Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Das Ratschlagsbuch: "Die Rückkehr des Krieges in die Politik"

Außen-, Sicherheits- und Rüstungspolitik zwischen Völkerrecht, Menschenrechten und Machtinteressen. Vorwort und Inhaltsverzeichnis

Nachdem allenthalben Ernüchterung hinsichtlich des „arabischen Frühlings“ eingekehrt ist und die Menschen in Nordafrika und im Nahen/Mittleren Osten weiter auf grundlegende Verbesserungen ihrer ökonomischen, sozialen und politischen Lage warten, spitzen sich die Konflikte auch in anderen Regionen weiter zu (Kongo, Somalia). Die Reaktionen der herrschenden Politik sind von Unverständnis der den Konflikten zu Grunde liegenden realen Probleme und entsprechenden kurzsichtigen „Lösungen“ gekennzeichnet. Dazu gehört die Re-Legitimierung des Militärischen und des Krieges als „normales“ Mittel der Politik.

Das Handeln der Akteure auf der Bühne der internationalen Politik entpuppt sich nicht selten als eigennützige Vertretung nationaler Interessen, die notfalls auch mit brachialer Gewalt durchgesetzt werden. Der Menschenrechtsdiskurs dient hierbei häufig nur als Rechtfertigungsideologie, vom Völkerrecht ist immer seltener die Rede und wenn, dann nur um es den neuen Verhältnissen „anzupassen“. Dieser Band der „Kasseler Schriften zur Friedenspolitik“ enthält grundlegende Analysen zum Weltgeschehen aus friedenspolitischer Perspektive. Zur Sprache kommen etwa die Konflikte im arabischen Raum sowie im Nahen Osten im engeren Sinn, die Diskussion um die Geostrategie der USA in den neuen globalen Konfliktkonstellationen, Fragen des Staatszerfalls, der Menschenrechte und des Völkerrechts sowie der innenpolitische Diskurs um die Rolle der Bundeswehr und der Rüstung.



Peter Strutynski (Hrsg.): Die Rückkehr des Krieges in die Politik. Außen-, Sicherheits- und Rüstungspolitik zwischen Völkerrecht, Menschenrechten und Machtinteressen
Verlag Winfried Jenior: Kassel 2013, 234 Seiten, 15 EUR; ISBN 978-3-928172-13-4 (Kasseler Schriften zur Friedenspolitik Bd. 20)

Mit Beiträgen von:
Ercan Ayboga * Matin Baraki * Christine Buchholz * Sevim Dagdelen * Eugen Drewermann * Alexander Flor * Bernd Hahnfeld * Lühr Henken * Felix Klickermann * Andrea Kolling * Karin Leukefeld * Matthias Leupold * Norman Paech * Hermannus Pfeiffer * Werner Ruf * Lena Sachs * Ulrich Sander * Conrad Schuhler * Michael Schulze von Glaßer * Ingar Solty * Peter Strutynski * Rolf Verleger * Achim Wahl



Im Folgenden veröffentlichen wir das Vorwort zum Buch sowie das Inhaltsverzeichnis. Bezugsmöglichkeiten finden Sie am Ende dieser Datei.

Vorwort

„Rückkehr des Krieges in die Politik“ lautete das Motto des letztjährigen Friedenspolitischen Ratschlags an der Universität Kassel. Er beschäftigte sich zwei Tage lang u.a. mit der Frage, ob es wirklich gerechtfertigt ist, von einer Rückkehr des Krieges zu sprechen, wo doch der Krieg in den letzten Jahrzehnten immer eine Rolle gespielt hat. Es hat sie selbst während der Zeit des atomaren Patts der beiden großen Blöcke gegeben und sie haben nach dem Ende der Blockkonfrontation Ausmaße angenommen, die an Grausamkeit und zum Teil auch Dauer alle bis dahin gängigen Vorstellungen sprengten. Die Formel von der Rückkehr des Krieges in die Politik erscheint dennoch angebracht unter dem Aspekt der von herrschender Seite immer offener vorgenommenen Legitimierung des Krieges als einem „normalen“ Mittel der Politik. Das Clausewitz‘sche Diktum vom Krieg als der „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ feiert fröhliche Urständ‘. Dass Kriege vielfältiger Art in verschiedenen Regionen unserer Welt geführt werden, ist schlimm genug. Dass sie aber wieder in die herrschende Ideologie Eingang gefunden haben, sozusagen salonfähig geworden sind, das ist der eigentliche Skandal auf der diskursiven Ebene.

Damit steht auch das Völkerrecht auf dem Spiel. Seine Bedeutung als einem für die internationalen Beziehungen konstituierenden System bindender Verträge, Abkommen, Regelungen und Verkehrsformen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zusammen mit den 1945 gegründeten Vereinten Nationen sollte es nach den Erfahrungen zweier furchtbarer Weltkriege die allgemein akzeptierte Grundlage für die friedliche Konfliktaustragung zwischen den Staaten dieser Welt bilden. Erst wenn wir uns vergegenwärtigen, was das Völkerrecht für die Entwicklung des Zusammenlebens von über sieben Milliarden Menschen in 194 Staaten geleistet hat, werden wir auch ermessen, was seine Demontage für negative Folgen haben kann. Zu Zeiten des „Kalten Kriegs“ war beileibe auch nicht alles gut in den internationalen Beziehungen. Die vom atomaren „Gleichgewicht des Schreckens“ bestimmte bipolare Weltordnung stellte aber immerhin eine Garantie dar, dass bewaffnete Konflikte territorial begrenzt blieben und jederzeit von den Supermächten unter Kontrolle gehalten werden konnten. Diese Garantie und Kontrolle verschwanden mit der Auflösung des Warschauer Vertragssystems. Zudem kehrten die Kriege auch nach Europa zurück, weil dies der Kontinent ist, in dem der größte Teil der Erbmasse der Sowjetunion und ihrer Verbündeten lag.

Mit dem Ende der Bipolarität hat es auch zu tun, wenn der Prozess der Ethnisierung sozialer Konflikte und der ethnisch-nationalistischen Staatenbildung gespeist wurde und wird durch den Wettlauf der neuen Staaten um die „Gunst“ des hegemonialen Kapitalismus. Es ging ihnen um die Positionierung im weltweiten Wettbewerb, der ihnen vermeintlich aufgezwungen wurde und den sie nun an der Seite der führenden kapitalistischen Staaten besser zu bestehen glaubten. Was sich hier abspielte, kann auf folgenden Nenner gebracht werden: Die Ideologie des Neoliberalismus mit der Übertragung des darwinistischen Prinzips des Überlebenskampfes auf die Sphäre der Ökonomie und der Gesellschaft – diese Ideologie hat mit dem Tod ihrer wichtigsten Repräsentantin, Margret Thatcher, leider nicht abgedankt – fördert nationalstaatliche Egoismen bis hin zu Bestrebungen, sich einen Platz an der Sonne des globalen Wettbewerbs notfalls auch mit Waffengewalt zu erobern.

Das Schlimme für die meist kleinen Staaten, die das versuchen, ist, dass sie sich damit gleichzeitig den Mechanismen eines globalen Wettbewerbs unterwerfen, der nach der Pfeife der ganz Großen tanzt, der G8-Staaten nämlich, oder genauer: der großen Vier, USA, Japan, EU/Bundesrepublik und die Volksrepublik China, der einzige Newcomer der Neuen Weltordnung. Zu diesen Mechanismen gehören auch die Kredite und Auflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, welche die Transformationsökonomien immer stärker in eine Kredit- und Schuldenabhängigkeit bringen, in die "Schuldenfalle", in der die Länder der Dritten Welt schon lange gefangen sind. Es gehört zu den Paradoxien dieses Prozesses, dass sich diese Tendenzen zunehmend auch ins Innere der Europäischen Union verlagern: Griechenland, Zypern, Italien, Portugal und Spanien sind politisch entmündigte Schuldnerstaaten, die mit eisernen Ketten an den Euro gefesselt sind und zu keiner eigenständigen Wirtschafts-, Sozial- und Infrastrukturpolitik mehr fähig sind. Es sind, wenn man so will, failed states, gescheiterte Staaten, die sogar noch weniger Macht besitzen als irgend ein halbwegs funktionierender unabhängiger Staat der Dritten Welt.

Der hier vorgelegte Band der „Kasseler Schriften zur Friedenspolitik“ – erstmals ohne den verstorbenen langjährigen Freund und Kollegen Ralph-M. Luedtke herausgegeben - enthält grundlegende Analysen zum Weltgeschehen aus friedenspolitischer Perspektive. Zur Sprache kommen etwa die Konflikte im arabischen Raum sowie im Nahen Osten im engeren Sinn, die Diskussion um die Geostrategie der USA in den neuen globalen Konfliktkonstellationen, Fragen des Staatszerfalls, der Menschenrechte und des Völkerrechts sowie der innenpolitische Diskurs um die Rolle der Bundeswehr und der Rüstung. Bei den Beiträgen handelt es sich zum großen Teil um Vorträge des letztjährigen Friedenspolitischen Ratschlags sowie der im Sommersemester 2013 abgehaltenen Friedensvorlesung an der Uni Kassel. Es ist nun leider schon zur Gewohnheit geworden, dass ich mich bei den Autorinnen und Autoren für die Überlassung der Manuskripte nicht nur bedanken möchte, sondern mich auch entschuldigen muss für die Geduld, die sie bis zur Drucklegung aufbringen mussten. Ein herzliches Dankeschön geht auch an Erika Wittlinger-Strutynski für die gründliche und zügige Korrektur der meisten Manuskripte.

Peter Strutynski, Kassel, 23. Oktober 2013

Inhalt

Peter Strutynski
Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien … und kein Ende?

Eugen Drewermann
Warum Krieg?

Norman Paech
Die Rückkehr des Krieges in die Politik - Totalangriff auf das Völkerrecht

Bernd Hahnfeld
Kriege von Deutschland aus?
Kann die Bundesregierung den Stationierungsstaaten die Nutzung des deutschen Staatsgebiets oder Luftraumes verbieten?

Conrad Schuhler
Europa und der globale Imperialismus heute

Ingar Solty
Die Logik der imperialen Aggression
Vom Scheitern der Kapitalismusreform im Innern zur neuen Globalstrategie der USA

Achim Wahl
Zur Imperialismusdebatte in Lateinamerika

Hermannus Pfeiffer
„Da draußen herrscht Krieg“
Der profitable Irrsinn: Was auf den Finanzmärkten geschieht und wer dabei gewinnt

Karin Leukefeld
Was habt ihr dem arabischen Frühling in Libyen und Syrien angetan!?

Werner Ruf
Tunesien: Von der Diktatur zur Theokratie?

Christine Buchholz
Ägypten: Zwei Jahre Revolution

Ercan Ayboga
Wasser als Waffe – Das Beispiel Ilisu-Staudamm

Matin Baraki
Elf Jahre Krieg: Afghanistan ohne (Abzugs-)Perspektive

Alex Flor
Indonesien, der islamische Koloss in Südostasien - ohne Frieden, Menschenrechte und Bildung

Rolf Verleger
Weltkrieg um Palästina? Von Lord Balfour bis Hillary Clinton

Felix Klickermann
Die USA und der Krieg in Südostasien. Wie die USA in Vietnam gegen das Völkerrecht verstoßen haben

Matthias Leupold
LIGHTER THAN ORANGE - Zur Entstehung des Dokumentarfilms von 2012

Sevim Dagdelen
Vernetzte Sicherheit verstehen – neue Kriege verhindern

Lühr Henken
„Transformation“ zur „Armee im Einsatz“ – Die Bundeswehr auf dem Weg in den Krieg

Ulrich Sander
Bundeswehreinsatz im Innern, Heimatschutz der „Reserve“ und nun auch noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Lena Sachs
Bundeswehr in Schulen? Ein Beitrag über die Militarisierung des Bildungswesens

Michael Schulze von Glaßer
Krieg der Pixel: Die Darstellung von Militär und Krieg in Videospielen

Andrea Kolling
Rüstungskonversion 2013 - ein Neubeginn? Zum Beispiel das Bremer Konversionsprogramm

Nachruf
Ralph M. Luedtke – homo politicus und homo culturalis

Autorenverzeichnis

Schriftenverzeichnis der AG Friedensforschung


Bezugsadressen: Verlag Winfried Jenior, Marienstr. 5, D-34117 Kassel; Tel.: 0561-7391621, Fax 0561-774148;
E-Mail: Jenior@aol.com
oder
AG Friedensforschung, Tel. 0561/93717974; e-mail: strutype@uni-kassel.de




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