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Walter Kolbow (SPD): "Unter deutschen Völkerrechtlern ist es zu einer Fortentwicklung des Völkerrechts gekommen" - Wolfgang Gehrcke (Die LINKE): "Ihre Fraktion kann nicht einfach festlegen, was völkerrechtlich in Ordnung und was völkerrechtswidrig ist"

Der Bundestag debattierte über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen von "Enduring Freedom"

Am 15. November 2007 standen drei Anträge der Bundesregierung zu Bundeswehreinsätzen auf der Tagesordnung, über die die Parlamentarier namentlich abstimmen. Beraten wurde zunächst in einer 75-minütigen Debatte, ob das Mandat der Bundeswehr an dem sog. Anti-Terror-Einsatz verlängert wird. Die bewaffneten deutschen Streitkräfte beteiligen sich seit sechs Jahren an der "Operation Enduring Freedom" der USA. Der Bundestag hatte das Mandat erstmals am 16.11.2001 beschlossen und seitdem jährlich verlängert. Zum Auftrag der Soldaten gehört unter anderem die Seeraumüberwachung um das Horn von Afrika, wo sie Handel und Transport von Waffen und Drogen, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus dienen können, unterbinden sollen. Zum anderen können ca. 100 Soldaten der sog. Eliteeinheit KSK (Kommando Spezialkräfte) nach Afghanistan entsandt werden.
Im Folgenden dokumentieren wir die Debatte nach dem vorläufigen stenografischen Protokoll.
[Hier geht es zu den Ergebnissen der namentlichen Abstimmung: 145 gegen 413 - Zahlen und Namen]
Es sprachen in dieser Reihenfolge:



Deutscher Bundestag, 126. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 15. November 2007
Beginn: 9.00 Uhr
V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G
DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:

a) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung

Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/6939, 16/7140 -

(...)

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Monika Knoche, Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Antrag der Bundesregierung

Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/6939, 16/6971, 16/7142 -

(...)

Ferner liegt zum Antrag der Bundesregierung ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen. (...)
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Walter Kolbow für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Walter Kolbow (SPD):

Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Beratungen und Entscheidungen über Auslandseinsätze sind nie parlamentarische Spaziergänge; sie sind vielmehr für den Deutschen Bundestag und seine Mitglieder, also für uns, politisch und persönlich immer wieder ein schwieriges Terrain. Das gilt auch und gerade für das Mandat der Operation Enduring Freedom.

Ich will nicht verhehlen, dass ich in dieser Rede im Deutschen Bundestag bei unserem durch ein schreckliches Attentat zu Tode gekommenen Kollegen Kasimi bin, den ich kannte. Ich spreche auch in Gedanken an ihn und die Toten dieses schlimmen Anschlags in Baghlan. Opfer dieses Anschlags waren nicht nur Abgeordnete des afghanischen Parlaments.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird dem vorliegenden Antrag der Bundesregierung auf Verlängerung der OEF-Mission zustimmen. Sie tut dies nach intensiver Vorbereitung und Debatte, auch auf dem SPD-Parteitag in Hamburg. Dies geschieht in der Gewissheit, sich nach bestem Wissen und Gewissen auf diese Entscheidung vorbereitet zu haben.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und mit kräftigem Bauchgrimmen!)

Manche aus meiner Fraktion werden ihre Zustimmung auch nach diesem intensiven Beratungsprozess nicht geben können, auch wenn die große Mehrheit meiner Fraktion zu einem anderen Ergebnis kommt. Ich zolle diesen Kolleginnen und Kollegen Respekt.

(Beifall der Abg. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Denn es gibt keine leichten Entscheidungen bei Einsätzen bewaffneter Streitkräfte. Hier gilt es, wie wir immer wieder spüren, sehr prinzipielle Fragen zu lösen, die jeder und jede für sich verantworten muss. Das ist und bleibt der Kern der Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen. Hier helfen weder antiaufklärerischer Populismus mit Generalverweigerung noch eine unkritische Blankovollmacht.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb war es richtig, dass meine Fraktion den Ablauf der Frist für OEF zum Anlass genommen hat - das hat die FDP-Fraktion bereits im Rahmen der Beratungen angesprochen -, sich auf unserem Parteitag in Hamburg mit der Afghanistan-Frage zu befassen. Hier geht es nicht darum, sich einem imperativen Mandat auszusetzen oder die Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten einzuengen, sondern darum, Aufklärung, Information, Transparenz und Kommunikation in dem Willensbildungsprozess, für den die politischen Parteien nach unserem Grundgesetz ausdrücklich stehen, zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD)

Zur Sache selbst: Es ist unbestritten, dass OEF am Horn von Afrika und im östlichen Mittelmeer weiter stabilisierenden Einfluss ausüben muss. Auf See müssen die vermuteten Transportwege der terroristischen Kräfte weiter überwacht und somit deren Zugang zu potenziellen Rückzugsgebieten eingeschränkt werden. Die Bedenken, die im Laufe der OEF-Mission in Afghanistan seit 2001 erhoben werden, müssen aber abgearbeitet und Schwächen des Mandats beseitigt werden. Kritische und berechtigte Fragen müssen beantwortet werden, so wie es der Bundesaußenminister am vergangenen Donnerstag von der gleichen Stelle aus für die Bundesregierung in seiner Amtsverantwortung getan hat.

Leider hat sich unser Koalitionspartner zu einem ähnlichen Vorgehen im Rahmen eines gemeinsamen Entschließungsantrages nicht bereit erklären können.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Soll das jeden Tag so gehen? - Zurufe von der LINKEN: Oh!)

Nichtsdestotrotz haben die veränderten Begründungen im Antrag der Bundesregierung zur Verlängerung des OEF-Mandats und die schon erwähnte Rede des Herrn Außenminister die Abwägungsentscheidung zugunsten einer Zustimmung zur Verlängerung des Operation-Enduring-Freedom-Mandats in meiner Fraktion positiv beeinflusst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dabei war uns sehr wichtig, dass es der internationalen Gemeinschaft im Rahmen eines Strategiewechsels gelungen ist, die Veränderungen der Einsatzregeln seit dem 4. August 2007 auch bei OEF durchzusetzen. Die Soldaten sind nach diesen veränderten Tactical Directives ausdrücklich angewiesen, bei ihren Einsätzen Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und die kulturellen Traditionen zu nehmen. Die Befehlslage ist darauf ausgerichtet, zivile Opfer zu vermeiden. Sie muss natürlich konsequent umgesetzt werden. Nach den Berichten, die uns vorliegen, und nach Inaugenscheinnahmen ist dies auch der Fall.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

OEF ist nicht nur in ihrem Umfang auf 10 000 Soldaten halbiert worden, sondern auch ihr Aufgabenschwerpunkt wurde verändert. 80 Prozent der Kräfte arbeiten jetzt für eine unserer Hauptaufgaben in Afghanistan: die Ausbildung von Polizei und Armee. Deswegen wollen wir mit unseren NATO-Partnern - so auch der Herr Bundesaußenminister am vergangenen Donnerstag - prüfen, ob die Ausbildungsaufgaben in Zukunft nicht stärker unter dem Mandat von ISAF zusammengezogen werden können.

(Waltraud Lehn (SPD): Sehr gut!)

Wichtig ist, darauf hinzuarbeiten, den OEF-Einsatz, solange er noch nötig ist, durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates mandatieren zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Von der weiteren Zustimmung der afghanischen Regierung - diese Zustimmung war bisher vorhanden - kann, wie der Antragstext ausweist, weiterhin ausgegangen werden.

Nicht nur die Opposition geht kritisch damit um, Art. 51 der UN-Charta - das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung - als Rechtsgrundlage für OEF heranzuziehen. Inzwischen ist es herrschende Meinung, dass ein das Selbstverteidigungsrecht auslösender bewaffneter Angriff auch von nichtstaatlichen terroristischen Organisationen ausgehen kann. Unter deutschen Völkerrechtlern ist es hier zu einer Fortentwicklung des Völkerrechts im Rahmen bestehender Normen gekommen. Die Anschläge vom 11. September 2001 waren die ersten Angriffshandlungen, denen weitere - in Anführungszeichen - erfolgreiche Angriffshandlungen in aller Welt - in Madrid und London, aber auch in Afghanistan, zuletzt in einer Zuckerfabrik in Baghlan -, aber auch gescheiterte Angriffe folgten.

Wie immer wieder aufgedeckt wird, werden weitere Angriffshandlungen geplant und vorbereitet. Diese Angriffe sind eine Dauergefahr. Die Gefahr von Angriffen muss so lange als andauernd betrachtet werden, bis eine nachhaltige Zerschlagung der Al-Qaida- und Taliban-Strukturen erreicht wird und eine Wiederholung der Anschläge vom 11. September 2001 nach Möglichkeit ausgeschlossen ist. Wichtige Voraussetzung hierfür ist weiterhin, dass der al-Qaida und der Taliban Stützpunkte entzogen und Rückzugsgebiete verwehrt werden. Damit besteht das Selbstverteidigungsrecht fort. Es war und ist bis heute die völkerrechtliche Grundlage der Operation Enduring Freedom.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

- Diese Beurteilung der Sach- und Rechtslage hat bei den Grünen keinen Anklang gefunden. Schauen Sie aber einmal in die veröffentlichte Rechtsdiskussion.

(Jörg van Essen (FDP): So ist es!)

Schauen Sie auch auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der zuerst in der Resolution 1368 aus 2001 und zuletzt in der Resolution 1776 aus 2007 darauf Bezug nahm und damit per se eine Legitimation liefert.

Für unser gesamtes Afghanistan-Engagement gilt: Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist primär keine militärische Aufgabe. Soldaten sind kein Selbstzweck. Die internationale Gemeinschaft unternimmt daher umfassende Anstrengungen mit dem Ziel einer wirksamen Beseitigung gesellschaftlicher, sozialer, ökonomischer, ökologischer und infrastruktureller Umstände, die das Entstehen von Terrorismus begünstigen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege!

Walter Kolbow (SPD):

Abschließend sage ich noch einmal für meine Fraktion: Deutschland führt keinen Krieg gegen den internationalen Terrorismus. Wir leisten im Rahmen eines politischen Gesamtkonzepts unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze sowie des Völkerrechts auch mit militärischen Mitteln unseren Beitrag, um der fortbestehenden terroristischen Bedrohung wirksam zu begegnen.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh! Oh!)

Wir können den Terror nicht im klassischen Sinne besiegen, aber wir können ihn eindämmen und dafür sorgen, dass die Terroristen ihre Ziele nicht erreichen. Hierfür ist die Operation Enduring Freedom unter den dargestellten Voraussetzungen noch notwendig, auch als wichtiges Signal an unsere Bündnispartner, auch als Zeichen der Solidarität in der internationalen Gemeinschaft.

Ich danke für die Geduld.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Letzte war die Schlüsselbegründung!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

(...)
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Werner Hoyer für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Werner Hoyer (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Bundestagsfraktion wird dem Mandatsantrag der Bundesregierung zustimmen. Wir tun dies letztendlich aus den gleichen Gründen, die meine Kolleginnen und Kollegen und ich vor wenigen Wochen hier vorgetragen haben, als es um das ISAF-Mandat ging, auch wenn wir sehen, dass die OEF weit über den ISAF-Einsatz in Afghanistan hinausgeht, gerade was den deutschen Anteil angeht. Aber die Begründungen sind die gleichen. Es ist ja ein einmaliger Vorgang, Herr Kollege Kolbow, dass wir nicht die Gelegenheit hatten, über beide Mandate im Zusammenhang zu diskutieren und zu entscheiden.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt!)

Dieser Zusammenhang besteht allerdings eindeutig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus bleibt eine Herausforderung. Auch wenn es - um es plastisch auszudrücken - ein paar Wochen lang in Europa nicht gekracht hat, sollten wir uns nicht vertun, wie gefährlich die Situation nach wie vor ist. Die Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus ist weiterhin erforderlich.

Es bleibt dabei, dass wir Afghanistan nicht aufgeben dürfen. Die Afghanen, insbesondere diejenigen, die uns vertraut haben, dürfen wir nicht alleinlassen. Und wir dürfen nicht darüber hinwegsehen, dass wir das, was wir in Afghanistan und für Afghanistan zur Bekämpfung des Terrorismus tun, in allererster Linie für unsere eigene Sicherheit tun. Gerade deshalb sind wir unseren Soldatinnen und Soldaten so dankbar.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Aufbauarbeit in Afghanistan bedingt und erfordert Sicherheit. Deshalb, Kollege Kolbow, kommt es auch im Rahmen von ISAF zu Kampfhandlungen; wir dürfen das nicht kleinreden. Daher wird auch der unmittelbare Kampf gegen den Terror, der unter dem OEF-Mandat stattfindet, weiterhin gebraucht - weit über Afghanistan hinaus. Deswegen ist es Unsinn und unverantwortlich, immer wieder den Eindruck zu erwecken, als könne man zwischen dem ?guten“ ISAF-Mandat auf der einen Seite und dem vermeintlich ?bösen“ OEF-Mandat auf der anderen Seite unterscheiden. Beide Mandate gehören zusammen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Natürlich kann man die Frage stellen: Warum packen wir nicht alles unter ein Mandat? Hier muss man vorsichtig sein. Erstens erfordert dies eine getrennte Lösung im Hinblick auf unser Engagement am Horn von Afrika und im Mittelmeer. Zweitens erfordert dies eine Abstimmung mit unseren Partnern, die nicht ganz einfach ist, wenn man berücksichtigt, wer die Hauptlast des OEF-Mandats trägt. Angesichts des minimalen Beitrags der Bundeswehr zu OEF in Afghanistan, der gegenwärtig eher virtueller Natur ist, muss man sagen, dass wir keine Veranlassung haben, uns gegenüber einer Nation, die sich im Rahmen von OEF mit mehr als 10 000 Mann in Afghanistan engagiert, zu erheben.

Schließlich würde eine totale Integration von OEF und ISAF den Charakter von ISAF erheblich verändern. Wollen wir das wirklich? Sind wir uns darüber klar, dass in diesem vereinten Mandat das relative Gewicht der Bundesrepublik Deutschland sinken würde? Deswegen warne ich Neugierige. Natürlich ist es sinnvoll, die Elemente von OEF, die genauso gut unter dem ISAF-Mandat erledigt werden könnten, dort anzusiedeln. Ich denke, die Bundesregierung ist gut beraten, darüber in aller Ruhe mit unseren Partnern zu reden. Denn auf deren Beitrag und auf deren Umschichtung von OEF zu ISAF käme es im Zweifel an.

Der Kollege Stinner wird gleich noch etwas zu den militärischen Aspekten sagen, gegebenenfalls auch zur Frage der Ausbildung; ich will das hier nicht gesondert ansprechen.

Die Bundesregierung hat uns die Rechtsgrundlagen in den Ausschüssen überzeugend dargelegt. Deswegen haben wir keinen Zweifel, dass die Entscheidung, die wir heute treffen, auf einer rechtlich sauberen Grundlage steht. Dennoch stellt sich die Frage, ob es auf Dauer möglich ist und sinnvoll sein könnte, anzustreben, dass das, was im Rahmen von OEF passiert, auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt wird.

Ich denke, wir sind uns darin einig, dass die Berufung auf Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen - auf die kollektive Selbstverteidigung - zutreffend ist, dass aber auch dies nicht ad calendas graecas trägt. Deswegen finde ich es richtig, dass sich die Bundesregierung Gedanken darüber macht, ob wir hier eine neue Rechtsgrundlage anstreben sollten; das könnte Deutschland natürlich nicht alleine leisten, sondern nur gemeinsam mit seinen Partnern.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was hat er gesagt? Was findet er richtig? - Gegenruf des Abg. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er findet es richtig, dass sich die Bundesregierung Gedanken macht! - Gegenruf der Abg. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sollte sie! Er aber auch!)

- Ich finde es richtig, dass sich die Bundesregierung Gedanken macht, Herr Kollege Trittin, und ich möchte das unterstützen, weil ich mir durchaus Sorgen mache.

Meine Damen und Herren, was die andere rechtliche Diskussion, die in den letzten Tagen aufgeflammt ist, angeht, möchte ich die Bundesregierung und vor allen Dingen die Mehrheit dieses Hauses nachdrücklich bitten, die eigene Position zu überdenken. Amnesty International und Human Rights Watch haben uns mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Bundeswehr Probleme entstehen könnten. Ich habe keinen Beleg dafür, dass das bisher der Fall war. Hier sollten wir aber vorsorgen.

Die Fraktion der FDP hat bereits im letzten Jahr einen entsprechenden Antrag eingebracht. Dabei ging es um die Sicherstellung der rechtsstaatskonformen Behandlung der Gefangenen, die von deutschen Kräften gemacht und dann an die Afghanen übergeben werden. Damals hat die Mehrheit der Koalitionsfraktionen aufgrund der Beratung mit der Bundesregierung argumentiert, diese Probleme könnten durch bilaterale Vereinbarungen mit der afghanischen Regierung gelöst werden. Herausgekommen ist, wie wir gestern gehört haben, ein Bemühen darum, dass die afghanische Seite zusichert, dass die Drohung mit der Todesstrafe nicht Anwendung findet für Personen, die von der Bundeswehr an die afghanischen Behörden übergeben werden. Ich muss sagen: Das ist erheblich zu wenig. Wenn es darum geht, die rechtsstaatskonforme Behandlung solcher Gefangener sicherzustellen, müssen wir eine bessere Grundlage haben.

Ich möchte Sie von den Koalitionsfraktionen herzlich bitten, noch einmal zu überdenken, ob es richtig war, diesen unseren Antrag, den wir demnächst im Plenum des Bundestages zur Abstimmung stellen, in den Ausschüssen abzulehnen. Ich bin gerne bereit, mit den anderen Fraktionen noch einmal darüber zu reden, wie wir hier eine rechtsstaatlich saubere Lösung gemeinsam hinbekommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Dr. Andreas Schockenhoff ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir Deutschen können der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus nicht ausweichen und wir wollen das auch nicht. Der Deutsche Bundestag hat das nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er für die Solidarität mit den Vereinigten Staaten ausdrücklich auch ?die Bereitstellung geeigneter militärischer Fähigkeiten“ beschlossen hat.

Das hat wörtlich an diesem Pult der ehemalige Bundeskanzler Schröder zur Notwendigkeit von OEF und damit zum - auch militärischen - Kampf gegen den Terrorismus gesagt. Dies ist nach wie vor richtig. Deshalb wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Antrag der Bundesregierung zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Genauso richtig war auch seine Feststellung, dass wir im Kampf gegen den Terror einen langen Atem brauchen und schnelle Erfolge keineswegs garantiert sind. Nicht nur Madrid und London, sondern auch Länder wie Indien, Indonesien, Jordanien und Russland sind seit dem 11. September 2001 Opfer einer steigenden Zahl terroristischer Angriffe geworden. In Deutschland konnte dies bisher vereitelt werden, nicht zuletzt dank der Arbeit unseres Bundesinnenministers und dank der hervorragenden Arbeit der Sicherheitsdienste. Doch die Bedrohung ist nach wie vor und auch in absehbarer Zukunft hoch.

Nach einem terroristischen Angriff würden wir selbst Unterstützung und Solidarität erwarten. Deshalb liegt es in unserem Sicherheitsinteresse, dass wir in der internationalen Gemeinschaft alle gemeinsam den Kampf gegen den Terror fortsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dem dient die Verlängerung des OEF-Mandats in allen seinen Teilen.

Auch im Zeitalter der asymmetrischen Bedrohung durch den transnationalen Terrorismus gilt das Recht auf Selbstverteidigung. Heute sind wir weniger durch einen Angriffskrieg eines feindlichen Staates bedroht als durch ein international organisiertes und international agierendes Netzwerk von Terroristen. Mit al-Qaida kooperieren unzählige regionale terroristische Strukturen, von denen aus Angriffe auf unsere Freiheit und unser Wertesystem geplant werden. Diese Angriffe können den Verteidigungs- und Bündnisfall auslösen. Dann müssen wir handlungsfähig bleiben.

Für die CDU/CSU-Fraktion gilt ganz klar: Militäreinsätze dürfen nur im Rahmen unseres Grundgesetzes und des Völkerrechtes stattfinden. Aber im Fall der Selbstverteidigung dürfen wir uns nicht davon abhängig machen, ob im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Entscheidung zustande kommt.

(Zuruf von der LINKEN: Aha!)

Deshalb hält die CDU/CSU-Fraktion das im Völkerrecht ausdrücklich vorgesehene Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung - Art. 51 der UN-Charta - weiterhin für eine legitime und nicht nur vorläufige Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Bundeswehr.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die OEF-Truppen handeln unter dem Oberkommando der damals angegriffenen Amerikaner mit dem Auftrag, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Ihr Einsatz umfasst den gesamten Krisenbogen vom Maghreb über das Horn von Afrika, die arabische Halbinsel und Zentralasien bis zum Nordkaukasus. Insgesamt beteiligen sich rund 20 Staaten an der Durchführung dieser schwierigen Aufgabe. Wir alle sind uns doch darüber einig, dass wir die Gefahr dort bekämpfen müssen, wo sie entsteht - bevor sie zu uns kommt -, natürlich nicht primär, aber lageabhängig auch militärisch.

Da vor allem das Grenzgebirge zwischen Afghanistan und Pakistan Ausbildungs- und Ausrüstungsort der Terroristen ist, die den Wiederaufbau des Landes zu verhindern suchen, müssen die OEF-Kräfte auch dort eingesetzt werden. Es reicht nicht aus, den Terroristen einen Rückzugsort zu nehmen, wenn nebenan ein neuer entsteht.

Daher bedeuten die besorgniserregenden Entwicklungen in Pakistan, über die wir in der letzten Woche hier diskutiert haben, auch die Gefahr eines Rückschlags im Antiterrorkampf. Pakistan muss schnellstmöglich wieder zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehren - auch damit die Probleme im Grenzgebiet zu Afghanistan nicht weiter anwachsen und sich die pakistanischen Militärs wieder auf die schwierige gemeinsame Grenzkontrolle konzentrieren.

In Afghanistan sind die OEF-Truppen ausdrücklich auf Wunsch der demokratisch gewählten afghanischen Regierung im Einsatz. Sie waren es, die den Boden für die Stabilisierung und den Wiederaufbau durch die ISAF bereitet haben. Sie waren es auch, die insbesondere im Osten und Süden des Landes die Taliban zurückgedrängt haben. Erst dadurch konnten hier regionale Wiederaufbauteams Straßen, Brücken und Schulen tatsächlich wieder aufbauen. Erst seit einem Jahr stehen alle 25 Wiederaufbauteams unter dem Oberkommando der NATO.

Die ISAF konnte sich erst langsam über die gesamte Landesfläche verteilen. Erst schrittweise übernimmt die NATO mehr Verantwortung für die fünf Säulen der Sicherheitssektorreform, wie zum Beispiel für den Aufbau und die Ausbildung der afghanischen Armee. Von den fünf Lead-Nationen in Afghanistan haben die USA beim Armee- und Polizeiaufbau bisher am meisten erreicht, weil sie unter der OEF sowohl personell und materiell als auch vor allem finanziell die größten Anstrengungen unternehmen. All diejenigen, die ein Ende der Arbeitsteilung zwischen der ISAF und der OEF fordern, sollten zunächst den eigenen Ansatz optimieren und verstärken.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist sogar richtig! An die eigene Nase fassen!)

Wenn wir die Ausbildung bzw. alle Probleme in Afghanistan durch die ISAF bewältigen wollten, dann müssten wir in der EU und in der NATO im Sinne eines fairen Burden-Sharing, also im Sinne einer Zuteilung von mehr Lasten und mehr Kosten, erst einmal die Voraussetzungen dafür schaffen. Sind wir in der Lage, das zu leisten? Wollen wir das? Bei einer Sollstärke der ISAF von lediglich 90 Prozent sehe ich hier große Schwierigkeiten. Es fehlt an Kampftruppen, Hubschraubern, Transportflugzeugen und mehr Trainingsteams zur Ausbildung der afghanischen Armee. Deswegen unterstützen wir es sehr, dass unser Verteidigungsminister zwei Transall-Transportflugzeuge und 130 zusätzliche Armeeausbilder entsendet.

Einige Ausbilder mehr in der ISAF bedeuten aber noch lange nicht, dass weniger Ausbilder bei der OEF erforderlich sind. Im Gegenteil: Mindestens 70 000 ANA-Soldaten wollte die internationale Gemeinschaft bis 2010 ausbilden. Heute, Ende 2007, nach sechs Jahren, sind weniger als 20 000 tatsächlich einsatzbereit. Hier müssen wir also deutlich mehr tun. Darum ist es richtig und auch notwendig, dass 8 000 der insgesamt 12 000 OEF-Soldaten Afghanen für den Armeedienst ausbilden.

Das alles dient doch auch unserer Exit-Strategie, die erst dann greift, wenn Afghanistan selbst für seine eigene Sicherheit sorgen kann. Deswegen möchte ich unterstreichen, was der Kollege Hoyer vorhin gesagt hat: Mit der irreführenden Unterscheidung in ein gutes ISAF-Mandat und ein böses OEF-Mandat kommen wir nicht weiter.

Wenn die OEF in Afghanistan beendet würde, dann müsste die ISAF die Aufgabe der Terrorbekämpfung übernehmen. Dies würde ganz andere Kompetenzen und auch eine ganz andere Mandatsstruktur erforderlich machen. Bestimmte Herausforderungen in Afghanistan erfordern militärisch robustes Handeln. Auch ISAF-Truppen fordern in Notsituationen Luftunterstützung an. Für alle Streitkräfte ist die Vermeidung ziviler Opfer oberste Prämisse. Dieser Maßstab gilt für die OEF nicht weniger. Es war daher richtig und notwendig, dass die Einsatzregeln zum Schutz der Bevölkerung verbessert wurden.

Zum Schluss möchte ich all diejenigen fragen, die OEF in Afghanistan als kontraproduktiv kritisieren und nur noch auf ISAF setzen wollen: Glauben Sie, dass durch einen Ausstieg unser Einfluss auf die Antiterrormission steigt? Unser einseitiger Ausstieg aus der Mission OEF führte dazu, dass wir künftig keine Mitsprache mehr bei OEF und der Operationsführung hätten. Es liegt daher in unserem Interesse, dass durch eine Verlängerung des OEF-Mandats der von uns geforderte multilaterale Charakter von OEF erhalten bleibt. Ein Ausstieg aus OEF bedeutete weder für die Bevölkerung in Afghanistan noch für die ISAF-Truppen ein Mehr an Sicherheit.

Ich bitte Sie daher, für die Verlängerung des OEF-Mandats zu stimmen und damit einen sehr wichtigen Beitrag im Rahmen unserer sehr vielfältigen politischen Maßnahmen gegen den Terrorismus fortzusetzen, in Afghanistan, aber auch an anderen Brennpunkten des Einsatzgebietes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun der Kollege Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, dass sich mein Mitleid mit der SPD-Fraktion in sehr engen Grenzen hält. Aber nach der Rede von Walter Kolbow und den Verrenkungen, die er unternommen hat, um zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, sind mir wieder Zweifel gekommen. Lieber Kollege Kolbow, eines hätte man zumindest leisten müssen: der deutschen Bevölkerung die Wahrheit zu sagen, was eigentlich abläuft. Die Operation Enduring Freedom ist ein Kampfeinsatz; das wird niemand leugnen können. Die Operation Enduring Freedom ist Teil des Krieges gegen den Terror. Deutschland ist an dieser Operation beteiligt. Deutschland ist in einem Kampfeinsatz, befindet sich im Krieg gegen den Terror. Also stimmt es nicht, wie Kollege Struck einmal formuliert hat, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird. Richtig ist - darum können Sie nicht herumreden -: Deutschland führt Krieg am Hindukusch, und das ist schlimm.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Das ist der Kern der Auseinandersetzung. Daran geht nichts vorbei.

Wenn wir an diesem Punkt sind und über die Bevölkerung in Afghanistan nachdenken, ist es notwendig, zu sagen, dass seit 2001 70 000 bis 100 000 Menschen in Afghanistan Opfer dieses Krieges geworden sind. Das finde ich am bedrückendsten. Wir wollen nicht, dass Menschen irgendwo auf der Welt, auch nicht in Afghanistan, Opfer von Terror und Krieg werden. Das ist unsere Grundaussage.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Die Fraktion Die Linke wird dem Antrag der Bundesregierung nicht zustimmen; das hat sowieso niemand erwartet. Wir fordern darüber hinaus, den Bündnisfall in der NATO aufzuheben.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Herr Kollege Kolbow, es gibt kein Völkerrecht nach Gutsherrenart. Ihre Fraktion kann nicht einfach festlegen, was völkerrechtlich in Ordnung und was völkerrechtswidrig ist. Schauen Sie sich doch Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen einmal genauer an! Dort geht es um das Selbstverteidigungsrecht zur Abwehr eines unmittelbar stattfindenden oder drohenden Angriffs. Ich könnte den Text zitieren, aber Sie kennen ihn. Nun müssen Sie die Frage beantworten, ob nach sieben Jahre Krieg gegen den Terror ein Angriff von Afghanistan auf die USA oder irgendein anderes Land in der Welt droht. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Eine weitere Festlegung in der Charta der Vereinten Nationen besagt, dass das nur so lange gilt, wie die Vereinten Nationen selbst nicht handlungsfähig sind. Aber die Vereinten Nationen haben - das haben wir nicht unterstützt - ISAF installiert. Sie sind handlungsfähig. Deswegen muss der Bündnisfall aufgehoben werden. Er ist rechtlich nicht mehr zu begründen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Dass der Bündnisfall im NATO-Vertrag zeitlich nicht befristet ist, liegt auch daran, dass er zum ersten Mal ausgerufen wurde. Sie können es drehen und wenden, wie Sie es wollen: Sie bewegen sich nicht auf der Basis des Völkerrechtes, sondern operieren gegen das Völkerrecht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, wenn Sie uns das nicht abnehmen, dann schauen Sie sich das an, was Ihnen einmal nahe gewesen ist und heute so fern ist.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat kürzlich eine Denkschrift veröffentlicht. Darin kommt er - das geht aus den Thesen 101 und 106 hervor - zu dem gleichen Ergebnis wie wir als Linke. Auch von daher ist es völlig klar, dass der Zustand, den Sie beibehalten wollen, nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

In diesem Zusammenhang will ich mit zwei anderen Punkten aufräumen und Klarheit schaffen. In Ihrem Antrag haben Sie verquast und verharmlosend festgestellt, dass im Rahmen des Mandats auch Spezialkräfte eingesetzt werden sollen. Dabei geht es um KSK.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Das heißt Kommando Spezialkräfte!)

- Ja, das weiß ich. Man kann es aber deutlicher ausdrücken, Herr von Klaeden. Sie wissen, dass ich meinen Kenntnisstand, inwiefern es sich um KSK handelt, nicht den Kollegen im Plenum mitteilen kann, weil das immer noch der Geheimhaltungspflicht unterliegt. Das bedaure ich sehr. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung den Mut hat, im Zusammenhang mit Afghanistan Klarheit zu schaffen. Die in Ihrem Antrag getroffene Feststellung, dass die Vorsitzenden aller Fraktionen diesen unwürdigen Informationsregelungen zugestimmt hätten, stimmt aber nicht. Die Vorsitzenden meiner Fraktion werden sich an der Vorgehensweise, dem Parlament häppchenweise und nach Entscheidung der Regierung Informationen zukommen zu lassen, nicht weiter beteiligen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Wir verlangen auch in diesem Punkt Öffentlichkeit. Die Bevölkerung muss wissen, worum es geht.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben doch zugestimmt!)

- Meine Fraktion nicht.

Abschließend fordere ich Sie auf: Ziehen Sie doch einmal Bilanz über das Ergebnis des Krieges gegen den Terror! Stellen Sie die Frage, ob mit diesem Krieg die Gefahr des Terrorismus kleiner geworden ist! Sie sagen doch selber, dass die Gefahr größer geworden ist. Stellen Sie die Frage, ob die Kriege, die mit dem Ziel der Abrüstung begründet worden sind, tatsächlich zur Abrüstung geführt haben! Im Gegenteil: Sie haben überall in der Welt zur Aufrüstung geführt.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege.

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Stellen Sie die Frage, ob die Demokratie befördert worden ist! Das ist nicht der Fall. Überall ist Demokratie abgebaut worden. Selbst wenn Sie ihrer eigenen Logik folgen würden, gäbe es keine Begründung, den Krieg gegen Terror fortzusetzen. Man kann gegen Terror kämpfen, aber der Krieg führt ins Elend.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Jürgen Trittin ist der nächste Redner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Gehrcke, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass unter OEF der militärische Beitrag Deutschlands in Afghanistan seit 2005 gleich null ist. Darum geht es heute auch nicht. Es gibt in Afghanistan 3 500 deutsche Soldaten, die im Rahmen eines klaren Mandats der Vereinten Nationen und im Rahmen einer NATO-Operation namens ISAF tätig sind. Aber dieser Einsatz steht heute nicht zur Debatte.

Meines Erachtens müssen wir uns heute mit zwei relativ einfachen Fragen auseinandersetzen: Erstens. Gefährdet OEF die Stabilisierung Afghanistans? Dazu gehört auch, ob OEF den Erfolg der NATO-Operation ISAF befördert und stabilisiert oder eher gefährdet. Zweitens. Gibt es für die Operation Enduring Freedom noch eine völkerrechtlich einwandfreie Grundlage? Das sind die beiden Fragen, die wir uns stellen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Frank Steinmeier, Sie haben im Ausschuss starke Worte zur völkerrechtlichen Begründung gefunden. Aber offensichtlich glauben Sie die selbst nicht. Wie könnte es sonst sein, dass die SPD auf ihrem Bundesparteitag forderte, dass das auf die Grundlage eines UN-Mandats gestellt wird? Die CDU/CSU hat das abgelehnt. Ich frage mich, ob wir nach der innenpolitischen Dauerblockade zur außenpolitischen Selbstblockade kommen.

Noch spannender ist die Frage an Sie, lieber Frank Steinmeier, warum Sie als Parteivize auf dem Parteitag in Hamburg zugestimmt haben, dass der OEF-Einsatz auf eine vernünftige völkerrechtliche Grundlage gestellt wird, während Sie hier als Außenminister und künftiger Vizekanzler dagegen argumentieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das Rätsel löst sich, wenn man die Zeit mit berücksichtigt. Das UN-Mandat vom 12. September 2001 war die Grundlage für OEF. Aber als Grundlage taugt es heute für Afghanistan nicht - ich betone: nicht mehr!

(Zuruf von der LINKEN)

Selbstverständlich hat der Sicherheitsrat zu Recht den USA das Recht auf Selbstverteidigung zugestanden. Und es war richtig, dass wir ihnen an die Seite getreten sind. Es ist zu Recht geschehen, dass das Taliban Regime gestürzt und die terroristische Infrastruktur von al-Qaida in Afghanistan zerstört worden ist. Zu Recht haben wir uns daran beteiligt, eine verfassungsgebende Versammlung in Afghanistan zu etablieren, sodass sie heute einen gewählten Präsidenten, ein gewähltes Parlament haben. Zu Recht - Herr Schockenhoff hat darauf hingewiesen - hat OEF - übrigens nicht im Norden, das hat ISAF schon selber gemacht - dafür gesorgt, dass die Regierung Afghanistans über das ganze Land und nicht nur über Kabul regiert.

Das alles sind die Verdienste von OEF. Ich sage Ihnen: Es sind gerade die Erfolge von OEF, die heute die Rechtsgrundlage für ein weiteres Fortbestehen infrage stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn eines war der Sicherheitsratsbeschluss nicht: Es war keine Ermächtigung, zeitlich und räumlich unbegrenzt überall auf der Welt beliebig Krieg führen zu dürfen. So hat der UN-Sicherheitsrat mit Sicherheit nicht entschieden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen das anhand eines einfachen Beispiels erläutern. Nur weil Mohammed Atta sein monströses Verbrechen in Hamburg geplant hat, hat es keinen Grund gegeben, gegen Hamburg Krieg zu führen. Nun werden Sie vielleicht sagen, Kabul ist nicht gleich Hamburg. Das ist richtig. Ich sage Ihnen aber auch: In Kabul hat sich etwas geändert. In Kabul regieren nicht mehr die Taliban; es gibt eine gewählte Regierung; es gibt heute ein Mandat der Vereinten Nationen für ganz Afghanistan, das ist das ISAF-Mandat. Wollen Sie der afghanischen Regierung absprechen, dass Sie ihrer Verpflichtung, nämlich in Afghanistan gegen den Terror und seine Unterstützer vorzugehen, nachkommt? - Ich glaube, das wollen Sie nicht.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle?

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, gleich. - Dann gibt es aber auch keinen Grund, dass in Afghanistan ohne eine Vereinbarung und ein Stationierungsabkommen heute ausländische Truppen tätig sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Westerwelle.

Dr. Guido Westerwelle (FDP):

Herr Kollege Trittin, Sie haben sich sehr nachdrücklich auf die Kraft und die Autorität der Regierung, die es jetzt in Kabul für Afghanistan gibt, berufen. Ich hatte vor wenigen Wochen die Gelegenheit, mit einem Vertreter dieser Regierung, nämlich mit dem Außenminister Spanta, in Kabul zu sprechen. Ich möchte nur mit einem Punkt wiedergeben, was diese von Ihnen gerühmte Regierung mir und auch vielen anderen in der Öffentlichkeit gesagt hat. Die Meinung von Außenminister Spanta in Afghanistan war: An dem Tag, wo ihr rausgeht, ist Kabul wieder die Hauptstadt der Terroristen in der Welt, und wir haben nichts mehr zu sagen.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Herr Kollege Westerwelle, auch ich war in Afghanistan, so wie viele andere von meiner Fraktion auch. Wir haben viele Gespräche mit Herrn Karzai und auch mit Herrn Spanta geführt. Sie sitzen genau der gleichen Verwechselung auf wie der Kollege Gehrcke. Ich habe nicht dafür plädiert, in Afghanistan die militärische Absicherung des Aufbaus zu beenden. Ich habe die Frage gestellt: Gibt es für den Teil der militärischen Operation, der in Afghanistan unter dem Label OEF stattfindet, heute noch eine völkerrechtlich tragfähige Grundlage? Das ist keine Frage, die Sie mit der Tatsache einer umfassenden militärischen Absicherung vermengen können, wie sie ISAF auf der Basis des Mandats der Vereinten Nationen - erst jetzt wieder verlängert - macht. Ich finde, wir sollten aufhören, die relativ beschränkte Frage, auf welcher Rechtsgrundlage OEF stattfindet, mit einer allgemeinen Debatte über Krieg und Frieden in Afghanistan zu verbinden. Das ist der gemeinsame Irrtum von FDP und Linksfraktion.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind genau an dieser Stelle. Ich glaube, nein, ich bin davon überzeugt, lieber Herr Außenminister, dass Ihr Parteitag etwas Richtiges beschlossen hat, als er gesagt hat: Wir wollen, dass dieses Mandat, dieser Einsatz in Afghanistan auf eine UN-Grundlage gestellt wird. - Er hat gleichzeitig etwas Falsches beschlossen; denn dieses Mandat gibt es bereits. Es ist das ISAF-Mandat. Ich bedauere Sie schon, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie von der CDU/CSU an die Kette gelegt worden sind, sodass Sie das hier nicht mehr sagen dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen in Afghanistan militärische Präsenz unter einem Kommando. Übrigens haben Sie von uns nie das Wort von der bösen OEF und der guten ISAF gehört; wenn ISAF im Sangin-Tal einen Staudamm gegen Terroristen verteidigt, wenn, wie in diesen Tagen, im Nordosten ISAF gegen eingesickerte Militante vorgeht, dann ist das hartes militärisches Vorgehen. Das kann übrigens nur die NATO. Nur sie kann solche multilateralen Einsätze im Verbund durchführen. Aber das, was nicht geht, ist, zuzuschauen, wie durch das Nebeneinander eines militärisch-zivilen Unterstützungseinsatzes - das ist ISAF - und eines davon völlig losgelösten War on Terror der Erfolg der Mission von ISAF gefährdet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür gibt es in Afghanistan Beispiele zuhauf. Wir haben den Fall Schindand, den wir hier mehrfach diskutiert haben. Dort sind 150 Zivilisten aufgrund einer Operation von OEF ums Leben gekommen, und ISAF musste Soldaten heraushauen. Es ist nicht so, dass OEF ISAF absichert. Es gibt unzählige Fälle, bei denen OEF-Kommandos von ISAF-Truppen gerettet werden mussten. Deswegen sage ich Ihnen: Praktisch ist es so - dem widerspricht auch niemand vor Ort -, dass OEF den Erfolg von ISAF gefährdet. Der Terrorismus muss bekämpft werden, zivil, geheimdienstlich, polizeilich und militärisch. Seine Bekämpfung ist Aufgabe der jeweils gewählten Regierung, und dafür unterstützen wir die afghanische Regierung durch ISAF. Neben ISAF gibt es keinen Raum für in Tampa und Langley geplante Ramboaktionen. Es darf in Afghanistan nur ein Kommando geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie mit Offizieren darüber sprechen, dann stimmen sie in diesem Punkt völlig zu, weil es das Basiswissen jeder Stabsschule ist, dass die Einheitlichkeit des Kommandos in einem Raum, in dem militärische Operationen durchgeführt werden, gewährleistet sein muss.

Ich breche damit übrigens nicht den Stab über OEF. OEF macht neben Kommandoaktionen auch sehr Sinnvolles. 6 000 Soldaten von OEF sind mit der Ausbildung afghanischer Soldaten beschäftigt. Nur, die einfache Frage ist: Warum macht das nicht ISAF? Wenn Sie, liebe Bundesregierung, dieser Frage ausweichen, dann will ich Sie gerne vor dem Vorwurf in Schutz nehmen, dass Sie fürchten, dass das Geld kosten würde. Bekanntermaßen scheitert bei der Großen Koalition am Geld rein gar nichts. Nein, der Kern, warum Sie an diese Frage nicht heran wollen, ist, dass das für Sie, Frau Merkel, und für Sie, Herr Steinmeier, unbequem ist. Sie müssten nämlich, wenn Sie sich mit OEF auseinandersetzen, zum Beispiel dem amerikanischen Präsidenten erklären, dass es so in Afghanistan mit OEF nicht weitergeht, dass Terrorismusbekämpfung nur erfolgreich ist, wenn sie auf dem Boden des Völkerrechts stattfindet und wenn man international gemeinsam agiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau diesen Konflikt scheuen Sie. Diese Scheu vor einem Konflikt mit den USA in dieser Frage halten Sie für Bündnistreue. In Wahrheit gefährdet in meinen Augen dieser vorauseilende Gehorsam die riskanteste Aktion des Bündnisses NATO, nämlich ISAF. Ich sage: Das ist nicht bündnistreu, das ist nicht klug, und das ist nicht in deutschem Interesse - und deshalb lehnen wir heute dieses Mandat ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Der Kollege Rainer Arnold ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.

Rainer Arnold (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit sechs Jahren werden in Afghanistan Soldaten unter dem OEF-Mandat eingesetzt. In diesen sechs Jahren hat sich die Situation in Afghanistan ganz offensichtlich verändert, in vielen Bereichen zum Guten, in vielen Bereichen ist die Situation aber auch ernster geworden. Aber auch das Mandat und die Aufgabenstellung haben sich verändert. Hier wird manchmal diskutiert, als ob wir, wie es am Anfang der Fall war, OEF statisch mandatierten.

Die Feststellung, dass ISAF ein aufbauendes Mandat ist und OEF ein Kampfmandat, ist einfach nicht richtig; das wurde hier bereits deutlich gesagt. Warum nicht? Weil man sich bei der Auseinandersetzung in Afghanistan überhaupt nicht aussuchen kann, mit welchen militärischen Herausforderungen man konfrontiert wird. Das bestimmt der Gegner. Selbstverständlich müssen sich auch ISAF-Soldaten in diesem Land nicht nur wehren, sondern, wo es notwendig ist, auch offensiv Sicherheit herstellen. Das heißt, sie dürfen nicht warten, bis sich die Taliban zusammenrotten und Stützpunkte überfallen. Das ist ein Teil der Wahrheit. Deshalb ist die Trennung zwischen OEF und ISAF aus heutiger Sicht natürlich ein Stück weit künstlich.

Das, was Herr Gehrcke hier vorgetragen hat, war die übliche Litanei. Herr Gehrcke, ich will mich nicht auf eine Debatte über die völkerrechtliche Legitimation einlassen, und zwar deshalb nicht, weil wir darüber schon sehr häufig debattiert haben. Ich möchte Sie aber daran erinnern, dass Sie, als es um das ISAF-Mandat ging, genauso argumentiert haben, zum Verfassungsgericht gegangen sind und dort eine eindeutige Niederlage eingefahren haben. An diesem Beispiel sieht man, dass Sie Ihre Argumente an den Haaren herbeiziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Sie zitieren die Kirchen und andere Organisationen immer wieder gerne. Ich tue das jetzt auch einmal: Human Rights Watch sagt sehr deutlich - diese Organisation ist sicherlich auch aus Ihrer Sicht unverdächtig -, dass für die Taliban jeder, der mit der Zentralregierung in Kabul zusammenarbeitet, ein legitimes Ziel der Gewalt ist. Herr Gehrcke, wollen Sie dieses Land wirklich wieder den Taliban überlassen? Diese Frage müssen Sie hier schon einmal beantworten. Wenn Sie jetzt so tun, als ob OEF das Schlechte und Schlimme ist, während über ISAF der Aufbau geleistet wird, dann müssen Sie auch die Frage beantworten, ob Sie irgendwann einmal wenigstens der Verlängerung des ISAF-Mandates zustimmen und sich der Verantwortung tatsächlich stellen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Sie sollten besser zuhören!)

Ich will nicht verhehlen, dass es im Zusammenhang mit OEF kritische Fragen zu stellen gibt. Es gibt nichts unter dem Teppich zu kehren. Falsch ist allerdings die Aussage, dass wir nicht wissen, was dort passiert. Wir erkennen ausdrücklich an, dass die Partner in Amerika in den letzten Monaten regelrecht eine Informationsoffensive gestartet haben. Viele von uns kennen Details. Herr Gehrcke, wollen Sie wirklich, dass die Taliban den deutschen Zeitungen entnehmen können, wie die Truppen in Afghanistan heute oder morgen operieren? Mit dieser Forderung gefährden Sie das Leben der Soldaten. Deshalb gilt: Ja, wir brauchen so viel Transparenz wie möglich, aber der Schutz der Soldaten hat oberste Priorität. Bei dieser Position werden wir bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Die kritischen Fragen wurden von der Regierung aufgenommen. Ich bin sehr froh darüber, dass der Außenminister in seiner Rede zur Einbringung des Antrages auf Verlängerung des Mandates deutlich gemacht hat, dass man das Mandat selbstverständlich im Detail weiterentwickeln muss. Die Position unserer Kollegen in der Koalition verstehe ich insofern nicht so ganz. Der Außenminister hat für die Kanzlerin, für den Verteidigungsminister, für die ganze Regierung gesprochen. Es wäre schön, wenn wir Parlamentarier die Arbeit der Regierung durch einen entsprechenden Antrag hätten unterstützen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Für die Weiterentwicklung ist es selbstverständlich notwendig, dass wir eine differenzierte Debatte führen. Ich bin der Meinung, dass die Aufgabe, die Deutschland mit etwa 300 Soldaten am Horn von Afrika erfüllt, eine langfristige Aufgabe ist und diese Aufgabe auf lange Sicht nicht nur über Art. 51 der UNO-Charta mandatiert werden sollte. Im Klartext heißt das: Wir müssen der Regierung einen Spielraum lassen, damit sie in der internationalen Staatengemeinschaft darauf hinwirken kann, dass es diesbezüglich dauerhaft zu einer Mandatierung durch die Vereinten Nationen kommt, bei der die Anrainerstaaten einbezogen werden.

Wir Deutschen haben ein herausragendes Interesse an der Seesicherheit am Horn von Afrika und sollten uns auch auf der langen Zeitschiene dieser Verantwortung stellen. Wenn man die vielen kritischen Fragen abwägt - viele Kollegen machen es sich nicht leicht -, muss man auf der anderen Seite der Waagschale auch die Argumente benennen, die sehr deutlich für eine Mandatierung von OEF sprechen.

Aus meiner Sicht müssen wir erstens die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung, etwas zu verändern und zu bewegen, sichern. Dabei ist es nicht damit getan, dass die Deutschen immer wissen, wie es genau geht, dass sie aber sagen, das Geschäft und die schwierigen Aufgaben sollen die anderen erledigen. Dann würden der Verteidigungsminister und der Außenminister in der Staatengemeinschaft nicht ganz ernst genommen werden. Die Bereitschaft, etwas zu verändern, setzt deshalb voraus, dass wir auch zukünftig Verantwortung übernehmen. Dies spricht für eine Veränderung und für eine Zustimmung zu diesem Mandat.

(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Zweite ist mir besonders wichtig. Jeder - abgesehen von den Linken - hat doch erkannt, dass kein Land allein mit der enormen Herausforderung des Terrorismus fertig werden kann. Das heißt, internationale Loyalität und Solidarität sind keine Einbahnstraße. Auch wir können morgen darauf angewiesen sein, dass uns andere helfen. Das ist das eine.

Der andere Punkt ist aber, dass die Debatten, die wir im Parlament und in unserer Gesellschaft führen, auch in Kanada, in den Niederlanden, in Italien und bei den Skandinaviern geführt werden. Wir haben keine aktiven Soldaten in Afghanistan bei OEF und führen dennoch diese Debatten. Würden wir OEF beenden, hätte dies angesichts der Bedeutung des deutschen Einsatzes bei ISAF in Afghanistan mit 3 500 Soldaten insgesamt auch Auswirkungen auf die Diskussionen in Kanada und in den Niederlanden. Diese Länder sind jedoch real im Süden von Afghanistan vertreten und übernehmen dort schwierige Aufgaben. Ich mag mir gar nicht ausdenken, was es am Ende für das deutsche Engagement bedeuten würde, wenn sich eines dieser Länder - die Niederlande, Kanada oder ein anderes Land - aus seiner Verantwortung zurückzieht.

(Beifall bei der FDP)

Dies hätte auch Auswirkungen auf uns. Deshalb glaube ich, dass es auch aus dieser Sicht unabdingbar ist, dass wir OEF verlängern.

Lassen Sie mich am Ende noch eines sagen. Wir reden immer davon, dass Afghanistan gelingen muss. Das ist ein schönes Postulat, und es muss in der Tat gelingen. Aber Afghanistan kann auch scheitern, und zwar dann, wenn jedes Land glaubt, auf das andere warten zu müssen, bis es das liefert, was zur Sicherheit und zum Aufbau - beides ist in Afghanistan wichtig - tatsächlich erbracht werden muss. Für uns ist die heutige Debatte, in der es darum geht, OEF um ein weiteres Jahr zu verlängern, bei weitem nicht das Ende der Diskussion. Wir gehen davon aus, dass wir uns in den nächsten zwölf Monaten sehr intensiv auch mit der Frage beschäftigen müssen, was in Afghanistan zusätzlich geleistet werden muss. Ich glaube, wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn jedes Land in der NATO und bei den Verbündeten insgesamt entsprechend seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten handelt und ernsthaft prüft, was politisch verantwortbar ist. Diese Prüfung haben wir immer vorzunehmen, wenn wir Soldaten zum Einsatz schicken. Wir sind dazu bereit. Damit will ich Folgendes zum Ausdruck bringen: Ein Einmauern - auch in der Frage, was wir in Zukunft tun - ist nicht sehr hilfreich. Das müssen alle in Afghanistan wissen: Die Zivilgesellschaft muss wissen, dass wir sie nicht im Stich lassen. Aber auch die Taliban müssen wissen, dass ihre Strategie, Unsicherheiten in den westlichen Gesellschaften zu nähren und zu schüren, damit die Kraft nachlässt, um in Afghanistan die Herausforderungen zu bewältigen, nicht aufgehen wird und darf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Der nächste Redner ist Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Rainer Stinner (FDP):

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion hat vor einem Jahr dem OEF-Mandat zugestimmt, aber wir haben das unter Vorbehalt und mit Bauchschmerzen getan. Wir hatten erhebliche Kritikpunkte, wir haben damals eine Akzentverschiebung vom Militärischen zum Zivilen angemahnt und zweitens darauf gedrungen, dass die Abstimmung vor Ort zwischen OEF und ISAF wesentlich besser erfolgt. Drittens haben wir angemerkt, dass durch die Art des Vorgehens unter OEF der Gesamterfolg der Operation in Afghanistan eventuell gefährdet wird.

Das waren beim letzten Mal drei Kritikpunkt bzw. Forderungen von uns.

Wir haben in den letzten zwölf Monaten die Entwicklung in Afghanistan genau beobachtet. Wir müssen konstatieren, auch als Opposition, dass auf allen drei Feldern in den letzten zwölf Monaten deutliche Fortschritte erreicht worden sind.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Walter Kolbow (SPD))

Das ist Faktum, Herr Trittin. Meine Kollegin Homburger hat darauf in der letzten Woche schon hingewiesen; ich will es noch einmal betonen.

Vor allem möchte ich hervorheben, dass es jetzt einen Fortschritt insofern gibt, als wir in Afghanistan erstmals gemeinsame, gleichlautende Rules of Engagement für ISAF und OEF haben. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, auf den wir immer gedrungen haben. Das dürfen wir hier zur Kenntnis nehmen.

Leider aber versäumt es die Bundesregierung, die Fortschritte, die wir sowohl diesbezüglich als auch in Afghanistan insgesamt machen, laut und deutlich breit zu kommunizieren. Viele Kolleginnen und Kollegen wissen das nicht, was ich eben gesagt habe, nämlich dass es einen Gleichklang zwischen OEF und ISAF bezüglich des Vorgehens gibt. Die Öffentlichkeit ist über das, was wir in Afghanistan tun, insgesamt völlig uninformiert. Ich fordere die Bundesregierung auf, nach außen hin eine wesentlich offensivere Informationspolitik zu betreiben.

(Beifall bei der FDP)

Aber auch im internen Bereich gibt es Informationsdefizite. Wir haben das angesprochen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, in dem eine verbesserte Struktur der Information und der Steuerung der sensiblen Einsätze gefordert wird. Leider hat die Mehrheit uns nicht zugestimmt. Ich fordere Sie auf: Überdenken Sie das noch einmal!

(Beifall bei der FDP)

Herr Arnold, wir haben gestern im Ausschuss auch über dieses Thema gesprochen. Wir waren uns einig, dass die Information über das, was in OEF läuft, insgesamt völlig unzureichend ist, und zwar auch für uns Fachpolitiker. Hier müssen wir nachlegen.

Wir stimmen heute mit großer Mehrheit zu, aber auch heute haben wir natürlich unsere Anforderungen. Wir stimmen zu, weil wir der Bevölkerung deutlich sagen wollen: Wir tun etwas für Afghanistan, aber wir schützen uns damit selbst. Was wir dort an internationalem Engagement leisten, tun wir für uns.

(Beifall bei der FDP)

Unsere Forderungen sind verschiedenartig. Herr Hoyer hat auf die veränderte Mandatsstruktur hingewiesen und dazu das Notwendige gesagt; das möchte ich jetzt nicht wiederholen. Wir selbst müssen unsere Hausarbeiten machen; das gilt auch für die Bundesregierung und die Bundeswehr.

Wir mandatieren heute wieder 100 KSK-Soldaten für Afghanistan. Sie werden im Augenblick nicht eingesetzt. Das wissen wir; das ist auch öffentliches Wissen. Wir müssen uns mit dem Thema KSK aber intensiver beschäftigen. Das Image des KSK als Einheit von Rambosoldaten ist ein völlig falsches.

(Zuruf von der FDP: So ist es!)

Das KSK ist eine Spezialtruppe, die es geradezu erlaubt, größere militärische Operationen zu vermeiden. Das KSK ist eine Spezialeinheit, die es ermöglicht, Kollateralschäden zu vermeiden. Das muss endlich in die Öffentlichkeit hineingetragen werden. Das muss deutlicher werden.

(Beifall bei der FDP)

Wir alle wissen, dass es bei KSK im Augenblick durchaus Probleme gibt, was Rekrutierung angeht. Ich kann hier nicht zu sehr ins Detail gehen; nur so viel: Im Augenblick ist ein Attraktivitätsprogramm KSK in der Behandlung. Es ist dringend notwendig, dass es endlich umgesetzt wird. Herr Minister Jung, ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich in der Bundesregierung durch! Fordern Sie dieses Programm zur Verbesserung der Bedingungen für unsere Soldaten ein! Setzen Sie sich vor allen Dingen gegen Ihren Kollegen, den Antiterrorminister Schäuble, durch! Das Innenministerium blockiert hierbei gegenwärtig. Da muss dringend etwas getan werden.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen die Verbesserung bei der Personalstruktur. Wir müssen neue, junge Personen für KSK anwerben. Wir müssen vor allen Dingen verhindern - ich sage das sehr deutlich und mit Bedacht -, dass erfahrene Kräfte KSK verlassen. Das ist eine sehr wichtige Baustelle für uns, an der wir arbeiten müssen.

Bei KSK geht es nicht nur um Personal; es geht auch um parlamentarische Kontrolle usw.

Wenn wir als Bundestag mandatieren, müssen wir auch die Bedingungen dafür schaffen, dass unsere Soldaten den Auftrag erfüllen können. Zu KSK konnte ich hier kurz Stellung nehmen. Wir alle wissen aber auch, dass die Marine mit ihren Einsätzen im Rahmen von UNIFIL und am Horn von Afrika an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen ist, sie zum Teil sogar überschritten hat. Wir müssen konsequent sein. Wenn wir unsere Bundeswehr mandatieren, müssen wir bereit sein, die entsprechenden Ausrüstungen und finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Es gibt eine ganze Reihe von Fähigkeiten, die überall angefordert werden - Sanitätsdienst, Lufttransport, Feldjäger -, und dort haben wir Engpässe. Die müssen beseitigt werden.

Wir alle wissen: Mit Militär alleine werden wir die Probleme nicht lösen. Wir alle wissen aber auch - wir müssen dies am heutigen Tage im November 2007 zur Kenntnis nehmen -, dass ohne ein militärisches Vorgehen gegen Terroristen, die es nun einmal gibt, der Kampf gegen den Terrorismus nicht zu gewinnen ist. Deshalb stimmen wir heute in dem Wissen zu, dass die Balance zwischen dem Zivilen und dem Militär zugunsten des Zivilen verändert werden muss. Wir brauchen aber die militärische Komponente. Deshalb stimmen wir heute zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Walter Kolbow (SPD))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun der Kollege Eckart von Klaeden für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ISAF-Mandat und das OEF-Mandat unterscheiden sich voneinander in drei wesentlichen Punkten: in der Rechtsgrundlage, im Auftrag und im Einsatzgebiet. ISAF ist ein Mandat für Afghanistan zur Unterstützung der afghanischen Regierung. OEF bekämpft den Terror in einem Gebiet, das sich vom nördlichen Afrika über das Mittelmeer und die arabische Halbinsel bis hin nach Zentralasien erstreckt.

Die Rechtsgrundlage ist hier schon des Öfteren angesprochen worden. Deshalb erlaube ich mir, nicht meine Rechtsansicht, sondern die der Vereinten Nationen hier vorzutragen. Die Vereinten Nationen haben in verschiedenen Resolutionen immer wieder darauf hingewiesen, dass Art. 51 der VN-Charta ein Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung verbürgt. Dieses Recht ist also in der VN-Charta selbst festgehalten und steht deshalb auch nicht zur Disposition des Sicherheitsrates. Aus diesem Grunde hat der Sicherheitsrat das Recht auf Selbstverteidigung auch nicht gewährt. Aber er hat es in zahlreichen Resolutionen - zuletzt im September dieses Jahres - in diesem Zusammenhang anerkannt und bekräftigt.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Was soll er sonst auch machen!)

Die weitere Voraussetzung für das Recht auf Selbstverteidigung ist ein bewaffneter Angriff. Es ist unstrittig, dass solche Angriffe, wie wir sie am 11. September 2001 in New York und Washington erlebt haben, auch von nichtstaatlichen, terroristischen Organisationen wie al-Qaida ausgehen können.

Die Zweifel am Vorliegen der weiteren Voraussetzungen von Art. 51 der VN-Charta gründen sich zum einen auf die Frage, ob die Angriffshandlungen fortdauern, und zum anderen auf die Frage, ob der Sicherheitsrat die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, die dazu führen, dass diese Angriffe nicht mehr stattfinden können.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Dazu möchte ich Ihr Argument hören!)

- Gerne, Herr Kollege Gehrcke. Deswegen spreche ich es ja an. - Ich werde gleich auf die Terroranschläge, die sich nach dem 11. September 2001 ereignet haben, eingehen.

Der Sicherheitsrat hat zuletzt in seiner Resolution 1776 vom September dieses Jahres bekräftigt, dass er seine eigenen Maßnahmen nicht für geeignet hält, die terroristischen Angriffe unter anderem auf die Vereinigten Staaten erfolgreich einzudämmen. Denn sonst hätte er in dieser Resolution nicht das Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 VN-Charta bestätigt.

Schauen wir uns doch einmal die verübten Terroranschläge an: 11. September 2001: fast 3 000 Tote; April 2002: Bombenanschlag auf eine Synagoge in Djerba, Tunesien, 23 Tote, darunter 18 Deutsche; Oktober 2002: Bombenanschlag auf eine Diskothek auf Bali, 202 Tote, darunter 6 Deutsche; Mai 2003: Selbstmordattentat in Casablanca, Marokko, 33 Menschenleben; Juni 2003: Selbstmordanschlag in Kabul, 4 deutsche Soldaten kamen ums Leben; November 2003: 60 Tote bei Bombenanschlägen in Istanbul; März 2004: 192 Tote bei Anschlägen auf Vorortzüge in Madrid; Mai 2004: Überfall von Terroristen in Janbu, Saudi-Arabien, 6 Mitarbeiter westlicher Ölfirmen werden getötet; 50 Ausländer werden in der Ölstadt Chobar als Geiseln genommen, 22 von ihnen sterben bei der Befreiungsaktion.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Ich möchte zunächst einmal diesen Punkt zu Ende vortragen und dann die Zwischenfrage zulassen.

Im August 2004 brechen zwei russische Passagiermaschinen in der Luft auseinander, 89 Tote. In demselben Monat gab es einen Bombenanschlag auf die australische Botschaft in Jakarta, 9 Tote. Einen Monat später kamen 34 Menschen bei Bombenanschlägen auf drei Hotels am Roten Meer ums Leben. Es gab Terroranschläge in London im Juli 2005 und im Mai dieses Jahres einen Selbstmordanschlag in Ankara mit 8 Toten und 121 Verletzen. Und in diesem Jahr fand erneut ein Terroranschlag in Großbritannien statt.

Seit dem 11. September 2001 sind bereits mehr Deutsche durch Terroranschläge, die von al-Qaida oder vom internationalen Netzwerk von al-Qaida vorbereitet worden sind, ums Leben gekommen als durch die Terroranschläge der RAF in den 70er-Jahren.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Wollen Sie überall Soldaten hinschicken, oder was soll das?)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Trittin.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege von Klaeden, ich bin beeindruckt von Ihrer Liste. Die Liste führt aber doch eigentlich zu einer Frage - das ist die Frage, die wir dann auch bezogen auf Afghanistan beantworten müssen -: Wenn Sie auflisten, dass in der Türkei, in Spanien, in Großbritannien, in Indonesien Terroranschläge stattgefunden haben, schließen Sie daraus, dass zum Beispiel die Vereinigten Staaten das Recht hätten, in diesen Ländern, weil es dort diese Anschläge des internationalen Terrorismus gibt, zu intervenieren? Wenn Sie das nicht bejahen, können Sie uns erklären, warum diese allgemeine Liste der Feststellungen über die Untaten des internationalen Terrorismus dazu herhalten muss, dieses Recht in Afghanistan aber anhaltend zuzugestehen?

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Kollege Trittin, um es einmal ganz klar zu sagen: Sie verwechseln Täter und Opfer. Die Länder, die ich gerade aufgeführt habe, die Toten, die es dort gegeben hat, sind Opfer terroristischer Anschläge geworden. Diese terroristischen Anschläge sind aber nicht in diesen Ländern vorbereitet worden. Ein Grund für die Operation "Enduring Freedom" ist es, dem internationalen Terrorismus die Nachschubwege abzuschneiden, die es unter anderem am Horn von Afrika gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Den Zusammenhang herzustellen, den Sie gerade hergestellt haben, ist geradezu perfide.

(Zuruf von der LINKEN: Ihre Argumentation ist perfide!)

Der Grund für meine Aufführung der Anschläge ist lediglich, darauf hinzuweisen - das ist die Rechtsansicht der Vereinten Nationen, bestätigt in den letzten Resolutionen -, dass die Terrorgefahr nach wie vor besteht. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist selber der Ansicht, dass die Maßnahmen, die er bisher getroffen hat, noch nicht ausreichen, um das Terrornetzwerk von al-Qaida zu zerschlagen. Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, die Terrorgefahr in Afghanistan sei so weit zurückgegangen, dass man auf die Terrorbekämpfung in Afghanistan heute verzichten könnte und dass die afghanische Regierung schon heute in der Lage wäre, Terrorismus und Aufständische tatsächlich so zu bekämpfen, dass wir auf ISAF oder auf OEF verzichten könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, diesmal des Kollegen Gehrcke. Ich will darauf aufmerksam machen, dass ich nur eine begrenzte Neigung habe, Zwischenfragen von Kollegen zuzulassen, die vorher oder nachher ohnehin als Redner in der Debatte gemeldet sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist also die letzte Ausnahme von dieser gerade genannten Regel. Bitte schön.

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Herr Präsident, herzlichen Dank wegen Ihrer Großmut. Auch Dank an Herrn Kollegen von Klaeden.

Es ist ein wichtiger und spannender Punkt, den er angesprochen hat. Es ist einfach notwendig, hier einmal nachzufragen, um Ihre Gedankenführung überhaupt verstehen zu können. Wenn ich es bei der ganzen Liste des Terrors, die Sie aufgezählt haben, und den Opfern, die in der Tat zu beklagen sind - ich denke übrigens, in eine solche Liste gehört Afghanistan unmittelbar immer mit hinein -, richtig verstanden habe, haben Sie gesagt: Durch den Einsatz der Operation Enduring Freedom am Horn von Afrika werde die Ausübung des Terrors international bekämpft. Können Sie mir sagen, was am Horn von Afrika an terroristischen Strukturen zerschlagen, was an bewaffneten Schiffen aufgebracht worden ist, was an Terroristen festgenommen worden ist? Nichts, weil es das nicht gibt. Aber ich bin gespannt auf Ihre Gedankenführung, darauf, dass Sie mir das beantworten, damit ich das verstehen kann.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Erst einmal, Herr Kollege Gehrcke, habe ich mich nicht Ihrer widersprüchlichen Argumentation bedient. Deshalb bin ich auch nicht bereit, auf ein falsches Zitat zu reagieren und mir unterstellen zu lassen, ich hätte den Zusammenhang zu OEF hergestellt, den Sie gerade behauptet haben.

Ich habe gesagt, dass die Vereinten Nationen selber festgestellt haben, dass die Terrorgefahr, die sich vor allem in den Anschlägen vom 11. September manifestiert hat, nach wie vor besteht, und dass die Maßnahmen, die der Sicherheitsrat getroffen hat, noch nicht ausreichen, um den Terrorismus so effektiv zu bekämpfen, dass man annehmen kann, dass von al-Qaida keine Gefahr mehr ausgeht.

Um Ihre Frage zu beantworten - Sie haben nach dem Horn von Afrika gefragt -: Zum Beispiel ist Somalia ein Rückzugsraum für den internationalen Terrorismus gewesen. Es ist im vergangenen Jahr glücklicherweise gelungen, die Union der Islamischen Gerichtshöfe aus diesem Land, jedenfalls aus den großen Städten dieses Landes, zu vertreiben.

Ich will darauf hinweisen, dass gegenüber, auf der Nordseite des Golfs von Aden, Jemen liegt, dessen östlicher Teil nur eingeschränkt unter Regierungskontrolle steht und deshalb ebenfalls als Rückzugsgebiet für Terroristen gilt. An der östlichen Küste des Jemens haben Terroristen im Oktober 2002 den französischen Tanker ?Limbourg“ angegriffen. Vor dem 11. September gab es im Jemen einen Angriff auf den US-Zerstörer ?USS Cole“. Dass es nicht zu weiteren solcher Anschläge gekommen ist, ist ein wesentlicher Erfolg des Einsatzes unserer Marine am Horn von Afrika. Die Seewege dort zu sichern, damit internationaler Terrorismus keine weiteren Anschläge dieser Art durchführen kann, ist der Zweck dieses Einsatzes.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Rechtslage ist nach Auffassung der Vereinten Nationen und übrigens auch der afghanischen Regierung - die von mir gerade vorgetragene Rechtsauffassung hat die afghanische Regierung durch die Unterzeichnung des Afghanistan Compact ausdrücklich bestätigt - eindeutig, und kein ernst zu nehmender Vertreter dieses Hauses kann behaupten, dass die Gefahr des internationalen Terrorismus trotz aller Fortschritte, die wir in Afghanistan beobachten können, tatsächlich eingedämmt ist. Daher muss ich sagen: Herr Außenminister, ich habe es für falsch gehalten, dass Sie diese Rechtsgrundlage problematisiert haben.

Vor diesem Hintergrund halte ich auch den Beschluss des SPD-Bundesparteitages für falsch. Denn wir haben eine eindeutige völkerrechtliche Grundlage. Wenn diese völkerrechtliche Grundlage problematisiert wird, dann stellt sich die Frage, warum dies geschieht.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Grundlage ist eine Gummimatte!)

Ich kann mir vorstellen: Ein Grund ist gewesen, mit entsprechenden Beschlüssen über den Bundesparteitag hinwegzukommen. Ein solches Infragestellen unseres internationalen Engagements in Afghanistan droht in der Form missverstanden zu werden - diese Gefahr droht -, dass wir uns aus Afghanistan zurückziehen wollen, bevor die Aufgabe dort erledigt ist. Das erschwert die ohnehin schon bemerkenswerte und schwierige Aufgabe, die unsere Soldatinnen und Soldaten und unsere zivilen Helfer dort zu erledigen haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Der Kollege Paul Schäfer hat das Wort für die Fraktion Die LINKE.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage ?Zivilisierung oder Entzivilisierung der internationalen Beziehungen“ wird nicht zuletzt dadurch beantwortet, ob das Völkerrecht strikt umgesetzt wird oder nicht.

"Enduring Freedom" ist eine militärische Koalition der Willigen ohne UN-Mandat,

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

und deshalb trägt sie nicht zur Zivilisierung bei. Im Gegenteil: Militärische Macht wird an die Stelle des Rechts gesetzt, und daher lehnen wir entschieden ab, dass sich Deutschland daran weiter beteiligt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Lieber Kollege von Klaeden, es gibt eben kein endloses, territorial und zeitlich entgrenztes Verteidigungsrecht. Das Selbstverteidigungsrecht endet in der Tat, wenn die UNO aktiv wird. Das ist der Kern jeder Vorstellung von kollektiver Sicherheit: Die UNO ist zuständig für die Wahrung des Weltfriedens; wenn sie aktiv wird, endet das Selbstverteidigungsrecht. Genau das ist der Punkt.

Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen: Kampf gegen Terrorismus ist Kampf gegen Schwerstkriminalität und kein Krieg. Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Wenn Sie, Herr von Klaeden, diese beeindruckende und erschreckende Liste mit Gewaltakten vorlegen, dann sollten Sie einmal einen Moment innehalten und überlegen, inwieweit diese Zunahme an Gewalttaten auch etwas mit dem Krieg im Irak und in Afghanistan zu tun hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Vielleicht gehört zur Bilanz des War on Terrorism, dass andere westliche Staaten oder wir in Afghanistan zum Beispiel einen Geheimdienst mit aufbauen, der, wie wir jetzt wissen, Gefangene foltert.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Auch das trägt doch offensichtlich dazu bei, dass Terroristen einen Resonanzboden haben.

Ich finde, wir müssen uns zentral mit Afghanistan beschäftigen, aber auch mit dem Einsatz am Horn von Afrika, an dem die Bundesmarine beteiligt ist. Mit der Bekämpfung von Terroristen hat das so gut wie nichts zu tun. Es geht, wie der Minister selber sagt, um die Herstellung der Seesicherheit. Auch da stellt sich die Frage: Wer hat denn diese Militärkoalition damit beauftragt, wer hat sie mandatiert? Das ist doch die entscheidende Frage. Ich kann verstehen, dass der Bundesaußenminister jetzt Skrupel hat und sagt, dass man das gefälligst unter UN-Mandat stellen soll. Aber Skrupel allein genügen nicht. Es geht um konsequentes Verhalten. Das heißt für uns, die deutsche Beteiligung an OEF zu beenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen selber, dass es eigentlich nur um den Abschreckungseffekt geht. Konkrete Ergebnisse gibt es nicht beim Einsatz am Horn von Afrika. Sie haben dort keinen Terroristen gefangen genommen. Sie überprüfen aber viele Schiffe. In diesem Zusammenhang wird gern verschwiegen, aber man muss es sagen: Es ging bei OEF in den Jahren 2002 und 2003 darum, den Aufmarsch der US-Militärkoalition im Irak zu decken. Vergessen wir das nicht. Auch die deutsche Marine hat US-Kriegsschiffe eskortiert, die für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Marsch gesetzt wurden. Im Jahr 2004 hat man das Einsatzgebiet von OEF mir nichts, dir nichts nach Osten hin ausgeweitet, offensichtlich um die USA im Irak zu entlasten, die dort zunehmend unter Druck geraten sind. Auch das gehört zur Wahrheit von OEF.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Das ist nicht nur Vergangenheit. Wenn die Bush-Regierung sich entschließen sollte, gegen den Iran militärisch vorzugehen, dann wären auch deutsche OEF-Einheiten zumindest mittelbar in Form von Unterstützungsleistungen dabei. Darauf wette ich. Das allein ist für uns ein ausreichender Grund, zu fordern, dass die Fregatte ?Augsburg“ und die anderen Schiffe unverzüglich zurückgezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Sie selbst müssen doch in Ihrer Bilanz von OEF Folgendes zugeben: In Somalia hat die tägliche Gewalt zugenommen. In Äthiopien und Eritrea bleiben die Spannungen erhalten. Die Eindämmung der Piraterie - auch das war eine Zeit lang auf Ihrem Ticket; Sie haben gesagt: Dazu tragen wir bei - war nicht erfolgreich. Die Zahlen steigen wieder. Also findet auch das nicht statt.

Sie haben also Terroristen nicht gefangen genommen, keine Stabilisierung in der Region erreicht, aber Truppen für Kriege von NATO-Mitgliedstaaten instrumentiert. Man exerziert schon ein bisschen, was die NATO eventuell zukünftig machen will, nämlich Handelswege und Ressourcennachschub für die entwickelten Industriestaaten militärisch abzusichern. Genau das wollen wir nicht. Deshalb ist es höchste Zeit, aus OEF auszusteigen.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Der Kollege Niels Annen ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.

Niels Annen (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, Herr Kollege Schäfer, dass die Debatte den Anforderungen einer Debatte über eine Parlamentsarmee, so wie wir sie in Deutschland haben, bisher gerecht geworden ist. Eine Ausnahme ist bedauerlicherweise Ihr Beitrag. Ich finde, dass Sie die Menschen mit Spekulationen und Wetten über Kriege, die noch gar nicht geführt werden, und Beteiligungen, die an den Haaren herbeigezogen werden, nicht verängstigen sollten. Wir haben es hier mit einer ernsten Frage zu tun, über die wir auch ernsthaft diskutieren sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Denn es kann doch gar kein Zweifel daran bestehen, dass nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der Bevölkerung viele kritische Fragen gestellt werden. Sie haben einige davon aufgeworfen. Tun Sie doch nicht so, als ob über diese Fragen im Deutschen Bundestag nicht ernsthaft diskutiert würde!

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Viel zu wenig!)

Ich finde es ein wenig merkwürdig, wenn Sie sich hier hinstellen und Ihre Argumentation einzig und allein auf einen formalen Gesichtspunkt stützen und fokussieren, den Sie nicht in der Lage sind zu belegen. Der politischen Frage, die hier im Mittelpunkt steht, müssen Sie sich stellen. Man kann doch gar nicht leugnen, dass sich in den letzten Monaten und Jahren die Praxis von OEF dramatisch zum Positiven hin verändert hat, auch auf Grundlage der Initiative von Abgeordneten aus diesem Hause und der deutschen Bundesregierung. Ich finde, Sie sollten das zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir politisch darüber diskutieren, dann müssen wir die Frage stellen, ob die Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus wirksam sind. Ich finde, es ist nicht ehrlich, sich hier hinzustellen und so zu tun, als ob die Bundesrepublik Deutschland und ihre Regierung die Absicht gehabt hätten, weltweit irgendwo Kriege zu führen. Der Grund dafür, dass sich Deutschland an den internationalen Missionen ISAF und OEF beteiligt, sind die Anschläge vom 11. September; das ist die Wahrheit. Die Wahrheit ist auch, dass wir mit den Ergebnissen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht zufrieden sein können. Die Wahrheit ist auch, dass es Fehlentwicklungen gegeben hat. Und die Wahrheit ist, dass wir diese Fehlentwicklungen benennen müssen. Das ist unsere Politik.

Auch ich bekomme Anrufe, Briefe und E-Mails; ich höre kritische Redebeiträge und die Fragen von besorgten Bürgerinnen und Bürgern: Was macht ihr eigentlich in Afghanistan und weltweit? Man muss sich Zeit nehmen, diese Sorgen ernst nehmen und die Fragen beantworten.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ja!)

Eine Antwort ist, dass wir einen Strategiewechsel eingeleitet haben; der Außenminister hat sich dafür eingesetzt. Wir stellen uns eben nicht hier hin und sagen, da würden irgendwelche Rechtsgrundlagen infrage gestellt; das hat keiner hier getan.

Der SPD-Bundesparteitag hat gesagt - ich bin froh darüber, dass das die Politik der Bundesregierung geworden ist -: Wir bemühen uns darum, eine andere Grundlage zu schaffen. Das ist die Wahrheit; darum geht es.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir bemühen uns darum, die Teile der OEF, die weiterhin notwendig sind, in das unumstrittene ISAF-Mandat zu integrieren.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Wo ist denn Ihr Antrag dazu?)

Ein Punkt ist entscheidend: Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in Afghanistan nicht - Sie versuchen immer ein wenig, es so darzustellen - in einem Protektorat bewegen. Mit dem Einsatz der Bundesregierung und der deutschen Soldaten haben wir dazu beigetragen, dass es eine souveräne afghanische Regierung gibt. Diese souveräne Regierung hat dem Einsatz zugestimmt. Wir müssen darauf achten, dass wir mit unseren Maßnahmen die Legitimität der Regierung Karzai stärken. Das eröffnet nämlich die einzige Möglichkeit, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Dabei bitte ich auch Sie, meine Damen und Herren, um Ihre Unterstützung.

Es geht darum, dass der eigentliche Schwerpunkt unserer Bemühungen auf dem zivilen Aufbau liegen muss, und zwar in Afghanistan und darüber hinaus. Das Mandat, über das wir heute zu entscheiden haben, bezieht sich nämlich - das ist gesagt worden - nicht nur auf Afghanistan.

Ich möchte einer persönlichen Sorge Ausdruck verleihen. In den letzten Jahren gab es eine Entwicklung im Rahmen dessen, was die amerikanische Administration als Krieg gegen den Terrorismus bezeichnet, die dazu führte, dass es Zweifel an der Art und Weise gibt, wie dort Krieg geführt wird. Sie alle kennen die Beispiele: Guantánamo, Abu Ghureib. Wir dürfen keinen Zweifel daran lassen, dass wir diejenigen, die unsere demokratische Grundordnung bekämpfen wollen, mit rechtsstaatlichen Mitteln zurückweisen. Ich glaube nicht, dass man einen Krieg gegen den Terrorismus gewinnen kann. Deswegen führen wir keinen Krieg gegen den Terrorismus,

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert (SPD))

sondern unterstützen diejenigen, die sich in Afghanistan und weltweit für demokratische Rechte und für eine internationale rechtsstaatliche Ordnung einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Darum geht es; das muss die Botschaft des Deutschen Bundestages sein.

Ich möchte Ihnen ganz offen sagen: Ich bedauere es sehr, dass die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion nicht bereit waren, den von uns eingebrachten Antrag zu unterstützen;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

denn ich glaube - bitte erlauben Sie mir dieses offene Wort -, dass auch Sie sich den Fragen stellen sollten, die ebenfalls an Sie gerichtet werden. Wir haben an der Stelle etwas vorzuweisen. Der Charakter unseres Engagements hat sich in den letzten Jahren verändert; das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen. Wenn wir heute über ISAF und OEF reden, dann stellen wir das Ziel einer selbsttragenden Sicherheit in den Mittelpunkt; der Bundesverteidigungsminister hat diesbezüglich wichtige Initiativen ergriffen. Es hätte Ihnen gutgetan, dieses Ziel in einen gemeinsamen Antrag einfließen zu lassen. Das hätte für jene Klarheit gesorgt, welche dieses Parlament und die Bundesrepublik benötigen, wenn sie sich auf internationaler Ebene für dieses Ziel einsetzen wollen.

Eines möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, reden immer von internationaler Solidarität und betonen den internationalistischen Aspekt.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Zu Recht! - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Die Sozialdemokratie hat darüber auch mal geredet! Das ist aber schon lange her!)

- Natürlich. - Was Sie dabei vergessen, ist, dass sich Deutschland nicht alleine am Wiederaufbau in Afghanistan und an der Operation Enduring Freedom beteiligt hat.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Nein! Immer an der Seite der USA, an der Seite von Bush!)

Wenn wir nicht in der Lage und nicht willens sind, uns mit unseren Bündnispartnern an einen Tisch zu setzen - in Italien, Japan und Kanada werden übrigens ähnliche, zum Teil sogar die gleichen Diskussionen wie bei uns geführt -, dann senden wir ein falsches Signal, Herr Gehrcke.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ihre Botschaft heißt: Solidarität mit Bush!)

Deswegen sage ich Ihnen: Der Weg, den wir auf dem SPD-Bundesparteitag aufgezeigt haben, verlangt vielleicht ein wenig Geduld, auch von Ihnen, und ein wenig Zeit. Er bedeutet aber verantwortliches Handeln. Wenn wir diesen Weg gehen, können wir die Verantwortung, die wir und unser Land an dieser Stelle übernommen haben, wahrnehmen.

Nutzen wir die Möglichkeit, die uns die heutige Verlängerung des OEF-Mandats bietet, um diese politischen Schwerpunkte zu setzen, auch im Gespräch mit unseren Bündnispartnern! Benennen wir offen die Probleme! Werden wir den Anforderungen, die die Menschen in Deutschland zu Recht an uns, den Deutschen Bundestag, und an eine Parlamentsarmee stellen, gerecht! Verlängern wir dieses Mandat, befassen wir uns aber auch mit den schwierigen und strittigen Fragen, wie es der Außenminister in seiner Rede deutlich gemacht hat!

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält der Kollege Gert Winkelmeier.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Gert Winkelmeier (fraktionslos):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Debatte zur Einbringung des Antrags auf Verlängerung des OEF-Mandats am vergangenen Donnerstag hat an einer Stelle ganz deutlich gemacht, wie wenig sich die Koalitionsfraktionen, insbesondere die CDU/CSU, um internationales Recht und Gesetz kümmern. Für seine Kurzintervention in dieser Debatte bin ich dem Kollegen Wolfgang Gehrcke ausgesprochen dankbar. Der Kollege zu Guttenberg hat in seiner Replik nämlich nicht nur die im Hinblick auf den Kriegseinsatz in Afghanistan untauglichen Resolutionen 1368 und 1373 des UN-Sicherheitsrats als Rechtsgrundlagen von seinem Spickzettel abgelesen. Nein, er hat auch noch die Resolutionen 1386 und 1444 genannt, die rein gar nichts mit OEF zu tun haben, sondern die Grundlage für den ISAF-Einsatz bilden. Ich sage das vor einem sehr ernsten Hintergrund; denn auch die Bundesregierung hat in ihrem Antrag die Resolutionen 1368 und 1373 zur Begründung des OEF-Mandats in Afghanistan herangezogen.

Es gibt eine exakt formulierte Grenze für exekutives Handeln. Diese Grenze heißt: Es gibt kein exekutives Handeln außerhalb des Rechts. So steht es im Kernartikel des Grundgesetzes, in Art. 20 Abs. 3. Dieser Artikel gilt auch für unser parlamentarisches Handeln. Deswegen müssen wir uns sehr sorgfältig damit auseinandersetzen, ob der OEF-Einsatz rechtmäßig ist.

In den beiden genannten Resolutionen steht nichts, aber auch gar nichts von Krieg als Mittel zur Beseitigung des Terrorismus in Afghanistan. Wenn man beide Resolutionen sehr aufmerksam liest - offenkundig hat das aber kaum jemand von der Regierungskoalition getan -, stellt man fest: In keiner der beiden Resolutionen hat der Sicherheitsrat die NATO oder die USA zur Durchführung militärischer Aktionen bzw. zur Anwendung von Gewalt ermächtigt. In Resolution 1368 fordert der Sicherheitsrat - ich zitiere -

alle Staaten dingend zur Zusammenarbeit auf, um die Täter, Organisatoren und Förderer dieser Terroranschläge vor Gericht zu stellen, und betont, dass diejenigen, die den Tätern, Organisatoren und Förderern dieser Handlungen geholfen, sie unterstützt oder ihnen Unterschlupf gewährt haben, zur Verantwortung gezogen werden...

Kein Wort von militärischer Gewalt! Allein der Sicherheitsrat wäre berechtigt, sie anzuordnen.

Falls Sie mir darauf entgegnen wollen, dass die USA Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen, also das Recht auf Selbstverteidigung, in Anspruch genommen haben, woraufhin die NATO den Bündnisfall ausgerufen hat, will ich Art. 51 der UN-Charta zitieren:

Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich wiederhole den letzten Halbsatz:

… jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er

- also der Sicherheitsrat -

zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.

Im Übrigen ist es in der Diskussion unter Völkerrechtlern völlig strittig, ob ein Terroranschlag eines nichtstaatlichen Akteurs das Recht auf Selbstverteidigung begründen darf.

Mit seiner Resolution 1373 ist der Sicherheitsrat am 28. September 2001, 17 Tage nach den Anschlägen vom 11. September, seiner Verpflichtung nach Art. 51 der UN-Charta nachgekommen. Auch mit dieser Resolution ermächtigt der Sicherheitsrat nicht zur Anwendung militärischer Gewalt. Vielmehr ruft er die Staatengemeinschaft auf, bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auf folgenden Gebieten zusammenzuarbeiten: auf politischen, gesetzgeberischen, polizeilichen, wirtschaftlichen und rechtlichen, um den Terrorismus auszutrocknen.

Spätestens aber als der Sicherheitsrat am 20. Dezember 2001 mit seiner Resolution 1386 im Einvernehmen mit der provisorischen Regierung Afghanistans die von der NATO geführte ISAF-Mission nach Kapitel VII der Charta zur Anwendung militärischer Gewalt ermächtigte, war jede Legitimationsgrundlage für die Operation Enduring Freedom entfallen

(Beifall der Abg. Heike Hänsel (DIE LINKE))

und auch das Recht auf Selbstverteidigung erschöpft.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Nun ist ja in der Frage "OEF in Afghanistan" Bewegung in den Bundestag gekommen: bei den Grünen - wir haben es heute gehört - und auch in der SPD; so interpretiere ich jedenfalls den Gastbeitrag der Kollegen Dr. Bartels und Frau Mogg in der Zeitung Die Welt, in dem es heißt: nachdenken über OEF. Dazu kann ich nur sagen: Machen Sie keine halben Sachen! Werfen Sie den OEF-Einsatz in Afghanistan dorthin, wo er hingehört, nämlich auf den Müllhaufen der Geschichte!

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

OEF verschlechtert die Sicherheitslage für die Menschen in Afghanistan. Deshalb kann die Entscheidung heute nur lauten: keine Zustimmung für den OEF-Einsatz!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch einen Redner. Danach wird abgestimmt. Deswegen empfehle ich doch sehr, bis dahin noch Platz zu nehmen. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch einzelne Plätze.

Herr Kollege Ströbele, könnten vielleicht auch Sie als leuchtendes Beispiel für andere Kolleginnen und Kollegen einen der zahlreichen Plätze einnehmen?

Das Wort erhält nun als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Karl Lamers für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! ISAF gut, OEF schlecht - so hört man es, so liest man es. Ich meine, so kann man es nicht stehen lassen. Den Eindruck zu erwecken, die einen bauen das Land auf und die anderen werfen Bomben, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Um gleich der Linken, insbesondere Ihnen, Herr Gehrcke, eine passende Antwort zu geben: Nicht wir führen Krieg am Hindukusch, sondern allein die Taliban, und zwar gegen ihr eigenes Volk.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir kämpfen gegen den Terror, und das ist notwendig.

Das ist auch die Antwort auf die Frage, warum wir bei OEF mitmachen: Wir müssen den international agierenden Terrorismus an seinen Wurzeln bekämpfen. Wenn wir eines aus dem 11. September 2001 und aus den vielen nachfolgenden Anschlägen gelernt haben, dann ist es genau das: Kein Staat, keine westliche Demokratie kann sagen, dass sie vor dem Terrorismus sicher ist, auch Deutschland nicht. Als Teil der Weltgemeinschaft und als NATO-Partner sind wir in unserem ureigenen Interesse verpflichtet, einen wirksamen Beitrag zu dem Ziel zu leisten, den Terror entscheidend zu treffen und handlungsunfähig zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Genau diesem Ziel dienen die Einsätze im Rahmen der Operation "Enduring Freedom": in Afghanistan, am Horn von Afrika sowie im Rahmen der Operation "Actice Endeavour" im Mittelmeer.

Wesentlich ist: Wir dürfen nicht warten, bis terroristische Gewalttäter bei uns zuschlagen. Wir müssen dort einen Beitrag leisten, wo die Bedrohung entsteht. Bedrohungen müssen wir an der Quelle bekämpfen. Wir müssen im Vorfeld verhindern, dass sie uns hier in Berlin, in Heidelberg, in Weinheim oder in München erreichen. Wir dürfen zum Beispiel nicht zulassen, dass die Taliban Afghanistan wieder als Rekrutierungs-, Ausbildungs- und Rückzugsbasis nutzen, wie sie es schon vor dem 11. September 2001 getan haben. Wer heute, wie die Linke, aus populistischen Gründen aus Afghanistan herausgehen will, der macht den Export von Terror erneut möglich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen die Menschen in Afghanistan weiter auf ihrem Weg begleiten, sich selbst wieder einen Staat aufzubauen, auf den sie stolz sein können. Nation-Building - das ist unsere Hauptaufgabe. Die ISAF-Mission zielt darauf ab, den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aufbau des Landes zu unterstützen. Die OEF trägt dazu bei, dass die ISAF diesen Auftrag erfüllen kann.

Terroristen wollen all dies nicht. Sie wollen Terror und Zerstörung. Sie sind nicht die Robin Hoods der heutigen Zeit, die das Land befreien wollen. Nehmen Sie nur den letzten Anschlag in Baghlan, bei dem 75 Menschen, darunter 60 Schulkinder, getötet und 100 weitere verletzt wurden. Die Taliban sind Menschen, die keine Rücksicht, keine Grenze und keine Gnade kennen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie stehen für Zerstörung; wir stehen für Aufbau und eine positive Zukunft Afghanistans. Sie wollen Diktatur; wir wollen Demokratie. Sie wollen Terror und Anarchie; wir wollen Stabilität und Fortschritt. Wir wollen inneren Frieden für Afghanistan.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Lamers, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nachtwei zulassen?

Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU):

Bitte schön, Herr Kollege Nachtwei.

Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Kollege Karl Lamers, Sie sind der letzte Sprecher der Koalition in der Debatte über die weitere Beteiligung Deutschlands an der Operation ?Enduring Freedom“. Sie haben, wie Ihre Kollegen auch, zum "Wofür" Stellung genommen. Die Beantwortung einer entscheidenden weiteren Schlüsselfrage vermisse ich bisher aber. Sie lautet: Wie wirksam war und ist die Operation "Enduring Freedom" in Afghanistan? Ich stelle diese Frage seit zwei Jahren immer wieder an die Bundesregierung, habe bisher aber keine konkrete Antwort darauf bekommen. Sie haben jetzt die Chance, diese meilenweit offene Frage für die Koalition endlich zu beantworten. - Bitte schön.

Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Kollege Nachtwei, ich danke Ihnen für diese Frage. Wenn Sie noch zwei Minuten Zeit haben und dem Schluss meiner Rede zuhören, dann werden Sie eine direkte, klare und perfekte Antwort auf genau diese Frage bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ISAF und OEF sind keine Gegensätze; sie ergänzen sich, ja, sie bedingen einander. Der Aufbau Afghanistans, den wir alle wollen, ist ohne aktive Terrorbekämpfung nicht möglich. Zu Recht beklagen wir Menschenverluste unter der Zivilbevölkerung. Jedes Opfer ist eines zuviel. Wahr ist aber auch: Von unserer Seite wird alles getan, um bei militärischen Operationen - insbesondere in bebauten und bewohnten Gebieten - zivile Opfer zu vermeiden. Anders die Taliban; ihre perfide Vorgehensweise, unbeteiligte Zivilisten bewusst in ihre Aktionen einzuspannen, darf nicht der Operation ?Enduring Freedom“ angelastet werden.

Herr Kollege Nachtwei, jetzt sprechen wir einmal über die Erfolge, die wir erzielt haben. Dass ISAF und OEF nun enger miteinander verzahnt sind, geht vor allem auf unser Betreiben zurück. Dass Millionen Kinder, darunter Mädchen, wieder zur Schule gehen dürfen und eine Ausbildung erfahren, dass Frauen wieder studieren dürfen, dass Parlamentarierinnen die Zukunft Afghanistans heute aktiv mitgestalten, und das nach nur sechs Jahren, das ist auch ein Erfolg von OEF in Verbindung mit ISAF. So muss man es sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

OEF leistet heute einen großen Teil der Ausbildung der afghanischen Armee. Das ist gut so; denn wir wollen, dass die Menschen in Afghanistan ihr Schicksal bald selber in die Hand nehmen. Am Horn von Afrika leisten wir einen wichtigen Beitrag, indem wir Verbindungswege sichern, strategisch wichtige Seepassagen vor terroristischen Anschlägen schützen und zugleich Terroristen den Weg in Rückzugsgebiete versperren. Herr Kollege Nachtwei, das alles dient letztlich auch unserem Schutz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Am Montag dieser Woche beging die Bundeswehr den 52. Jahrestag ihrer Gründung. Ich denke, wir sind uns einig: Unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben in diesen Jahrzehnten für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gewirkt und werden dies auch weiter tun. Dafür Dank und Respekt!

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU):

Operation "Enduring Freedom", das heißt Operation "dauerhafte Freiheit". Ich schließe mit dem Satz des Schriftstellers William Allen White: Freiheit ist das Einzige, das man nicht haben kann, wenn man nicht gewillt ist, es andern zu geben. - Wir sind dazu bereit und sagen deshalb Ja zu OEF.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war keine Antwort auf meine Frage!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/7140 zum Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA. Dazu liegt mir eine Reihe von persönlichen Erklärungen zur Abstimmung vor, die dem Protokoll beigefügt werden.

Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/6939, zuzustimmen. Dazu ist eine namentliche Abstimmung verlangt.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.

Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme bislang nicht hat abgeben können?

Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wie immer werden wir Ihnen das Ergebnis der Abstimmung später bekanntgeben.

Ich setze die Abstimmungen fort, sobald ich den Eindruck habe, dass mindestens die große Mehrheit der Anwesenden nachverfolgen kann und will, worüber jetzt weiter abgestimmt werden soll. - Wer bleibt, möge bitte Platz nehmen. Die anderen mögen bitte den Plenarsaal verlassen.

Tagesordnungspunkt 6 b. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/7142 zum Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke zum Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte. Der Ausschuss empfiehlt, diesen Entschließungsantrag auf Drucksache 16/6971 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die große Mehrheit. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/7161. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Quelle: www.bundestag.de


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