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Kein Bravo für Bravo 5

Verzerrte Afghanistan-Bilder aus de Maizières Ministerium

Von René Heilig *

Medien und Krieg - das Verhältnis hat viele Facetten. Deutschland führt Krieg in Afghanistan und der wird oft in seltsamer Weise widergespiegelt. Zwei aktuelle Beispiele.

»Operation Silberstreif«. Die Geschichte ist eine voller Spannung, »die nicht den Anspruch hat, die Realität darzustellen«, wie die Macher der Serie bekunden, die im Internetportal »Youtube« seit einigen Wochen läuft. »Wir haben zu viel Respekt vor den Soldaten der Bundeswehr im Einsatz, um diesem Anspruch mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln gerecht zu werden«, offenbart Marit Suckow, die die Promotion für die Serie übernommen hat.

»Scheiße gebaut«

Die Story: In Afghanistan findet ein geheimer Einsatz des geheimen Kommando Spezialkräfte (KSK) statt. Irgendwann warten zwei der beteiligten Feldwebel auf die Befragung durch ein geheimes Sonderkomitee des Parlaments. Einer sagt: »Krohn, wir haben echt Scheiße gebaut.«

Nach Ansicht der durchaus engagierten Filmemacher sind die »politischen Konsequenzen und Verwicklungen, die sich aus ... oftmals streng geheimen Missionen ergeben«, bislang an den Fernsehsendern vorbeigeschlittert. »Serien über die militärpolitischen Verwicklungen Deutschlands gibt es bisher nicht.«

Die Bundeswehr hielt sich raus, die Kamera stand in einer einstigen sowjetischen Militärbasis in Mecklenburg-Vorpommern, zwischengeschoben sind Dokumentarszenen.

Falls die Autoren je vorhatten, den Krieg am Hindukusch zu geißeln und das Parlament als Beauftragten des Militäreinsatzes an Pflichten zu erinnern - sie haben diese Absicht gründlichst verborgen. Heraus kommt eine recht krude Weltsicht, die aber gewiss bei jungen Leuten Wirkungen hinterlässt. Schon wegen des rockigen Titelsongs »3 vor 10« von Nora & Leo. Tausende empfinden so: »...er wartet auf Briefe, Tausende Kilometer...«

Die flog in dieser Woche auch der Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und legte sogar noch ein paar Kilometer zum sonst üblichen Flug nach Masar-i-Scharif drauf. Er flog bis nach Kandahar. »Es ist das erste Mal, dass ein Verteidigungsminister in die Talibanhochburg Kandahar fliegt. BILD ist dabei« - beim Flug ins »Herz der Finsternis«.

Das mitfliegende Boulevardblatt klärte auch über Ort und Zeit auf: »Kandahar ist die Heimstätte der Taliban. Die Hauptstadt, aus der der einäugige Mullah Omar bis 2001 über das Land herrschte. In Kandahar wohnte Osama bin Laden.« Substanz würde die Leserschaft überfordern. Doch dann wird's politisch-militärisch-analytisch: »Die Zusammenarbeit, die wir hier zwischen den Partnern erleben, ist NATO vom feinsten«, sagte Thomas de Maizière. »Das ist eine Erfahrung für das Bündnis, die kein Training je ersetzen könnte. Das wird auch bleiben, egal was aus Afghanistan wird.«

Was wollte der Minister in Kandahar? Mit wem besprach er was? Welche politischen Fortschritte kann er vermelden, wie einigte man sich mit anderen ISAF-Truppen über die Abzugslogistik? Offizielles »Bild«

Darüber gibt es null Informationen, das hätte »Bild« womöglich überfordert, und einen anderen Journalisten hatte der Minister nicht im Gefolge. Aber was teilt das Ministerium selbst mit? Das, was auch in »Bild« steht, einschließlich der Rechtschreibschwächen. Die Fotos spendete das Blatt mit der dicken Auflage und den dünnen Informationen auch. Im Verlauf des über zehnjährigen Einsatzes am Hindukusch hat man schon einiges an Informationsverhinderung erlebt - die jüngste Nummer gehört zu den Spitzenreitern medialer Verneblung.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 27. Juli 2012

Dokumentiert: Das sagt das Ministerium

Afghanistan: Minister in Kandahar und Kabul

Berlin, 25.07.2012.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist am 25. Juli in die südafghanische Stadt Kandahar gereist – zum Informationsaustausch und zur Danksagung an die Alliierten. Der Besuch war aus Sicherheitsgründen zuvor nicht angekündigt gewesen.

Der Minister war am 24. Juli in Termes (Usbekistan) gelandet und nach einem kurzen Zwischenstopp in Masar-i Scharif in den Süden zum Regionalkommando Süd nach Kandahar weitergeflogen. Dort traf er gegen 8.30 Uhr (11 Uhr Ortszeit) auf dem Airfield ein. Auf der Tagesordnung stand dann ein Gespräch mit dem Kommandeur des Regionalkommandos Süd, dem amerikanischen Generalmajor James L. Huggins. Anschließend traf er mit den dort eingesetzten Soldaten des integrierten NATO-Verbandes aus Wesel zusammen.

"Wir machen im Norden Afghanistans einen guten Job. Aber Afghanistan ist eben nicht nur der Norden. Ich möchte mir auch mal einen Eindruck von diesem Teil des Landes machen", sagte de Maizière. Deutschland beteiligt sich im Rahmen der NATO-Mitgliedschaft am „NATO signal battalion“. Dieses Bataillon ist ein internationaler, integrierter Verband und wird in Bagram sowie im Bereich des Regional Command (RC) South (Kandahar) und RC Southwest; (Helmand) eingesetzt. Die Region gilt als Hochburg der Taliban.

Die Bundeswehr ist für den Norden des Landes verantwortlich und hat hier ihre Soldaten im Einsatz. Im Rahmen des gültigen Mandates können deutsche Soldaten – wie diese Fernmelder aus Wesel – jedoch im gesamten Verantwortungsbereich der NATO-geführten ISAF-Mission eingesetzt werden. Dabei gilt: Jeder Einsatz von ihnen außerhalb der deutschen „Area of Operations“ – also dem Norden Afghanistans – wird einzeln durch den Bundesminister der Verteidigung genehmigt.

"Nicht alle Jobs in Afghanistan sind gleich", betonte der Minister. "Es ist ein Unterschied, ob ich Logistik im Lager mache oder Tag für Tag, Schulter an Schulter mit afghanischen Soldaten unterwegs bin. Ob ich im Hauptquartier eingesetzt bin oder vom OP North aus auf Patrouille gehe. Das ist einfach ein anderes Risiko."

Der Ruf der deutschen Soldaten habe sich in den letzten Jahren geändert, so de Maizière. "Bis 2009 gab es tatsächlich den Eindruck, wir machen es uns im Norden bequem"“, sagte der Minister. „"Aber das ist inzwischen anders. Die deutschen Soldaten haben bewiesen, dass sie kämpfen können. Und umgekehrt haben unsere Bündnispartner auch gemerkt, dass ein vernetzter Ansatz, Nachhaltigkeit durch Politik, genauso wichtig ist wie das Kämpfen. Deutsche Soldaten genießen überall einen guten Ruf, und das macht mich ein bisschen stolz."

De Maizière ist der erste deutsche Verteidigungsminister, der den Süden des Landes besucht. Erst vor drei Wochen war er das letzte Mal in Afghanistan. Anfang Juli hatte er das deutsche Feldlager des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) Kundus und Camp Marmal im nordafghanischen Masar-i Scharif besucht.

Gespräche im Hauptquartier der ISAF

Nach intensiven Gesprächen und einem gemeinsamen Mittagessen setzte de Mazière seine Reise fort. Am Nachmittag traf er in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein. "Die Zusammenarbeit, die wir hier zwischen den Partnern erleben, ist NATO vom Feinsten. Das ist eine Erfahrung für das Bündnis, die kein Training je ersetzen könnte. Das wird auch bleiben, egal was aus Afghanistan wird", fasste der Minister seine Eindrücke in Kandahar zusammen.

Nach seiner Ankunft in Kabul informierte sich de Mazière über die allgemeine Lage vor Ort bei Gesprächen mit deutschen Generalen im Hauptquartier der ISAF. Anschließend fuhr der Minister zum afghanischen Verteidigungsministerium, um sich mit dem Generalstabschef der afghanischen Streitkräfte, General Sher Muhammad Karimi, über die aktuelle Lage in den afghanischen Streitkräften zu informieren.

Nach seiner Rückkehr in das Hauptquartier ISAF führte der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt Gespräche mit den deutschen Soldaten im Hauptquartier. Der Tag wird mit Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen durch den Kommandeur ISAF, General John R.Allen, seinen offiziellen Abschluss finden.

Quelle: Website des Verteidigungsministeriums, 25.07.2012




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