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Caritas zieht Jahresbilanz: Afghanistan und Haiti im Mittelpunkt

Konzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit abgelehnt / Prälat Dr. Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes: "Sicherheitspolitische Erwägungen können niemals der Maßstab für unser Handeln sein"

Am selben Tag, als in Kabul die internationale Afghanistan-Konferenz stattfand, lud der deutsche Caritasverband zu einer Pressekonferenz, auf der der Jahresbericht 2009 der Hilfsorganisation vorgestellt wurde. Wir dokumentieren im Folgenden die Presseerklärung von Caritas sowie die beiden Redebeiträge von Prälat Dr. Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, und von Dr. Oliver Müller, Leiter von Caritas international.

Afghanistan: Keine Beteiligung am "Konzept der Vernetzten Sicherheit"

Haiti: Caritas drängt auf politische Weichenstellung

Caritas international, 20.07.2010

Berlin, 20. Juli 2010. Mit Blick auf die internationale Afghanistan-Konferenz hat Caritas-Präsident Peter Neher eine Beteiligung des von der Bundesregierung geforderten „Konzepts der Vernetzten Sicherheit“ abgelehnt. „Wir begrüßen es, dass die Regierung zusätzliche Mittel für die Arbeit der Hilfsorganisationen in Afghanistan in Aussicht stellt, halten es aber für inakzeptabel, dass die Vergabe dieser Gelder an sicherheitspolitische Bedingungen geknüpft ist“, sagte Neher bei der heutigen Vorstellung des Jahresberichts von Caritas international in Berlin. „Als Christen müssen wir dort helfen, wo Not herrscht, und nicht dort, wo es außenpolitisch oder gar militärisch erfolgversprechend ist.“ Politische Unabhängigkeit sei für die Helfer und Partner vor Ort überlebensnotwendig, um nicht zur Zielscheibe von Aufständischen zu werden. „Wir appellieren an die Regierung, die Verknüpfung von Hilfsmitteln mit dem Konzept der Vernetzten Sicherheit aufzuheben und die Eigenverantwortung und komplementäre Zielsetzung der Hilfsorganisationen zu respektieren.“

Von den Teilnehmern der heutigen Afghanistan-Konferenz forderte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, ein klares Bekenntnis, sich unabhängig von militärischen Rückzugsplänen weiter für die Demokratisierung und den Wiederaufbau des Landes zu engagieren. „Die Menschen in Afghanistan brauchen weiter unsere Unterstützung. Die dortige Regierung wird noch lange nicht in der Lage sein, den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.“ Außerdem forderte Müller größere Anstrengungen im Kampf gegen die ausufernde Korruption: „Sie ist ein großes Entwicklungshindernis und darf anderen politischen oder militärischen Problemen nicht untergeordnet werden.“

Sechs Monate nach dem Erdbeben in Haiti zog das Hilfswerk der deutschen Caritas eine positive Zwischenbilanz seiner Hilfsmaßnahmen. Nach der unmittelbaren Nothilfe, für die Caritas international rund zwei Millionen Euro aufgewendet habe, widme man sich nun dem langfristigen Wiederaufbau. Caritas international werde sich insbesondere beim Aufbau von Sozialeinrichtungen, Gesundheitszentren und Ausbildungsstätten sowie der psychosozialen Begleitung der Erdbebenopfer engagieren. Bisher seien mehr als 18 Millionen Euro an Spenden für Haiti bei dem Hilfswerk eingegangen. Kritik äußerte Caritas international an den politischen Rahmenbedingungen: „Wir brauchen ein tragfähiges städtebauliches Konzept, rechtsverbindliche Regelungen für den Wiederaufbau und die gerechte Einbindung aller Bevölkerungsgruppen in die Entwicklung des Landes. Diese Fragen müssen von der Regierung und der Gebergemeinsaft schnellstmöglich geklärt werden“, forderte Oliver Müller. Kurz vor Beginn der Hurrikansaison seien noch immer fast eine Million Menschen obdachlos oder lebten in Notunterkünften.

2009 förderte Caritas international 846 Projekte in 84 Ländern mit insgesamt 41,6 Millionen Euro. 55 Prozent der Mittel flossen in Katastrophenhilfe- und Wiederaufbauprojekte, 45 Prozent machten soziale Projekte für Kinder sowie alte, kranke und behinderte Menschen aus. Geografisch lagen die Schwerpunkte unserer Arbeit in Afrika und Asien. Der Anteil der Werbe- und Verwaltungskosten lag bei 8,3 Prozent.


Redebeitrag von Prälat Dr. Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, anläßlich der Pressekonferenz zur Präsentation des Jahresberichts 2009 am 20. Juni 2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute stellen wir Ihnen den Jahresbericht von Caritas international, dem Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, vor. Auch wenn wir uns dabei auf die Ergebnisse des Jahres 2009 beziehen, so ist es unmöglich, zwei aktuelle Ereignisse, die unsere Arbeit heute und in den kommenden Jahren entscheidend mitbestimmen, unerwähnt zu lassen. Ich meine damit zum einen das verheerende Erdbeben in Haiti und die heutige Entwicklungen sechs Monate danach, zum anderen aber auch die aktuelle politische Diskussion um die künftige Strategie in Afghanistan.

Denn just heute findet in Kabul die internationale Afghanistan-Konferenz statt. Die Bundesregierung hat angekündigt, sich noch stärker als zuvor an der Demokratisierung und Entwicklungsförderung in Afghanistan zu beteiligen. So hat sie zugesichert, die Mittel für den zivilen Wiederaufbau von jährlich 250 Millionen Euro bis 2013 schrittweise auf 430 Millionen Euro zu erhöhen. Wir begrüßen diesen Schritt, zumal das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auch für die Arbeit der nichtstaatlichen Hilfsorganisationen zusätzliche 10 Millionen Euro in Aussicht gestellt hat. Für sehr bedenklich halten wir allerdings, dass die Vergabe dieser Gelder an sicherheitspolitische Bedingungen geknüpft werden soll.

Nichtregierungsorganisationen, die an den zusätzlichen Mitteln partizipieren wollen, müssen sich demnach künftig zum so genannten „Konzept der Vernetzten Sicherheit“ bekennen. Vernetzte Sicherheit bedeutet, dass militärisches Handeln und ziviler Wiederaufbau systematisch miteinander verzahnt werden und einer sicherheitspolitischen Gesamtstrategie folgen. Obwohl wir weiterhin dringend auf Unterstützung für unsere Arbeit in Afghanistan angewiesen sind, können wir unmöglich auf diese Bedingung eingehen. Aus unserer Verpflichtung als humanitäre Hilfsorganisation, aber auch aus unserem christlichen Selbstverständnis heraus können sicherheitspolitische Erwägungen niemals der Maßstab für unser Handeln sein. Unsere Arbeit richtet sich ausschließlich nach der Bedürftigkeit und der Notlage der Menschen. Darüber hinaus würden wir unsere über Jahre aufgebaute Glaubwürdigkeit und die Glaubwürdigkeit unserer Partner aufs Spiel setzen, würden wir unser Handeln den Interessen der deutschen Außenpolitik unterordnen. Vor allem aber würden wir unsere Helfer und alle Menschen, die in Afghanistan mit uns zusammenarbeiten und von unserer Hilfe profitieren, einer unverantwortlichen Gefahr aussetzen. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zu legitimen Angriffszielen erklärt werden, sobald man in ihnen Ausführungsorgane ausländischer Streitkräfte zu sehen glaubt. Wir appellieren daher an die Bundesregierung, die Verknüpfung von Hilfsmitteln mit dem Konzept der Vernetzten Sicherheit aufzuheben und die seit langem bewährte Eigenverant-wortung und komplementäre Zielsetzung der Hilfsorganisationen zu respektieren.

Das zweite Ereignis, das die Arbeit von Caritas international auf Jahre mitbestimmen und prägen wird, ist das verheerende Erdbeben, das Haiti im Januar dieses Jahres erschütterte. Gerade in diesen Tagen, ein halbes Jahr nach dem Beben, gerät Haiti wieder verstärkt in den öffentlichen Fokus. Für uns stand schon unmittelbar nach dem Beben fest, dass es für den Wiederaufbau einen langen Atem braucht. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, im Einzelnen auf die vielen Projekte einzugehen, die wir in Abstimmung mit dem weltweiten Caritas-Netzwerk und gemeinsam mit unseren Partnern planen und umsetzen, allen voran den Pfarrgemeinden und Caritas-Organisationen im Land. Um Ihnen hierüber einen Überblick zu geben, haben wir Ihrer Pressemappe diesen Halbjahresreport unserer Haiti-Hilfe beigelegt. Alles, was Sie dort lesen, verdanken wir der großzügigen Unterstützung aus allen Teilen der Gesellschaft – ob durch Privatpersonen, Pfarrgemeinden, Schulen, Unternehmen oder Einrichtungen der Caritas. Insgesamt sind allein für Haiti mehr als 18 Millionen Euro an Spenden bei uns eingegangen. Für diese große Solidarität möchte ich mich bei allen Spen-derinnen und Spendern herzlich bedanken, nicht zuletzt aber auch bei Ihnen, die Sie durch Ihre Berichterstattung viele Menschen zum helfen motiviert und mobilisiert haben.

Mit Blick auf das Berichtsjahr 2009 möchte ich jedoch gleichzeitig betonen, wie wichtig und notwendig die kontinuierliche Unterstützung auch außerhalb sogenannter Jahrhundertkatastrophen wie Haiti ist. 2009 war ein Jahr der eher „stillen“, aber nicht weniger zerstörerischen Katastrophen mit Wirbelstürmen und Überschwemmungen in Südostasien, in Mittelamerika und der Karibik, einem verheerenden Erdbeben in Sumatra und Dürren in Ostafrika. Katastrophen, die viele Menschenleben gekostet und großes Leid zurückgelassen haben, in der öffentlichen Wahrnehmung aber kaum oder nur kurz Beachtung fanden. Uns zeichnet aus, dass wir auch bei diesen „stillen“ Katastrophen Hilfe leisten und uns in Weltregionen engagieren, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Unsere Arbeit richtet sich eben nicht nach der medialen Aufmerksamkeit, sondern nach der humanitären Notlage – unabhängig von Religion, Nationalität und Weltanschauung.

Insgesamt hat das Hilfswerk der deutschen Caritas im vergangenen Jahr 846 Projekte in 84 Ländern gefördert. Das Gesamtbudget der Hilfsleistungen betrug rund 41,6 Millionen Euro. Knapp 55 Prozent der Mittel flossen in Katastrophenhilfe- und Wiederaufbauprojekte. Die restlichen 45 Prozent machten soziale Projekte für Kinder sowie alte, kranke und behinderte Menschen aus. Geografisch lagen die Schwerpunkte unserer Arbeit in Afrika und Asien. Al-lein im Kongo wurden im vergangenen Jahr 47 Projekte mit einem Gesamtbudget von über 3,6 Millionen Euro gefördert. Außerdem sind wir schwerpunktmäßig in Regionen tätig, aus denen sich andere Organisationen in den vergangenen Jahren zurückgezogen haben, wenngleich der Hilfsbedarf weiterhin groß ist. Wie in Afghanistan, wo wir im vergangenen Jahr 37 Projekte mit einem Volumen von 1,9 Millionen Euro durchgeführt haben. Herr Dr. Müller wird gleich näher auch auf die schwierige, aber fruchtbare Arbeit in Afghanistan eingehen.

Besonders freut uns, dass wir den Anteil der Werbe- und Verwaltungskosten auf einem konstant niedrigen Niveau halten konnten. Dieser Anteil betrug 8,3 Prozent der Ausgaben und liegt in der niedrigsten Kategorie, die das das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI) vorsieht. Der Wert zeigt, wie verantwortungsvoll und effizient Caritas international die anvertrauten Mittel verwendet. Dass unsere Grundsätze der Hilfe (Kooperation mit einheimi-schen Partnern und Stärkung der Schwächsten einer Gesellschaft) Früchte tragen, hat sich nach dem Tsunami vor gut fünf Jahren und nach vielen anderen Katastrophen gezeigt. Und davon bin ich überzeugt, sie werden auch in Haiti Früchte tragen.

Ich möchte Sie als Vertreterinnen und Vertreter der Medien dazu ermutigen, diese Arbeit des langen Atems durch eine aktive, differenzierte, gerne auch kritische Berichterstattung zu begleiten. Bleiben Sie am Ball, so darf ich kurz nach Abschluss der Fußball-WM sagen, auch wenn uns gerade keine „Jahrhundertkatastrophe“ erschüttert; auch wenn die Menschen, um die es geht, in Regionen leben, in denen es keine bedeutenden Rohstoffvorkommen oder geopolitische Interessen gibt. Bringen Sie die dringenden Anliegen dieser Menschen in unser Bewusstsein. Der Deutsche Caritasverband mit seinem Hilfswerk Caritas international unterstützt Sie dabei mit einem spannenden Themenangebot, fundierten Hintergrundinformationen und Experten für alle Erdteile.


Redebeitrag von Dr. Oliver Müller, Leiter von Caritas international, anläßlich der Pressekonferenz zur Präsentation des Jahresberichts 2009 am 20. Juni 2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben gerade von Prälat Neher von den Herausforderungen gehört, die ein Hilfswerk wie Caritas international, das vor allem in Krisen- und Katastrophengebieten arbeitet, bewältigen muss. Dabei können die Voraussetzungen in Ländern wie Haiti und Afghanistan unterschiedlicher nicht sein: hier ein von einer Jahrhundertkatastrophe heimgesuchtes, zuvor weitgehend vergessenes Entwicklungsland, dort eine von politischen und religiös motivierten Auseinandersetzungen ausgeblutete Region, die seit langem im Fokus der Weltöffentlichkeit steht. Doch bei allen Unterschieden stehen wir bei der Arbeit in Krisengebieten immer wieder vor der gleichen Herausforderung: der Notwendigkeit, trotz schwierigster Rahmenbedingungen effektiv zu helfen. Wie gelingt es, in einem nicht vorhandenen oder schwachen Staatwesen wirksame Projektarbeit zu leisten? Wie kann man, trotz korrupter Regierungen und herrschenden Unrechts, die wirklich Betroffenen erreichen?

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind, neben der notwendigen Erfahrung und Professionalität, politische Unabhängigkeit und Vertrauen innerhalb der Bevölkerung. Beides hängt untrennbar zusammen. So kann die Caritas in der ganzen Welt auf ein Netzwerk lokaler Partner und einheimischer Caritas-Organisationen zurückgreifen, die unabhängig von der jeweiligen politischen Führung Hilfsmaßnahmen steuern und umsetzen können. Unsere Partner kennen die Verhältnisse im Land und sind weit stärker in die Gemeinschaftsstrukturen vor Ort eingebunden, als es je ein ausländischer "Hilfstrupp" sein kann. Nur so kann es gelingen, inmitten eines schwierigen politischen Umfeldes eine langfristige Entwicklung in Gang zu setzen und eine Veränderung der Gesellschaft aus ihrem Innersten heraus anstoßen. Doch neben der basisorientierten „Hilfe von unten“ sehen wir es gleichzeitig als unsere Pflicht an, politische Missstände, die eine gerechte Entwicklung behindern, anzuklagen und Verbesserungen einzufordern.

Augenscheinliche Beispiele hierfür sind gerade Afghanistan und Haiti. Bei der heutigen Konferenz geht es vor allem darum, die politische, polizeiliche und militärische Gesamtverantwortung schrittweise an die afghanische Regierung zu übergeben. Bereits mit der vorangegangenen Afghanistan-Konferenz Anfang des Jahres in London wurden die Weichen für den beginnenden Rückzug der internationalen Truppen gestellt. Nach den uns vorliegenden Informationen wird als Datum für die vollständige Übergabe das Jahr 2014 anvisiert. Ein solcher Zeitplan birgt für die Menschen jedoch auch Risiken. Noch immer herrscht in der Bevölkerung akute Not. Im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen nimmt Afghanistan weltweit den vorletzten Rang ein. Die Lebenserwartung beträgt gerade einmal 44 Jahre, und fast drei Viertel der Bevölkerung – unter den Frauen ist der Anteil noch viel größer – sind Analphabeten. Aus diesem Grund brauchen die Menschen in Afghanistan weiter unsere Unterstützung. Wir fordern von der internationalen Staatengemeinschaft ein klares, unmissverständliches Bekenntnis, sich auch in Zukunft für die Demokratisierung und den Wiederaufbau des Landes zu engagieren, und zwar unabhängig vom zukünftigen militärischen Engagement in Afghanistan.

Bei allen Bemühungen zur Etablierung eines funktionierenden Staatswesens müssen wir zudem feststellen, dass die afghanische Regierung ihrem Legitimitätsanspruch nur unzureichend gerecht wird. Weder kann sie für die Sicherheit der Bevölkerung garantieren, noch wird sie allgemein als Vertreterin der Interessen und Bedürfnisse der Menschen anerkannt. Laut einer Studie des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung halten 59% der Afghanen die ausufernde Korruption für das größte Problem im Land. Insgesamt werden die jährlichen Bestechungsgelder auf 2,5 Milliarden Dollar taxiert. Das entspricht in etwa einem Viertel des Bruttosozialproduktes. Die ausufernde Korruption unterwandert das Vertrauen der Bevölkerung in ihren Staat und in alle, die mit ihm zusammenarbeiten. Auf diese Weise schädigt sie – in nicht gerechtfertigter Weise – auch den Ruf der internationalen Hilfsorganisationen. Wir begrüßen, dass die Regierung das Thema auf die Tagesordnung der heutigen Afghanistan-Konferenz gesetzt hat. Jedoch will ich an dieser Stelle deutlich machen, dass wir konkrete, messbare und langfristig wirksame Schritte im Kampf gegen die Korruption einfordern. Es ist ein wesentliches Entwicklungshindernis, und daher darf dieses Problem anderen politischen oder militärischen Zielen nicht untergeordnet werden.

Seit den 1980er Jahren ist der Deutsche Caritasverband mit seinem Hilfswerk Caritas international in Afghanistan aktiv. Nach dem Regimewechsel in Folge des 11. September 2001 eröffneten wir Anfang 2002 ein eigenes Büro in Kabul, in dem derzeit drei internationale und zehn afghanische Mitarbeiter tätig sind. Insgesamt haben wir im vergangenen Jahr in Afghanistan 37 Projekte mit einem Volumen von 1,9 Millionen Euro unterstützt. Schwerpunkte der Arbeit sind die akute Nothilfe, die Unterstützung beim Wiederaufbau, die medizinische Versorgung und die psychosoziale Aufarbeitung der traumatischen und lähmenden Kriegserfahrung. Durch unsere Unparteilichkeit, die enge Einbindung lokaler Partner und die ausschließliche Ausrichtung auf den Hilfsbedarf der Menschen haben wir uns über die Jahre einen Vertrauensvorschuss und eine Akzeptanz erarbeitet, die von rein staatlichen oder multinationalen Organisationen in der Form nicht zu realisieren ist. Eine Auflistung der Afghanistan-Projekte liegt der Pressemappe bei.

Auch in Haiti sind die politischen Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau schwierig. Schon vor dem verheerenden Erdbeben am 12. Januar gehörte das Land zu den ärmsten der Welt. Und, das darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, zu den am schlechtesten regierten Staaten überhaupt. Haiti verfügt schon lange über kein funktionierendes Rechts- und Gemeinwesen mehr. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich nach dem Erdbeben ihrer Verantwortung gestellt und auf der Geberkonferenz im April fast zehn Milliarden US-Dollar zugesichert. Doch Geld allein wird nicht reichen, um die Herausforderungen zu bewältigen. Der haitianische Staat ist zu schwach, um diese Mittel eigenständig zu absorbieren. Er kann nicht einmal die elementarsten Bedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Dabei sind grundlegende politische Weichenstellungen dringend notwendig: eine armutsorientierte Sozialpolitik, ein tragfähiges städtebauliches Konzept, rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau und die gerechte Einbindung aller Bevölkerungsgruppen in die Entwicklung des Landes. Diese Fragen müssen schnellstmöglich von der Regierung und der Gebergemeinsaft geklärt werden, sie erlauben keinen Aufschub. Noch immer sind fast eine Million Menschen obdachlos oder leben in Notunterkünften. Die Versorgung der Bevölkerung mit dem Notwendigsten würde ohne die kirchlichen und privaten Hilfsorganisationen schnell zusammenbrechen. Dies alles nur wenige Monate vor Beginn der Hurrikansaison, die Vorhersagen zufolge in diesem Jahr besonders drastisch ausfallen soll.

Caritas international leistete unmittelbar nach dem Beben Nothilfe und wird noch mehrere Jahre mit eigenen Mitarbeitern vor Ort sein. Stand zunächst die Nothilfe im Mittelpunkt – rund zwei Millionen Euro wurden für die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten eingesetzt – so geht es nun darum, den langfristigen Wiederaufbau zu planen und umzusetzen. Im Mittelpunkt stehen wie bei all unseren Projekten die Menschen, die den Folgen einer Katastrophe besonders schutzlos ausgeliefert sind: Kinder, behinderte, kranke und alte Menschen. Vor allem widmen wir uns dem Aufbau von Sozialeinrichtungen und Gesundheitszentren, von Schulen und Ausbildungsstätten sowie der Vermittlung bautechnischen Wissens, um zukünftigen Naturkatastrophen vorzubeugen. Ein wichtiges Element unserer Arbeit ist die psychosoziale Begleitung der Erdbebenopfer mit dem Ziel, die Menschen bei der Überwindung ihrer traumatischen Erlebnisse zu begleiten und damit den Weg frei zu machen für einen wirklichen Neuanfang. Darüber hinaus unterstützen wir die haitianische Caritas beim Aufbau von Know-how und der notwendigen Infrastruktur. Denn wir sind überzeugt davon, dass – ob in Haiti, Afghanistan oder in anderen Krisen- und Katastrophengebieten dieser Welt – der Wiederaufbau nur dann gelingen kann, wenn er in Händen der eigenen Bevölkerung liegt.

* Quelle: Website von caritas international, www.caritas-international.de


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