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De Maizière: "Einsatz wie im Krieg"

Bundesverteidigungsminister in Afghanistan / Mindestens sieben Zivilisten bei NATO-Angriff getötet *

Beim Antrittsbesuch in Afghanistan hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) den baldigen Beginn der geplanten AWACS-Aufklärungsflüge über dem Land angekündigt. »Das ist eine Frage von Tagen, nicht Wochen«, sagte er am Wochenende in der Hauptstadt Kabul.

Die AWACS-Besatzungen sollten so schnell wie möglich an den Hindukusch geschickt werden, sagte de Maizière. »Die Vorbereitungen laufen.« Der Bundestag hatte am Freitag für den Einsatz deutscher Soldaten bei den AWACS-Flügen der NATO in Afghanistan votiert. Deutschland will damit die am Libyen-Einsatz beteiligten Staaten entlasten.

In Kabul traf de Maizière Präsident Hamid Karsai, Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak sowie den Oberbefehlshaber der NATO-Afghanistantruppe ISAF, David Petraeus. Während seiner Reise besuchte er zudem Bundeswehrsoldaten in Kabul, Masar-i-Scharif, Kundus und Faisabad. Die Reise endete am Sonntag. Der Minister kündigte an, künftig oft nach Afghanistan reisen zu wollen.

Die Zusammenarbeit deutscher und afghanischer Einsatzkräfte bezeichnete de Maizière in Kabul als »Schlüssel zum Erfolg«. »Wir sehen, dass dieses Jahr sehr wichtig ist.« Ab Juli will die NATO die ersten Städte und Provinzen an Afghanistan übergeben, darunter Masar-i-Scharif, wo sich das von der Bundeswehr geführte ISAF-Regionalkommando Nord befindet.

In seinen Gesprächen habe er sehr viel Lob für die Bundeswehr erhalten, erklärte de Maizière. »Das ist auch eine Verpflichtung für die Zukunft.« In Kabul dankte er deutschen Soldaten für ihren Einsatz, für den es »große Anerkennung und Unterstützung« in der deutschen Bevölkerung gebe. Zugleich warnte er vor weiteren Verlusten.

Vor Soldaten in Masar-i-Scharif sprach de Maizière von einem »Einsatz wie im Krieg«. »Hier ist vieles von dem, was Sie tun, ein Einsatz wie im Krieg«, sagte er. Wenn ein Staat von Bürgern verlange, ihr Leben einzusetzen, sei dies »das Höchste, was man überhaupt verlangen kann«. Nach dem Winter werde sich zeigen, wie die Taliban auf die Erfolge der ISAF reagierten.

Bei einem Treffen mit Bundeswehrsoldaten im deutschen Feldlager Kundus nannte de Maizière die Provinz am Sonntag einen »Schlüsselbereich«. »Kundus ist sicherlich militärisch gesehen eine große Herausforderung«, betonte der CDU-Politiker. Nach der Verdrängung der Taliban aus einigen Gebieten solle eine friedliche Entwicklung in Gang gesetzt werden.

Zu dem Amoklauf eines afghanischen Soldaten im vergangenen Monat sagte de Maizière in Kabul: »Dieser tragische Zwischenfall ist ein Einzelfall.« Im Februar waren in einem Außenposten in der Provinz Baghlan drei deutsche Soldaten getötet und sechs weitere verletzt worden. Seit dem Jahr 2002 wurden am Hindukusch insgesamt 30 Bundeswehrsoldaten getötet.

Unterdessen sind bei einem NATO-Luftangriff in der südafghanischen Unruheprovinz Helmand mindestens sieben Zivilisten ums Leben gekommen, darunter drei Kinder. Wie die Regionalregierung mitteilte, griffen Kampfflugzeuge der »Schutztruppe« ISAF am Sonnabend Fahrzeuge an, in denen Taliban-Kämpfer vermutet wurden. Die ISAF bestätigte den Vorfall und erklärte, bei dem militärischen Einsatz seien »versehentlich mehrere Zivilisten getötet oder verletzt« worden.

Nach UN-Angaben wurden im vergangenen Jahr im Afghanistan-Krieg fast 2800 Zivilisten getötet. Für etwa 15 Prozent der Toten werden afghanische und ausländische Truppen verantwortlich gemacht, für den Großteil die Aufständischen.

In der östlichen Provinz Kunar verschleppten Taliban unterdessen über 30 Menschen, darunter mehrere afghanische Polizisten.

* Aus: Neues Deutschland, 28. März 2011


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