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Friedensbewegung: Truppen abziehen!

Verteidigungsminister ist nicht mutig, sondern gerissen

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel, 7. Februar - Zur Ankündigung des Verteidigungsministers, einen zusätzlichen Kampfverband der Bundeswehr nach Afghanistan zu entsenden, erklärte ein Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel:

Verteidigungsminister Jung ist nicht "mutig", sondern allenfalls gerissen. Seine Einlassungen bei der am Mittwoch abgehaltenen Pressekonferenz haben die Forderungen von USA und NATO-Generalsekretär nach einem größeren Anteil der Bundeswehr im Afghanistankrieg keineswegs "zurückgewiesen". Vielmehr beschloss das Kabinett, eine Schnelle Eingreiftruppe mit einem eindeutigen Kampfauftrag in den Norden Afghanistans zu schicken. Alle Experten bestätigen die Einschätzung, dass die Lage im Norden des Landes zunehmend instabiler wird und die Kämpfe in den kommenden Monaten zunehmen werden. Die Unterscheidung zwischen einem umkämpften Süden und einem relativ "ruhigen" Norden lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten.

Dennoch redet sich die Bundesregierung darauf hinaus, die Kampftruppe nur für gelegentliche Notoperationen (das ist das Wort für Gefechte) einzusetzen. Ansonsten bestehe der Auftrag der deutschen ISAF-Truppe weiterhin darin, den Wiederaufbau in den Nordprovinzen militärisch zu schützen. Doch auch dies ist Augenauswischerei. Denn einmal verlangen gerade die vor Ort arbeitenden zivilen Hilfsorganisationen seit langem eine strikte Trennung von zivilem Aufbau und militärischem Einsatz. Und zum anderen ist die Bundeswehr fast ausschließlich damit beschäftigt, sich selbst zu schützen. Die wenigsten Soldaten verlassen ihre hermetisch abgeriegelten Stützpunkte. Zivile Hilfe findet überwiegend ohne Militär statt.

Wir widersprechen dem Verteidigungsminister auch, wenn er behauptet, die Entsendung der Kampftruppe sei vom bisherigen ISAF-Mandat des Bundestags gedeckt. Das zuletzt am 12. Oktober 2007 verlängerte Mandat enthält weiterhin die Hauptziele "Wiederaufbau" und "Stabilisierung" des Landes. Von offensiver Bekämpfung feindlicher Ziele ist nirgends die Rede. Der Kampfauftrag geht somit eindeutig über das bisherige Mandat hinaus. Wir kommen zu dem Schluss, dass die Bundesregierung mit ihrer Behauptung eine neuerliche Debatte im Bundestag vermeiden will.

Die Friedensbewegung bereitet sich zur Zeit auf die Ostermärsche vor, die sehr stark vom Protest gegen den Afghanistankrieg geprägt sein werden. Die Friedensbewegung kann sich hierbei weiterhin auf eine stabile Mehrheit der Bevölkerung berufen, die ebenfalls den Bundeswehreinsatz ablehnt. Das starrsinnige Festhalten Berlins am militärischen Irrweg beweist nur, wie weit sich die Regierenden von den Wählerinnen und Wählern schon entfernt hat. Das war auch der Grund dafür, dass der Verteidigungsminister mit seiner endgültigen Entscheidung für die Kampftruppe erst die Wahlen in Hessen und Niedersachsen abgewartet hatte. Man wollte dort der kriegsgegnerischen Linkspartei keine zusätzliche Wahlkampfmunition liefern. Daraus schließen wir: Das Setzen auf Militärinterventionen findet in Deutschland keine Mehrheit in der Bevölkerung. Die Regierung entfernt sich immer weiter vom Souverän.

Den Bundestag fordern wir auf, seiner Kontrollpflicht nachzukommen und zu verlangen, dass der Einsatz der Schnellen Eingreiftruppe im Parlament behandelt wird.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski Kassel


Aktuelle Meldungen

Kommandeur: Deutsche müssen sich auf Töten einstellen

Die deutschen Soldaten in Nordafghanistan müssen sich nach der Übernahme der schnellen Eingreiftruppe am 1. Juli nach Ansicht des derzeitigen Kommandeurs aufs Töten einstellen. "Wenn es notwendig ist, müssen sie darauf vorbereitet sein, Leben zu nehmen". Dies sagte der norwegische Kommandeur der Eingreiftruppe (Quick Reaction Force, QRF) in Masar-i-Scharif, Oberstleutnant Kjell Inge Bækken, am Donnerstag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Wenn die QRF von einem der zivil-militärischen Wiederaufbauteams (PRT) angefordert werde, «müssen die Soldaten darauf vorbereitet sein, ihre Waffen abzufeuern».

Er betonte aber zugleich: "Wir sind nicht hier, um Leben zu nehmen, wir sind tatsächlich hier, um sie zu retten."" Die Aufgabe der Eingreiftruppe sei an sich nicht offensiver Natur. "Wir gehen nicht täglich raus, um Aufständische zu finden und sie zu töten. Das ist nicht das Wesen dieser Streitmacht", sagte der Oberstleutnant. "Aber wenn es die Situation erfordert, werden wir offensiv, um die eigenen Kräfte zu verteidigen." Vorrangige Aufgabe der QRF sei es, die afghanische Regierung, die einheimischen Sicherheitskräfte und vor allem das afghanische Volk zu unterstützen.

Bækken sagte, die 240 Soldaten umfassende norwegische schnelle Eingreiftruppe in Nordafghanistan habe seit ihrem Antritt vor zwei Jahren keine Getöteten zu beklagen gehabt. Im vergangenen halben Jahr habe es einen einzigen QRF-Alarm gegeben, zu dem die Soldaten ausgerückt seien. Die QRF werde aber zunehmend auch als manövrierbare Truppe bei geplanten Operationen eingesetzt, etwa zur Unterstützung von PRT-Patrouillen oder der afghanischen Sicherheitskräfte. Es habe in den vergangenen zwei Jahren keine Anforderung gegeben, die QRF zur Unterstützung anderer ausländischer Kräfte im Süden einzusetzen.

Der norwegische Kommandeur sagte, aus seiner persönlichen Sicht sei die Debatte in Deutschland über die Übernahme der Eingreiftruppe durch die Bundeswehr zwar wichtig, aber "überhitzt". Soldaten der Bundeswehr etwa im Wiederaufbauteam in Kundus übernähmen bereits jetzt ähnliche Aufgaben wie die QRF. Auch sie rückten aus, wenn es darum gehe, anderen Soldaten in Not zu helfen. Zwar verzeichne auch der Norden eine zunehmende Zahl an Zwischenfällen, für die Taliban, aber auch Kriminelle und lokale Machthaber verantwortlich seien. Trotzdem sei die Lage deutlich ruhiger als im Süden. "Dies ist nicht Helmand», betonte Bækken. «Die Situation ist nicht so angespannt."

Meldung von dpa, 7. Februar 2008


Umfrage: 86 Prozent gegen Kampfeinsätze der Bundeswehr

Die Mehrheit der Deutschen lehnt Kampfeinsätze deutscher Soldaten in Afghanistan ab. Laut dem ARD-Deutschlandtrend sagten 86 Prozent der Befragten, die Bundeswehr solle grundsätzlich nicht an Kampfeinsätzen teilnehmen. 13 Prozent sprachen sich für solche Einsätze deutscher Soldaten aus. Infratest dimap befragte dazu von Montag bis Dienstag 1000 Wahlberechtigte. Die Umfrage wurde somit ausgeführt, bevor Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Mittwoch die zuvor bereits signalisierte Übernahme einer Schnellen Eingreiftruppe im Norden Afghanistans im Sommer offiziell bestätigte.

Unter den Anhängern von Parteien findet die Beteiligung der Bundeswehr an Kampfeinsätzen laut Umfrage die größte Zustimmung unter Wählern von FDP und Union, von denen 24 Prozent beziehungsweise 17 Prozent solchen Missionen zustimmten. Unter den Anhängern von SPD, Linkspartei und Grünen lag die Zustimmung mit zwölf bis 14 Prozent ähnlich hoch.

Laut Umfrage sprachen sich 55 Prozent der Befragten dafür aus, die Bundeswehr möglichst schnell aus Afghanistan abzuziehen. 42 Prozent gaben an, die deutschen Soldaten sollten dort weiterhin stationiert bleiben. Damit findet der Bundeswehreinsatz in Afghanistan derzeit mehr Zustimmung in der deutschen Bevölkerung, als noch im September des vergangenen Jahres. Zu dem Zeitpunkt sprachen sich 62 Prozent der Befragten für einen Abzug und nur 34 Prozent für eine weitere Stationierung aus.

Meldung von AFP, 7. Februar 2008




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