Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan um ein weiteres Jahr

Der Beschluss des Bundestags im Wortlaut (Drucksache 15/3710)

Unter Punkt 5. "Fortsetzung der Beteilung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter der Führung der NATO" beriet der Bundestag am 30. September abschließend über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan.
Erwartungsgemäß hat er die Verlängerung um ein Jahr mit großer Mehrheit beschlossen. 509 Abgeordnete stimmten für den Antrag der Bundesregierung, 48 dagegen, drei enthielten sich. Als einzige Fraktion hatte sich die FDP vorab gegen die Verlängerung ausgesprochen. Gegen den Bundeswehreinsatz stimmten auch die beiden PDS-Abgeordneten.
Das bisherige Mandat war bis zum 13. Oktober 2004 befristet.

Das Mandat umfasst neben Kabul auch den bei der Opposition umstrittenen Einsatz von Regionalen Wiederaufbauteams in Kundus und Faisabad. Das deutsche Kontingent innerhalb der internationalen Isaf-Schutztruppe ist weiterhin auf 2.250 Soldaten begrenzt, maximal 450 können in der Region Kundus stationiert werden. Die Kosten sollen 310 Millionen Euro betragen.

Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) verwies darauf, dass die Wiederaufbauteams Bestandteil eines Nato-Sicherheitskonzepts seien. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte, dieses Sicherheitskonzept habe die am 9. Oktober angesetzten Präsidentschaftswahlen erst ermöglicht.
Nach Meinung des CSU-Wehrexperten Christian Schmidt ist die Sicherheit in ganz Afghanistan durch die Isaf-Schutztruppe gestiegen. Dabei habe sich der Einfluss von Präsident Hamid Karsai von Kabul aus auf die Provinzen vergrößert. Sein Unionskollege Friedbert Pflüger (CDU) forderte ein "glaubwürdiges Konzept" des Einsatzes über die Präsidentschaftswahlen hinaus.

Neben der PDS bleib nur die FDP bei ihrer Ablehnung. Außenexperte Werner Hoyer nannte den Einsatz im Norden Afghanistans "nichts Halbes und nichts Ganzes". Sie bleibe eine unmögliche Mission, solange die Drogenbekämpfung in der Region Kundus nicht geklärt sei.

Die Debatte haben wir hier dokumentiert: Militäreinsatz mit Routine beschlossen.

Hier geht es zu einer Kritik aus der Friedensbewegung:
"Fiasko nicht ausgeschlossen"
Friedensbewegung kritisiert Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes (30. September 2004)

Im Folgenden dokumentieren wir den beschlossenen Antrag der Bundesregierung:




Drucksache 15/3710

15. Wahlperiode, 22. 09. 2004

Antrag

der Bundesregierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003 und 1563 (2004) vom 17. September 2004 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag stimmt der von der Bundesregierung am 22. September 2004 beschlossenen Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der NATO-geführten Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF) für weitere 12 Monate über den 13. Oktober 2004 hinaus zu. Die Fortsetzung des Einsatzes erfolgt im Rahmen der Implementierung der „Vereinbarung über provisorische Regelungen in Afghanistan bis zum Wiederaufbau dauerhafter Regierungsinstitutionen (Bonner Vereinbarung)“ vom 5. Dezember 2001 sowie der „Berliner Erklärung“ der Internationalen Afghanistan- Konferenz vom 1. April 2004 und auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003 und 1563 (2004) vom 17. September 2004 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.

Der Einsatz ist bis zum 13. Oktober 2005 befristet.

Im Übrigen gelten für die Fortsetzung des Einsatzes die Regelungen der Beschlüsse der Bundesregierung vom 21. Dezember 2001, dem der Deutsche Bundestag am 22. Dezember 2001 zugestimmt hat (Bundestagsdrucksache 14/7930 vom 21. Dezember 2001), vom 5. Juni 2002, dem der Deutsche Bundestag am 14. Juni 2002 zugestimmt hat (Bundestagsdrucksache 14/9246 vom 5. Juni 2002), vom 3. Dezember 2002, dem der Deutsche Bundestag am 20. Dezember 2002 zugestimmt hat (Bundestagsdrucksache 15/128 vom 3. Dezember 2002), und vom 15. Oktober 2003, dem der Deutsche Bundestag am 24. Oktober 2003 zugestimmt hat (Bundestagsdrucksache 15/1700 vom 15. Oktober 2003), sowie die Protokollnotiz des Bundesministers des Auswärtigen und die Erklärung des Bundesministers der Verteidigung vom 22. Oktober 2003 (Bundestagsdrucksache 15/1806) fort.

2. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die Fortsetzung der deutschen Beteiligung am Einsatz ISAF werden für den Zeitraum von 12 Monaten insgesamt rund 310 Mio. Euro betragen. Hinsichtlich der Verlängerung des Einsatzes ist im Einzelplan 14 sowohl für die im Haushaltsjahr 2004 voraussichtlich anfallenden einsatzbedingten Zusatzausgaben (47,2 Mio. Euro) als auch die im Haushaltsjahr 2005 voraussichtlich zu erwartenden einsatzbedingten Zusatzausgaben (262,8 Mio. Euro) Vorsorge getroffen worden.

Begründung

Durch das Engagement der Internationalen Gemeinschaft in Afghanistan ist es innerhalb von drei Jahren gelungen, dieWeichen in Richtung Stabilisierung und Aufbau eines neuen, demokratischen Staatswesen zu stellen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das Land nicht erneut zu einem sicheren Hafen für internationale Terroristen wird. Ein großer Erfolg war die Annahme einer neuen afghanischen Verfassung durch die Verfassungsgebende Loya Jirga am 4. Januar 2004, die demokratische Prinzipien und die Achtung der Menschenrechte verankert. Die für den 9. Oktober 2004 terminierten Präsidentschaftswahlen sowie die für Frühjahr 2005 geplanten Parlamentswahlen sind abschließende Schritte des Petersberg-Prozesses. Ein positives Zeichen ist auch die Rückkehr von laut UNHCR etwa 3 Millionen Flüchtlingen.

Die Sicherheitslage ist trotz der erreichten Fortschritte weiterhin nicht stabil. Der wirtschaftliche Aufbau des Landes und die Verbesserung der sozialen Situation der Bevölkerung stehen erst am Anfang. Eine vordringliche Aufgabe für die afghanische Regierung ist auch die Zurückdrängung von Drogenanbau und Drogenhandel. Afghanistan ist angesichts all dieser Herausforderungen, vor allem bei der Reform des Sicherheitssektors, bei der Überwachung der Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kombattanten, der Absicherung von Wahlen sowie bei Wiederaufbau und Entwicklung weiterhin auf die Unterstützung der Internationalen Gemeinschaft angewiesen. Eine Fortsetzung der Unterstützung Afghanistans durch die Internationale Gemeinschaft, insbesondere durch die sichtbare Präsenz internationaler Sicherheitsunterstützungskräfte, bleibt weiterhin unerlässlich.

Die NATO hat daher auf ihrem Gipfel in Istanbul am 28. Juni 2004 beschlossen, ihr ISAF-Engagement auszubauen, insbesondere durch den Aufbau weiterer „Regionaler Wiederaufbauteams“ (PRT).

Auf Bitten der afghanischen Regierung haben die Vereinten Nationen mit der Resolution 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003 die Ausweitung des bis dahin auf Kabul und Umgebung begrenzten Engagements von ISAF auf ganz Afghanistan beschlossen. Der Beschluss stand in der Kontinuität der Unterstützung, welche die afghanische Regierung im VN-Rahmen bei der Umsetzung der „Vereinbarung über provisorische Regelungen in Afghanistan bis zum Wiederaufbau dauerhafter Regierungsinstitutionen (Bonner Vereinbarung)“ vom 5. Dezember 2001 zuvor erfahren hatte. Mit der Resolution 1563 (2004) vom 17. September 2004 hat der Sicherheitsrat die Fortsetzung dieses Mandats für ein Jahr beschlossen.

Der ISAF-Einsatz hat unverändert das Ziel, die vorläufigen Staatsorgane Afghanistans und ihre Nachfolgeinstitutionen bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Afghanistan so zu unterstützen, dass sowohl die afghanischen Staatsorgane als auch das Personal der Vereinten Nationen und anderes internationales Zivilpersonal, insbesondere solches, das demWiederaufbau und humanitären Aufgaben nachgeht, in einem sicheren Umfeld arbeiten können, und Sicherheitsunterstützung bei derWahrnehmung anderer Aufgaben in Unterstützung der „Bonner Vereinbarung“ zu gewähren. ISAF-Kräfte wirken vor allem auch bei der Absicherung von Wahlen mit. Darüber hinaus gewähren sie auch weiterhin Unterstützung bei der Reform des Sicherheitssektors sowie der Überwachung der Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kombattanten und tragen zur zivil-militärischen Zusammenarbeit bei.

In Umsetzung des am 2. September 2003 vom Bundeskabinett verabschiedeten Afghanistan-Konzepts und im Rahmen der weiteren Implementierung der „Bonner Vereinbarung“ hat die Bundesregierung ihr ziviles und militärisches Engagement in Afghanistan im vergangenen Jahr ausgeweitet. Deutschland hat im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung die Hauptrolle beim Aufbau der afghanischen Polizeikräfte übernommen. Die deutschen Streitkräfte in Afghanistan können seit dem 24. Oktober 2003 sowohl in Kabul und Umgebung als auch in der Region Kunduz (Provinzen Kunduz, Badakhshan, Baghlan und Takhar) und zur mobilen Unterstützung von zeitlich und im Umfang begrenzten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Absicherung von Wahlen in Afghanistan eingesetzt werden. Insgesamt bis zu 2 250 Soldaten, davon bis zu 450 in der Region Kunduz, sind hierfür vorgesehen. Das deutsche „RegionaleWiederaufbauteam“ (Provincial Reconstruction Team, PRT) in Kunduz wirkt inzwischen als wichtiger Katalysator für zivile Unterstützungsleistungen der Internationalen Gemeinschaft in der Region. Die entwicklungspolitische Komponente leistet in Abstimmung mit den afghanischen Partnern einen sichtbaren Beitrag zum Wiederaufbau in der Region. Der Aufbau eines zweiten unter deutscher Leitung stehenden PRTs in Faisabad, mit dem die PRT-Arbeit auch in die entlegene Provinz Badakhshan der Region Kunduz ausgeweitet wird, ist eingeleitet. Damit steigt die Anzahl der ISAF-PRTs bis Anfang Oktober 2004 auf fünf, darunter zwei unter britischer sowie eines unter niederländischer Leitung.

Nunmehr gilt es, das bisher Erreichte weiter auszubauen und zu verstetigen. Die Überwindung der Folgen von 25 Jahren Krieg und Bürgerkrieg und derWiederaufbau von zerstörten administrativen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen sind nur in einem längerfristig angelegten, durch Nachhaltigkeit geprägten Prozess zu erreichen.

Die Bundesregierung ist daher bereit, der Bitte der Vereinten Nationen zu entsprechen und weiterhin im Rahmen der Internationalen Gemeinschaft und der NATO zumWiederaufbau Afghanistans und so zu einer dauerhaften Stabilität in einer kritischen Region der Welt beizutragen.



Quelle: Homepage des Bundestags: www.bundestag.de


Zu weiteren Beiträgen über Afghanistan

Zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage