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Roter Teppich für Kapitalisten

Afghanistans Präsident Hamid Karsai wirbt um indische Investoren

Von Hilmar König *

Der rote Teppich für indische Investoren liege in Afghanistan bereit. Diese müßten nur ihre Scheu überwinden und endlich anreisen. Das sagte der afghanische Präsident Hamid Karsai bei seiner Indien-Visite, die er am Dienstag beendete. Vor Industriellen und Geschäftsleuten in Mumbai bekniete er die Gastgeber, doch endlich die Chancen zu begreifen und es anderen Investoren nachzumachen, die weniger zimperlich seien. Er nannte die Chinesen, die bereits vor sechs Jahren Fuß gefaßt hätten. Die Konkurrenz sei stark, auch der Westen mische jetzt mit.

Afghanistan sei ziemlich sicher, behauptete er, um die Bedenken der indischen Kapitalisten zu zerstreuen, die fragen, was nach dem für 2014 geplanten Teilabzug der NATO sein wird. Karsai erklärte, die afghanische Wirtschaft habe sich erholt, es gebe ungeahnte Möglichkeiten, beispielsweise beim Abbau gewaltiger Bodenschätze. Seit 2002 seien Kabuls Währungsreserven einschließlich Gold von 180 Millionen Dollar auf sieben Milliarden Dollar gestiegen, das Pro-Kopf-Einkommen im selben Zeitraum von 200 auf 700 Dollar.

Karsai, der an einer indischen Universität studiert hatte, bezeichnete die Inder als »großzügige Frontlinienpartner beim Wiederaufbau Afghanistans« und erinnerte daran, daß die im Herbst 2011 besiegelte »strategische Partnerschaft« noch mehr Möglichkeiten für die Zusammenarbeit biete.

Insgesamt greift Neu-Delhi dem südasiatischen Regionalnachbarn mit zwei Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe unter die Arme. Diese Mittel fließen überwiegend in den Ausbau der schwachen Infrastruktur und in die Entwicklung von Kleinprojekten auf kommunaler Ebene. Landwirtschafts- und Umweltprojekte werden dabei ebenso gefördert wie die Kinderwohlfahrt oder Gesundheitseinrichtungen für Frauen. Karsai erwähnte aber auch die großen industriellen Vorhaben wie das der Steel Authority of India, die mit einem Firmenkonsortium die enormen Eisenerzlagerstätten Afghanistans ins Visier nimmt und an der Fertigstellung der Pläne zu deren Erschließung und zum Abbau arbeitet.

Indiens Handelsminister Anand Sharma verwies auf den vergleichsweise bescheidenen bilateralen Handel mit einem Wertvolumen von 600 Millionen Dollar im Jahr 2011 und gab Karsai damit indirekt recht, daß viel mehr möglich wäre. Er erwähnte die projektierte Erdgaspipeline von Turkmenistan über Afghanistan bis nach Indien und den Bau des Hafens Chahbahar in Iran, an dem sich Indien beteiligen wird und der Afghanistan einen Zugang zum Meer eröffnet.

In den vier Tagen wurde der Gast von der gesamten indischen Politprominenz empfangen – von der Staats- und Regierungsspitze bis zu Oppositionsführern. Sie alle unterstrichen damit auch Afghanistans strategische Bedeutung in Zusammenhang mit den Beziehungen zu Pakistan. Islamabad verfolgt argwöhnisch das indische Engagement in seinem »Hinterhof«. Daß die Inder die militärische Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte nach dem Abzug der NATO-Truppen intensivieren wollen, löst in Pakistan nicht gerade Begeisterung aus. Offiziell jedoch begnügten sich Kabul und Neu-Delhi bei der Karsai-Visite mit weniger verfänglichen Feldern der Zusammenarbeit. Sie unterzeichneten Kooperationsabkommen über Bergbau, den Düngemittelsektor, diverse Kleinprojekte und Jugendarbeit.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 14. November 2012


Mut zur Moschee

Afghanistan: De Maizière setzte Sicherheitsshow fort **

Zur Organisation des Bundeswehr-Abzugs aus Afghanistan schickt Minister Thomas de Maizière etwa 300 Spezialisten an den Hindukusch.

Trotz der zusätzlichen Spezialisten werde die Gesamtzahl deutscher Soldaten im kommenden Jahr deutlich sinken, sagte der Verteidigungsminister am Dienstag während seines Afghanistan-Besuchs. Über die genaue Reduzierung will das Kabinett am 28. November entscheiden. Anschließend hat der Bundestag das letzte Wort.

Der Abzug aus Afghanistan ist eine logistische Herausforderung. Bis Ende 2014 muss die Bundeswehr bis zu 1700 Fahrzeuge und 6000 Container aus dem Land schaffen. Der Truppenabzug hat bereits Anfang des Jahres begonnen. Bis Ende Januar 2013 sollen von den einst bis zu 5350 deutschen Soldaten noch 4400 übrig sein. Auch im nächsten Jahr wird der Truppenabzug laut de Maizière weiter vorangetrieben. »Es kommt zu einer deutlichen Reduzierung«, sagte er. 2014 will die NATO ihren Kampfeinsatz in Afghanistan beenden.

Als Beleg für die angeblich verbesserte Sicherheitslage im Norden des Landes besuchte de Maizière an seinem zweiten Besuchstag die Blaue Moschee mitten in der Großstadt Masar-i-Scharif. Begleitet wurde er vom Provinzgouverneur Mohammad Atta. »Wir können nicht von angemessener Sicherheit reden und uns selber nicht danach verhalten«, sagte der CDU-Politiker.

Im April vergangenen Jahres hatte ein Mob in Masar-i-Scharif bei Protesten gegen eine Koran-Verbrennung in den USA sieben ausländische UN-Mitarbeiter getötet. Insgesamt gilt die Nord-Metropole mit 270 000 Einwohnern aber als vergleichsweise sicher.

Während de Maizière in Masar-i-Scharif übernachtete, gab es am frühen Dienstagmorgen in der ebenfalls als relativ sicher geltenden Hauptstadt Kabul einen Raketenangriff. Drei Geschosse schlugen in der Stadt ein und töteten einen Mann. Zwei weitere Menschen seien verletzt worden, sagte der Polizeichef von Kabul. Die Raketen waren aus dem bergigen Umland abgefeuert worden.

Schwerpunkt der neunten Afghanistan-Reise de Maizières seit seinem Amtsantritt im März 2011 waren Gespräche mit afghanischen Regierungsvertretern und Militärs. Am Dienstag besuchte er eine Schule für afghanische Pioniere bei Masar-i-Scharif, die seit 2009 mit deutscher Hilfe aufgebaut wird. Derzeit entstehen dort 56 neue Gebäude für 700 Pionierschüler. Das Projekt wird mit 24 Millionen Euro aus deutschen Steuermitteln finanziert.

Deutschland will sich auch nach dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes 2014 an der Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee beteiligen. Wie viele Soldaten dafür insgesamt zur Verfügung gestellt werden, ist aber noch unklar.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 14. November 2012


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