Hänsel. »Gegenwärtig sind 70 Prozent
der Bevölkerung von Hunger bedroht. Ein Großteil der bislang versprochenen Unterstützung ist nicht
in Afghanistan angekommen oder floss in Form von Unternehmensgewinnen und Beratergehältern
wieder zurück in die Geberländer. Was von der Hilfe in Afghanistan bleibt, wird oft durch korrupte
Regierungsmitglieder und lokale Warlords in private Taschen gelenkt.«
* Aus: Neues Deutschland, 13. Juni 2008
Parole: Durchhalten!
Von Frank Brendle **
Mit Versprechungen, Mahnungen und Durchhalteparolen endete am Donnerstag in Paris eine Afghanistan-Konferenz, an der Vertreter von 68 Staaten und 17 internationalen Organisationen teilgenommen haben. Der afghanische Präsident Hamid Karsai bezog dabei zum Teil heftige Schelte von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Vertretern anderer Regierungen sowie von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. Zwar gebe es Fortschritte im Gesundheits- und Bildungsbereich, Karsai mangele es aber an »Mut und Einsatz« bei der Bekämpfung von Korruption wie des Drogenanbaus und beim Aufbau einer »guten Regierung«. Deswegen soll nach Steinmeier die Art der »Hilfe« künftig genauer überprüft werden. Es könne »weder ein kopfloses Drinbleiben noch ein kopfloses Rausgehen« geben. Der afghanische Präsident stellte einen Fünfjahresplan mit einem Gesamtvolumen von über 50 Milliarden Dollar vor, die er sich nun zusammenbetteln muß. Dafür gab er das gewagte Versprechen ab, daß es bis Ende des Jahres in Afghanistan kein einziges Schlafmohnfeld mehr geben werde. Bis gestern abend hatte er Zusagen über 15 Milliarden Dollar beisammen, davon zehn Milliarden von den USA. Karsai zufolge gehe es Kabul vor allem um die Förderung der Landwirtschaft und der Stromversorgung.
Zwar sagte auch Steinmeier zu, in den nächsten drei Jahren 420 Millionen Euro an Hilfe zu gewähren. Damit bleibt der zivile deutsche Beitrag aber weitgehend auf dem bisherigen Niveau. Konkrete Vorstellungen, wie das Besatzungsregime am Hindukusch noch zu retten ist, vermochten die Staatschefs nicht zu präsentieren. Sie wiederholten statt dessen das bisherige Mantra: Drogenanbau bekämpfen, Korruption eindämmen, afghanische Polizei und Militärverbände ausbilden.
Sicher ist nur eines: Die Kriegführung wird weiter intensiviert und die Zahl der Besatzungssoldaten erhöht. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy drohte den Afghanen unbefristete »Unterstützung« an: »Wir lassen uns nicht von den Terroristen einschüchtern, wir bleiben so lange, bis wir gewonnen haben.« Frankreich will seine Truppen um 1000 Mann aufstocken. Auch der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sprach sich dafür aus, mehr Soldaten an den Hindukusch zu schicken. Im Deutschlandfunk begründete er dies unter anderem mit der vor wenigen Tagen erfolgten Entsendung einer Schnellen Eingreiftruppe. Angesichts zusätzlicher Herausforderungen sei es nötig, »ein Stück mehr Flexibilität« zu schaffen. Berichte der Financial Times Deutschland, es gehe um eine Aufstockung auf bis zu 4800 Mann, wollte er nicht bestätigen. Konkrete Zahlen werde er aber noch vor der Sommerpause nennen, so Jung. Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose äußerte ebenfalls im Deutschlandfunk, er halte eine Zahl von 4000 Soldaten für politisch durchsetzbar. Derzeit ist das Mandat mit 3495 praktisch vollständig ausgeschöpft. Die Mahnung von Oberst Bernhard Gertz vom Deutschen Bundeswehrverband, der Kampf gegen den Terror sei nicht militärisch zu gewinnen, blieb weitgehend ungehört. Lediglich die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Heike Hänsel forderte, die Hilfe auszuweiten, zu entmilitarisieren und die Truppen abzuziehen.
** Aus: junge Welt, 13. Juni 2008
Texte, die der CIA gefallen – und Minister Schäuble auch
Afghanistans Widerständler und die »uneigennützigen« Geschenke sogenannter
Geberländer
Von René Heilig ***
»Wir müssen alles Nötige tun, um einen Erfolg Afghanistans zu garantieren«, sagte UNGeneralsekretär
Ban Ki Moon zur Eröffnung der sogenannten Geber-Konferenz in Paris. Fragt sich
nur: Wer sucht welchen Erfolg in Afghanistan?
»Wir Muslime wollen lediglich die Menschen zum Guten aufrufen.« Sie sollten begreifen, dass es
»keinen Gott gibt, der mit Recht und Wahrheit angebetet werden darf außer Allah.« Das schreibt
Eric Breininger, ein Deutscher so um die 20, der sich jetzt Abdul Ghaffar al-Almani nennt und mit
einem russischen Maschinengewehr in der Hand über die türkischsprachig, militant-islamistische
Internetseite »Sehadet Vakti« zur Unterstützung der Freiheitskämpfer in Afghanistan aufruft.
»Unternehmt endlich etwas«, redet er mit afghanischen Bergen im Rücken in eine Videokamera.
Wer nicht in den Kampf ziehen könne, solle sein Vermögen spenden, wer keines habe, wenigstens
beten für die Sache der Märtyrer am Hindukusch.
»Hosenscheißer« nennt ihn ein Insider aus dem internationalen Geheimdienstgeschäft und hält
Breininger aus Sicht des deutschen Bundesinnenministers für einen nützlichen Idioten. Die
Drohungen des MG-Trägers gegen den deutschen Staat kommen Schäuble gerade recht beim
Versuch, das deutsche Rechtssystem durch immer mehr Überwachungsmechanismen zu
unterhöhlen.
Der vom Bundeskriminalamt gesuchte Breininger gibt sich als Mitglied der Islamischen Dschihad
Union aus. Stimmt das, so ist er indirekt im Solde der CIA tätig. Denn diese gemeinsam mit dem
usbekischen Geheimdienst aufgestellte Truppe ist – bei aller Aggressivität – vermutlich nicht mehr
als eine Spaltertruppe in den Reihen der Taliban-Verbündeten. Und so lange die feindlichen Kugeln
nicht zu nah einschlagen, rentiert sich das angeblich auch für die Mitglieder des Haufens. 1200
Dollar, so heißt es, sei der monatliche Blutlohn.
Es ist nicht zu erwarten, dass das Geberland USA solche Aufwendungen bei der gerade
stattfindenden Geberkonferenz in Paris abrechnet. Wohl aber rechnet sich Deutschland seinen
Soldatenexport an die Demokratie-Verteidigungsgrenze am Hindukusch hoch an. Und will sogar was
drauf legen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung will noch vor der parlamentarischen
Sommerpause Klarheit über die künftige Stärke des Bundeswehr-Kontingents schaffen. Bisher stellt
die Bundeswehr knapp 3500 Uniformträger, demnächst könnten es 4400 bis 4800 sein. Erweitert
werden soll auch die Ausbildung von afghanischen Polizisten. Das freut die Warlords. Denn die
Massen der von der EU gedrillten Polizisten dient anschließend im Auftrag regionaler Verbrecher,
die ihr Geld mit Drogen-, Waffen- und Menschenhandel verdienen.
Kenner der afghanischen Entwicklung warnen: Wer – wie bisher – die Aufstands- oder
Terrorbewegung nur als militärisches Problem betrachtet, verkennt, dass das Eingreifen der NATO
und anderer westlich orientierter Truppen eine Ursache für die fortschreitende Militanz in der Region
ist. Notwendig wäre es, die Machtausübung zu entmilitarisieren. Doch wie macht man das, wenn
nicht einmal der Präsident bei einer Militärparade von Attacken verschont bleibt? Man kann der
korrupten Regierungskaste künftig noch mehr Geld geben, doch es besteht kaum Aussicht, dass
daraus Nutzbringenderes für die Bevölkerung im weiten Land entsteht. Wichtig wäre, die Macht der
Zentralregierung in Kabul mit den Provinzen zu teilen, sagen Aufbauhelfer. Andere warnen davor,
denn genau da haben die Warlords das Sagen.
Egal, wie viel Geld die Geberländer in Paris auf den Tisch legen – die Lage ist verfahren. Darunter
leiden – neben der afghanischen Bevölkerung – vor allem jene, die man als uniformierte
Demokratiebringen an den Hindukusch geschickt hat.
Man weiß nie, ob die zumeist über Internet verbreiten Drohungen von Spinnern à la Breininger oder
von echten Terroristen stammen. Seit einiger Zeit wird eine neue Offensive in den afghanischen
Nordregionen angedroht. Die Bundeswehr, die dort die Verantwortung hat, nimmt sie jedenfalls
verdammt ernst.
*** Aus: Neues Deutschland, 13. Juni 2008
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