Bundesregierung beschließt "Unterstützungsprojekte für den Irak" - darunter Fuchs-Panzer
Kritik aus der Friedensbewegung: "Erst Panzer - dann Soldaten?"
Eine am 28. September bekannt gewordene, vom Bundessicherheitsrat beschlossene Lieferung von Rüstungsgütern, darunter 20 Fuchs-Panzern, an die im Aufbau befindliche irakische Armee hat kritische Reaktionen herauf beschworen. Im Folgenden dokumentieren wir
die Pressemitteilung der Bundesregierung, worin die "Ausrütungshilfe" bekannt gemacht wird (nachdem allerdings Spiegel-Online bereits wichtige Details publik gemacht hatte!),
eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 28. September zu dem Vorfall, und
eine Presseerklärung des Bonner Netzwerks Friedenskooperative vom selben Tag.
Bundesregierung beschließt gemeinsame Unterstützungsprojekte für den
Irak
Pressemitteilung. Veröffentlicht am: 28.09.2004
In Umsetzung der Beschlüsse des Nato-Gipfels von Istanbul hat die
Bundesregierung Beiträge zur Unterstützung von Ausbildungsmaßnahmen
für die irakischen Streitkräfte geprüft.
Nach Gesprächen mit der irakischen Übergangsregierung und der
Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) wurde ein
gemeinsames Unterstützungsprojekt beschlossen. Kernpunkte sind:
-
Ausbildungsunterstützung: Diese erfolgt zunächst im Bereich des
Betriebes und der Instandsetzung von Fahrzeugen und zwar in
vorhandenen Liegenschaften der Streitkräfte der VAE; Deutschland
macht dafür kurzfristig 20 LKW (5 t) verfügbar; die VAE stellt
die Infrastruktur für die Ausbildung und sorgt für Unterbringung
und Versorgung der deutschen Ausbilder und der auszubildenden
Iraker.
- Die Bundesregierung hat angeboten, über die 20 für die
Ausbildung vorgesehenen LKW hinaus weitere 80 LKW (also
insgesamt 100 LKW, 5 t) sowie 20 geschützte
Mannschaftstransportfahrzeuge, Typ Fuchs, zur Verfügung zu
stellen. Die für den Irak eingeplanten Fahrzeuge sind
unbewaffnet.
Die Möglichkeit weiterer von der irakischen Übergangsregierung
erbetener Ausbildung im Bereich Pionierwesen (Straßen- und Brückenbau)
sowie bei der Sprengmittelbeseitigung wird noch geprüft.
Deutsche Unterstützungsleistungen zur Stabilisierung und zum
Wiederaufbau des Irak sind auch im Bereich des zivilen Wiederaufbaus
(Wasser / Abwasser, Berufsausbildung, Wahlunterstützung), bei der
Ausbildung von Polizisten und im Wirtschaftsbereich (u. a.
substanzieller Schuldenerlass im Pariser Club) vorgesehen bzw. laufen
bereits. Die Implementierung ist vorgesehen, soweit es die
Sicherheitslage vor Ort zulässt.
Friedensbewegung verurteilt Panzerexport
Pressemitteilung-
Erst Panzer - dann Soldaten?
- Friedensbewegung gegen Rüstungsexport in den Irak
- Auflösung des vordemokratischen Bundessicherheitsrats
Kassel, 28. September - Auf heftige Ablehnung in den Reihen der Friedensbewegung sind die Beschlüsse der Bundesregierung gestoßen, Fuchs-Panzer an die irakische Armee zu liefern. Einmal mehr erweist sich die Tätigkeit des Bundessicherheitsrats als Gefahr für die Demokratie und den Frieden in der Welt, heißt es in einer Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zur vorgesehenen Lieferung von - vorerst - 20 Fuchs-Panzern an den Irak.
Der Sprecher des Friedensratschlags wies darauf hin, dass die Rüstungsexportabsicht der Bundesregierung nicht nur der eigenen Beschlusslage widerspricht (den Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung vom Januar 2000), sondern auch die kritische Position der Bundesregierung in der Irakkriegsfrage nachträglich desavouiert.
UN-Generalsekretär Kofi Annan hat vor wenigen Tagen den Irakkrieg als "illegal" bezeichnet. Demnach sind auch die Besatzung und deren Handlungen, einschließlich der Einsetzung einer handverlesenen irakischen Interimsregierung mit den Prinzipien des Völkerrechts nur schwer vereinbar. In einer solchen Situation Waffen an eine im Krieg befindliche Seite zu liefern, macht den Lieferanten zum Kriegsteilnehmer. Der Unterschied zwischen einer direkten Kriegsteilnahme durch die Entsendung von Truppen und einer indirekten Kriegsteilnahme durch die Lieferung von Waffen ist nur noch Kosmetik.
Ausgerechnet in einer Situation, in der in den USA und in Großbritannien über das Scheitern des Irakkrieges öffentlich diskutiert wird, in der andere Nationen, die am Krieg beteiligt waren, sich aus dem Irak zurückziehen, beginnt die Bundesregierung sich als Kriegspartei ins Spiel zu bringen. Damit bringt sie andere Staaten der Europäischen Union in Zugzwang, gefährdet ihre eigene Position als vermittelnde Macht im Nahen Osten und wird zum Angriffsziel des irakischen Widerstands.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag verknüpft seine Ablehnung der Rüstungsexporte mit einer grundsätzlich vorgetragenen Kritik an der Tätigkeit des "Bundessicherheitsrats". Dieses Gremium entstammt vordemokratischen Zeiten: Es tagt geheim und fällt geheime Beschlüsse, die von niemandem - nicht einmal von der Regierung, geschweige denn vom Parlament - hinterfragt werden können. Ein solches Geheimgremium muss aufgelöst werden. Es ist nicht einzusehen, warum die Öffentlichkeit über so weitreichende Entscheidungen wie die über den Export von Rüstungsgütern immer erst im nachhinein und manchmal auch erst durch Zufall erfährt.
F.d. Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Bundesregierung auf „Rutschbahn in den Kombattenten-Status“
PRESSEMITTEILUNG, Bonn 28. September 2004
An diesem Mittwoch tritt der NATO-Ratsbeschluss zur militärischen
Ausbildungshilfe im Irak in Kraft, wenn nicht noch durch ein
Mitgliedsland widersprochen wird. Gleichzeitig werden Pläne der
Bundesregierung bekannt, dass 20 „Fuchs“-Panzer aus Beständen der
Bundeswehr an den Irak geliefert werden sollen. Das Netzwerk
Friedenskooperative wirft der deutschen Regierung vor, damit die
Bundesrepublik ohne Not in das Irak-Desaster zu verstricken und wohl
auch die oft wiederholten Versprechen „keine deutschen Soldaten im
Irak“ brechen zu wollen.
Aufgrund des Widerspruchs von Frankreich und Belgien war der
ursprüngliche NATO-Beschluss zur militärischen Ausbildungshilfe im
Irak revidiert worden. Der neue Beschluss hat die Bedenken zumindest
in den Reihen der Friedensbewegung keinesfalls ausgeräumt. Die NATO
begibt sich damit auf eine „Rutschbahn in den Kombattanten-Status“,
so das Bonner Netzwerk. Die Beschluss--nderungen der NATO betonten
lediglich kosmetisch, dass es sich beim NATO-Beitrag nicht um einen
Kampfeinsatz handele. Die geplante schriftliche Fixierung auf eine
„reine Trainingsmission“ und besonders die Delegation des Schutzes
der NATO-Einheiten auf die Besatzungstruppen erhöhen nach Ansicht
der Friedensorganisation noch das Risiko, dass die NATO-
Ausbildungsmission vor Ort als Teil des Besatzungsregimes
wahrgenommen und bekämpft wird. Die gesamte NATO werde so Partei im
illegitimen Krieg. Schwer vorstellbar sei auch, dass einer Lieferung
deutscher Panzer nicht deutsche Techniker oder Ausbilder folgen
würden.
Die Friedenskooperative und das Komitee für Grundrechte und
Demokratie hatten schon anlässlich des inzwischen veränderten NATO-
Beschlusses in einem Appell an die Bundesregierung ein Veto
eingefordert. Schon eine reine „Selbstverteidigung“ – die auch beim
jetzt geplanten Mandat möglich ist – würde die NATO-Einheiten zu
Kombattenten machen. Unter Berufung auf die eindeutigen Aussagen des
UN-Generalsekretärs Kofi Annan, der den Angriffskrieg gegen den Irak
jüngst in bemerkenswerter Klarheit als „unvereinbar mit der UN-
Charta“ und als „illegal“ bezeichnet hatte, würde diesem Krieg durch
den NATO-Einsatz eine nachträgliche Legitimation verliehen werden.
Ferner wird darauf hingewiesen, dass der Bundesregierung eine
Beteiligung bei solchen Vorhaben nach Art. 26 GG durch das
Grundgesetz verboten ist.
Die Friedenskooperative kritisiert in diesem Zusammenhang auch, dass
Außenminister Fischer seinen Auftritt bei der UN-Generalversammlung
nicht dazu genutzt habe darauf hinzuwirken, dass die Führung des
Irak-Krieges als völkerrechtswidrig erklärt wird, um damit einer
weiteren Entwicklung des Völkergewohnheitsrechtes zur Legitimation
der Führung von Präventivkriegen einen Riegel vorzuschieben. Eine
Bewerbung für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat ohne
deutliches Eintreten für die Durchsetzung der völkerrechtlichen
Standards bedeute nicht die von Fischer reklamierte Stärkung der
Vereinten Nationen und ihrer in der Charta formulierten Regeln.
Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative
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